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Kai Loewenhaupt

5-facher Gewinner des 39. deutschen Rock- und Popmusiker Preises 2021

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Rechte: Kai Löwenhaupt
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Kai, erst einmal einen herzlichen Glückwunsch. Wie fühlt es sich an, ein Gewinner zu sein? Wie lange war der Moment des Höhenflugs?

Lustige Formulierung: Gewinner. Ich fühle mich nicht anders als vorher. Auch nicht unbedingt als Gewinner. Es ist eine angenehme Bestätigung, dass meine Songs offenbar gut ankommen. Ich wünsche mir, dass ich das in irgendeiner Form nutzen kann.

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Wie lief denn der Wettbewerb und später die Preisverleihung ab?

Coronabedingt ganz unspektakulär. Ausschreibung, Einreichung, Benachrichtigung via Brief, dass ich in der Endauswahl bin, dann kamen die Gewinner Urkunden kurz vor Weihnachten per Post. Kein Anruf, keine Veranstaltung, kein Mitfiebern oder irgendwas Spannendes. Leider gar nichts.

Was hat Dich dazu veranlasst, an dem Wettbewerb teilzunehmen?

Mir wurde der Wettbewerb von einer Bekannten empfohlen, um überhaupt mal irgendwo zu starten. Ich hatte eine 10-jährige Musikpause eingelegt, Priorität auf Familie und ins ‚Leben‘ finden. Kinder, Beruf, undsoweiter. Anfang 2020 habe ich wieder angefangen, Musik zu machen, und dann ging es direkt mit Corona los. Schlimmstes Timing, um in der sowieso schwierigen Branche, die sich in den zehn Jahren auch komplett verändert hat, einen Neustart zu wagen.

Deine Songs sind eher von einer melancholischen Atmosphäre getragen. Wie vereinbart sich das mit dem Höhenflug eines Preisgewinners?

Ich empfinde keinen Höhenflug. Der Preis hat bisher noch nichts verändert. Vielleicht kommt das ja noch.

Wie konservierst Du diesen Moment? In einem Song?

Bestimmt taucht die ein oder andere Emotion in einem Song irgendwann mal auf. Ich sammle Emotionen und mache daraus Songs. Aber wie schon oben beschrieben: Es gab leider keine Gänsehaut-Momente bei diesem Wettbewerb. Schade.

Du machst seit 30 Jahren Musik. Wie kommt es, dass Du nie aufgehört hast?

Das stimmt nicht ganz: Ich habe eine lange Musikpause gemacht. Ohne Musik geht es allerdings auch nicht, wie ich feststellen musste. Als ich nach zehn Jahren wieder anfing Songs zu schreiben, sprudelte es nur so aus mir raus. Ich habe mittlerweile rund 50 fertige Demosongs in der Schublade, die ich in den letzten zwei Jahren geschrieben habe. Dazu unendlich viel anderes Material und Ideen, die noch ausgebaut werden können. Es war sehr wichtig für mich, Musik als Ventil wieder zu entdecken und als Ausgleich nutzen zu können.

1996 habe ich ein Interview mit Dir und Deiner damaligen Formation „Podge“ geführt. Wie hat sich Deine Laufbahn seither entwickelt? Erzähl doch etwas aus Deiner Lebensgeschichte, speziell in Sachen Musik.

