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Erwartung

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…ja, haben wir alle, allemal und unwillkürlich – so wie Sie jetzt die, dass hier ein immerhin einigermaßen interessanter Artikel erscheint.

Da Erwartungen jedoch selbst von dem, der sie hat, selten klar definiert sind (also, ich denk mal, das wär so ungefähr doch gar nicht so schlecht…) oder dermaßen deutlich, dass sie eigentlich nur enttäuscht werden können, werde ich mich auch in den Bereich begeben, in dem zunächst mal vieles offen ist, aber auch gegebenenfalls wieder schnell geschlossen wird. Wie ein hoffnungsvoll geöffnetes Fenster, in das trotz aller Vorhersagen der Regen fällt. Oder wider Erwarten die Sonne scheint – und man erst dann bemerkt, dass es mal wieder dringend einer Reinigung bedürfe.

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Ambrose Bierce, der alte amerikanische, klarsichtige Zyniker, definierte Erwartung als „jene Haltung oder Verfassung des Geistes, welcher in der Kette menschlicher Emotionen die Hoffnung vorausgeht und die Verzweiflung folgt.“
Naja, Mister Bierce, ich kann Ihnen nicht unbedingt widersprechen, doch glücklicherweise sind nicht alle Erwartungen so hoch, dass sie auch so tief fallen. Aber vertrackt ist die Situation doch: Der Wetterfrosch (muss ich jetzt wirklich noch die –fröschin dazuschreiben ?) hat mal wieder ganz allgemein 5 Prozent Regenwahrscheinlichkeit angesagt… Und ausgerechnet ich bekomme die ab! Hätte keine(r) irgendetwas diesbezüglich prophezeit, hätte ich wahrscheinlich nur gedacht: Naja, es regnet… Tja – Erwartung geweckt, und schon denkt man: Ja, so soll es sein, so soll es kommen.

Ein offensichtlich dem Menschen innewohnendes Prinzip, auf dem mehr oder weniger sogar unsere ganze Konsumgesellschaft basiert. Wie? Ich habe mir gerade einen superscharfen 3HD-XXL-TV-Bildschirm gekauft! Da hat die Nachrichtensprecherin einen 3mal so großen Kopf wie ich und trotz aller Maske mehr Hautunreinheiten, als ich jemals hatte! Was will man mehr? Ist doch hochauflösend klar: Erwartung erfüllt – die nächste stellt sich ein. In spätestens einem Jahr muss das NextGenerationDevicePlus her. Was das sein wird? Weiß ich nicht – ich erwarte es ja auch nicht.

Zufriedenheit ist ein nicht unbedingt länger anhaltender Zustand als Glück, also bitte mehr. Bitte? Neenee, da hat mehr zu kommen. Die Erwartungsfähigkeit des Menschen ist wohl unbegrenzt – sogar die der Pessimisten.

Mich enttäuscht meine Erwartungshaltung, was unsere Technik betrifft, anderweitig: Es wird nicht wirklich einfacher mit ihr. Das eine oder andere erleichtert sie durchaus – ohne Navi würde ich in Aachen wahrscheinlich weder an die Zieladresse finden, noch hätte ich rechtzeitig den Rückweg gefunden, um diesen Artikel zu schreiben. So ist es mir vor einiger Zeit widerfahren: Mein Stadtplan war (naja, wie ich eben) zu alt, und einen neuen gab es an der Tankstelle nicht. „Haben Sie denn kein Smartphone? Da müssen sie nur…“ Nein, habe ich nicht. Also muss ich nur… Mir den Weg beschreiben lassen. Was der Befragte aber ohne dieses technische Hilfsmittel leider auch nur unvollständig konnte, da ständig die Display-Anzeige kippte…

Weia, was´n Doof, denken jetzt viele, die mit dieser Technik gut umgehen können, aber ohne noch doofer dastünden als ich. Ich möchte sie gerne – die Technik natürlich – benutzen, aber nicht davon abhängig gemacht werden.

NUR noch bargeldlos bezahlen zum Beispiel – brauchen wir nicht zu erwarten, kommt. Davor können unabhängige Ökonomen warnen wie seinerzeit Ökologen vor dem Klimawandel. Letzterer ist ja schon da, na sowas, wieder mal völlig unerwartet. Wie Weihnachten, ganz plötzlich, und nun aber los, Geschenke kaufen. Die Umwelt lässt sich aber leider nicht mit technischen Mitteln zurückkaufen. Eine ausgestorbene Art ist weg, auch wenn man sie mit deren Namen bezeichnet… Drohnen zum Beispiel werden ihre insektoiden Namensgeber in absehbarer Zeit „überflügeln“.

Tja, so isses. Doch wenn man nicht hypochondrisch oder depressiv veranlagt ist, erwartet man doch weiterhin das Gute. Ganz dem olympischen Prinzip folgend: höher, schneller, weiter. Wird schon was Gutes dabei sein.

Okee, ich lasse mal diese Makro-Betrachtungen (ich möchte ja weder Sie noch mich endgültig depressiv hinterlassen) und komme zu den eher banalen auf der Mikro-Ebene.

Wenn ein Mann seine Frau gefunden zu haben glaubt, denkt und erwartet er: Die braucht sich nicht zu ändern! Tut sie aber. Wenn eine Frau ihren Mann gefunden zu haben glaubt, denkt und erwartet sie: Den kriege ich schon geändert! Tut er aber nicht. Den Spruch kannten Sie schon? Na, dann ist Ihnen wohl auch nicht unbekannt, dass er bei aller Witzigkeit nicht einer berechtigten Substanz entbehrt. Und somit sind wir bei dem prinzipiellen Dilemma der Erwartung: Wird sie erfüllt ? Ist sie überhaupt als solche realisierbar? Und in diesem Zweifelsfall (wie bei vielen anderen auch) gibt es nur eine doppelte Antwort: Ja und Nein. Auch die Erwartung bedarf der Kompromissfähigkeit. An wen oder was habe ich sie gestellt – womöglich überzogen, überhofft. An mich ? Burnout. An meinen m / w / d ? Trennung. An meinen Lottoschein? Pech gehabt.

Erwartungen erfüllen, nicht nur haben. Erwartungen im Rahmen des Möglichen erfüllt bekommen – das Größte! Und deshalb eher selten.

Und so erwarten wir weiter… Höher… Schneller. Die Hoffnung, Schwester der Erwartung, stirbt zuletzt. Verwartet.


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