Rechte: Kai Löwenhaupt

1996 war der große Traum Berufsmusiker zu werden. Ich wollte sogar Gitarre studieren. Leider konnte ich damals kein zweites Instrument, was zum Studieren Pflicht war. Mit Podge haben wir bis etwa 1998 noch weiter gemacht. Verschiedene Wohnorte haben Proben dann immer schwieriger gemacht. Wir nahmen eine Platte auf, die leider nie fertig wurde. Als uns der letzte Proberaum gekündigt wurde, haben wir auch keinen neuen gesucht. Die Band hatte sich zu diesem Zeitpunkt ein wenig verlaufen. Vielleicht gibt es ja im Jahr 2046 zum 50-jährigen Bandbestehen `ne Reunion.
Dazu kam, dass uns auch klar wurde, dass Erfolg als Band nicht wirklich planbar ist. Klar, man kann sich auf eine gewisse Ebene spielen, ein gewisses Niveau erreichen. Am Ende musst du aber ein Publikum finden, ein Label finden. Damals war das so. Es gab noch nicht das Internet in der Form, wie es heute existiert. myspace kam erst Jahre später. Für einen Erfolg braucht es eben auch die nicht planbaren Zufälle und zur richtigen Zeit am richtigen Ort Momente.
Nach dem Abi bin ich nach Köln gezogen und habe 1999 an der Kunsthochschule für Medien angefangen zu studieren. Dort habe ich hauptsächlich Musikvideos gemacht. Ich war in gewisser Weise immer noch in einer Musikblase, aber eben nicht mehr ‚nur‘ als Musiker.
In dieser Zeit habe ich mit ein paar Freunden die Band ‚Gratis‘ gegründet. Mit ‚Gratis‘ haben wir es sogar auf einen Spex Sampler geschafft. Die Band hat sich dann leider verlaufen, blendete so langsam aus. Auch da war klar: Kommerziell wird das nichts, und Geld verdienen, um davon zu leben, wird damit auch niemand. Aber wer weiß: Vielleicht gibt es auch da mal ne Gratis- Reunion.
Dann wurde es leider immer weniger mit Musikvideos, Viva und MTV spielten nur noch Klingeltöne und in der Musikbranche brach die ganze Mittelschicht weg. Das hab ich auch so in meiner Musikblase erlebt. Alle haben sich dann andere Möglichkeiten zum Geldverdienen erschlossen. Der große Rock’n’Roll Traum wich mehr und mehr der Realität. Zum Geldverdienen hab ich mich dann immer mehr in Richtung WDR On-Air-Design orientiert. Und dort bin ich auch heute noch zum Geldverdienen :-).

In welcher Weise hat sich Dein Musikgeschmack und auch Dein Verhältnis zur Musik in der Zwischenzeit geändert?

Mein Musikgeschmack hat sich nicht geändert. Ich höre alles mögliche. Ich höre Musik. Das fällt mir bei Spotify auf. Der Algorithmus schlägt mir immer nur ähnliches vor. Das ist aber total langweilig. Für jede Stimmung und für jede Tageszeit, für jede Lebensphase, ob Woche oder Monat, gibt es Soundtracks. Wenn ich jetzt ‚Give it away‘ von den RHCP höre, mache ich eine Zeitreise und bin wieder 16. Ich höre einfach gerne Musik. Zum Beispiel: Mike Stern, Steve Vai, klangheimlich, Exclusive, Zinnschauer, David Gilmour, Lina Maly, Gisbert Zu Knyphausen, Pink Floyd, Damien Rice, Tom Schilling&the Jazz Kids, Fortuna Ehrenfeld, Frank Sinatra, Tocotronic, Sophia, heißkalt, Maike Rosa Vogel. Ach, die Liste geht ewig weiter und ist noch bunter als diese Auswahl hier.

Warum bist Du mittlerweile deutschsprachig unterwegs? Was ist der besondere Reiz daran?

Ich habe für mich schon von Beginn an deutsche Texte geschrieben. In der Endphase von Podge waren wir auch schon bei Deutsch angekommen. Element of crime, Fanta vier, Selig.
Deutsch war eigentlich nie nicht da. Hinter englischen Texten kann man sich aber besser verstecken. Beim Musikhören mit englischen Texten wird man nicht so direkt mit einer Message belästigt. Das kann auch sehr angenehm sein. Ich bin aber großer Fan von deutschen Texten in der Musik. Ich will mit einer Aussage belästigt werden.

Wie viel Wert legst Du auf die Sprache?

Meine Texte sind sehr offen und direkt. Vielleicht auch unangenehm. Das muss aber nicht ich entscheiden. Für mich zählt hauptsächlich: das Gesungene muss raus. Und zwar genau so.
Ob das andere anspricht oder nicht, ist nicht meine Motivation und muss auch nicht von mir berücksichtigt werden.

Musikalisch erinnerten mich Deine Songs spontan an völlig unterschiedliche Acts: vor allem Kapelle Petra, aber auch an Thees Uhlmann und Element of Crime, obwohl die Musik eigentlich völlig anders ist. Vielleicht liegt es ja an der Stimme.

Deine drei genannten Acts sind mir bekannt, sind auch alle auf meinen Playlisten vertreten. Ich versuche ja nicht, eine andere Band nachzumachen. Ich sauge alle Bands und Einflüsse auf, schüttel kräftig, und raus kommt dann das, was ich mache: mein Stil, meine Musik.

Rechte: Kai Löwenhaupt

Die Stimme setzt Du nicht nur zur Melodiebildung ein, manchmal auch perkussiv oder als Effekt. Wie gehst Du stimmlich an Deine Kompositionen?

Stimmlich habe ich sehr viel mit meinem Produzenten Geo Schaller gearbeitet. Er ist ein herausragender Vocal Coach und stimmlich hat er bei mir in den letzten zwei Jahren noch mal eine Entwicklung gefördert, die bestimmt noch nicht abgeschlossen ist. Es macht Spaß im Studio die Vocals fast wie ein Hörspiel mit verschiedenen Stimmungen / Moods zu versehen und damit die Texte noch weiter zu unterstützen. Es ist erstaunlich, wie viel man schon mit einem ‚Ähh‘ ausdrücken kann.

13. Die Musik geht in Richtung Alternative Rock mit unterschiedlichen Einflüssen aus Pop, Ska bis Hard-Rock. Ruhige Passagen wechseln sich mit Uptempo-Parts ab. Pausen scheinen einen wichtigen Schwerpunkt auszumachen wie in einer Art Klang-Mosaik. Was inspiriert Dich dazu und wie kreierst Du die Musik?

Die Inspiration kommt natürlich von den vielen unterschiedlichen Musikgenres, die ich höre. Am liebsten würde ich alle meine Lieblingslieder in einem Lied einbauen. Das klappt dann natürlich nie, und übrig bleibt ein Song mit ein paar Bausteinen aus verschiedenen Genres. Songwriting funktioniert bei mir meist so:
Ich setze mich mit einem leeren Logic Projekt an den Rechner und lege los. Manchmal habe ich schon Textfetzen. Und manchmal schraube ich dann ein Gerüst zusammen und habe eine Demo Version. Im Studio mit Geo Schaller nehmen wir dann wieder alles auseinander und füllen den Song mit Leben. Das ist aber der Idealzustand. Manchmal bleibt am Ende einer solchen Session auch nur ein Riff übrig, das ich auf `nen Drumcomputer gerotzt habe. Mal so, mal so. Alles kann passieren. Ich weiß nicht, was rauskommt, wenn ich mich zum Songwriting hinsetze.

Mit wem hast Du die Songs aufgenommen?

Als Produzent habe ich mit Geo Schaller genau die richtige Person gefunden. Wir verstehen uns blind, und nichts ist peinlich. Das ist sehr wichtig. Dadurch können wir alles ausprobieren und auch wieder verwerfen, wenn wir es dann doch peinlich finden. In dieser offenen und vertrauten Atmosphäre können dann solche Songs entstehen.
An den Drums habe ich einen alten Bekannten. Stephen Holl. Ich hatte ihn zehn Jahre aus den Augen verloren, wußte nur, dass er immer noch aktiv Drums spielt. Ich hab ihn kontaktiert und war überrascht: Er ist Studio Drummer und macht mit Uwe Baltrusch (Produzent von Wise Guys) Drumrecordings. Das passte natürlich hervorragend. Als er das erste Mal auf meine Songs trommelte, wurde das ganze Projekt auf eine neue Ebene gehoben. Die lebendigen Drums geben den Songs die nötige Tiefe. Ich bin sehr glücklich über diesen Zufall.
Geo hat dann Constantin Herzog – einen studierten Kontrabasser – noch ins Boot geholt. Er hat den Songs auch noch mal eine weitere Ebene hinzugefügt. Es macht Spaß, wenn die Songs von anderen Kreativen einen weiteren Anstrich bekommen.

Was sind Deine nächsten Ziele?

Ich möchte endlich mein Programm live spielen. Ich habe wegen Corona noch nicht ein einziges Mal live gespielt. Das finde ich fast unerträglich. Denn deswegen habe ich mit der Musik ja auch wieder angefangen. Ich möchte gerne auf die Bühne.
Langfristig wäre es ein Meilenstein, wenn die Musik sich selber finanziert, ich also soviel verdiene, dass ich dadurch Studio und Musiker bezahlen kann und weitere Platten aufnehmen kann. Und das ist schon ein sehr hoch gestecktes Ziel. Alles darüber hinaus ist optional, und damit beschäftige ich mich dann, wenn es soweit ist.

Dein Bruder Jan war Dein früherer Drummer und wollte immer schon mit Musik sein Geld verdienen, damals als Toningenieur. Was ist aus ihm geworden?

Er verdient sein Geld mit Musik. Er ist erfolgreicher FOH Mischer bei zum Bespiel Gregor Meyle oder Sophia. Sein Sound ist legendär, er transportiert den Bandsound ins Publikum. Gar nicht so einfach und ein Schlüssel für ein gutes Konzert. Scheiß Sound = Scheiß Konzert, Jans Sound = gutes Konzert. Das hat sich rum gesprochen. Deswegen ist er auch NumberOne FOH Mischer bei Gregor Meyle und Sophia.


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