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Schwarz Weiß

Könnt Ihr Älteren Euch noch erinnern – könnt Ihr Jüngeren Euch das vorstellen?

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lllustration: Zara Schmittgall
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Da gab es doch mal diesen ziemlich voluminösen Kasten, der seinerzeit plötzlich sowas wie „die Welt“ vor unseren Augen flimmern ließ… Mit seinem Bildschirm im passenden Format zu unserer damaligen Auffassungsfähigkeit. Denn unsere Anschauung der Zusammenhänge dieser Welt war doch zugegebenermaßen nach der vorangegangenen glücklicherweise doch nicht tausendjährigen „Größe“ ziemlich klein. Und so stand man vor den Schaufenstern, die diese Apparate anboten, und betrachtete das auf der Mattscheibe Gebotene offenen Mundes. Bis man sich ein solches Gerät selbst leisten konnte. Menschen, Tiere, Sensationen ins eigene Wohnzimmer gebracht, allerdings dank Sendeschluss zeitlich begrenzt und von nur einem Sender. Das ist knapp 60 Jahre her, also nicht mal die Spanne der heutigen statistischen Lebenserwartung. Ich staune immer noch, was die Technik seitdem allein in diesem Bereich alles zustande gebracht hat…

Nach dem Schwarz / Weiß- kam der Farbfernseher, die Zahl der Sendeanstalten wuchs – und so weiter und so breiter. Leider nicht tiefer. Wo wir heute diesbezüglich sind, ist meist unwahrgenommen offensichtlich. Und so wie ich immer wieder über die technischen Möglichkeiten staune, schütteln mich ihre zwangsläufigen Auswirkungen. Nie war es so leicht, sich vielseitig zu informieren, nicht alles glauben zu müssen, was einem vorgesetzt wird – und trotzdem greift eine seltsame Verdummung um sich. Was ins zurechtgebastelte eigene Weltbild passt, wird geliket und ungeprüft weitergeschickt. Und anderes mit wenigstens Häme überzogen oder gleich ganz verdammt. Je farbiger die Bilder werden, desto schwarz / weißer wird das Denken. Wahrscheinlich ein schlichter Fall von hirnlicher Überforderung. Aus zwei unterschiedlichen Informationen kann ich mir eine – vielleicht mittelmäßige? – aber immerhin Meinung bilden. Bei hundert unterschiedlichen bleibe ich lieber gleich bei der sowieso schon vorhandenen. Ist ja auch anstrengend, mir gerade unpassende Dinge zu durchdenken. Also nehme ich wieder wie im „Super“markt aus dem Überangebot das Schnitzel, das mir schon so oft geschmeckt hat, und billiger ist es auch. Da denkt der Bauch… Wie so oft. Und wirklich farbiger wird, was dabei herauskommt, leider nicht… Da verdauen viele Hirne wie ihr Darm – nur nicht so effektiv…

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So werden die Braunen brauner und die Regenbogen-Vertreter scheinen nicht zu wissen, dass selbiger zwar sieben Farben hat, die allerdings physikalisch / optisch zusammengefasst – tja, so heißt es nun mal: „weißes“ Licht ergeben… Und die einen wie die anderen sitzen in ihrem Lager, ihrer Filterblase und schwenken ihre jeweiligen Fahnen im selbst produzierten und provozierten Wind. Zwischentöne werden nicht nur ignoriert, sondern gleich mitbekämpft. Vernunft ist scheinbar so grau wie grauenhaft.

Hmm. Sie halten mich jetzt wahrscheinlich für einen Schwarzseher. Bin ich aber nicht, denn erstens zahle ich meine Gebühren (wenn auch ziemlich ungerne für das mir meist gelieferte Seicht-Seeing und die das Publikum mitbespaßen sollende gegenseitige Munterkeit der Moderator/innen der öffentlich-rechtlichen Sender) – und zweitens habe ich den Rest meiner Hoffnung noch nicht aufgegeben. Es könnte ja von mir fast unbemerkt gerade eine Generation heranwachsen, die sich nicht mehr an politischem Schwarz-Weiß-Rot-Grün-Gelb aufhalten will und kann, weil sie schwarz und deshalb rot sieht. Die erkennt, dass ihre Eltern ihnen zwar wohlwollend, doch ihrem eigenen physischen Erlebnisdrang in Verbindung mit psychischer Trägheit frönend mehr kaputt als gut gemacht haben. Und denen mal wieder die Frage gestellt werden muss: Ach, ihr habt nichts davon gewusst? Seit der Studie des Clubs of Rome war das Meiste angesagt. (Unbekannt? Na, einfach mal googeln.) Die ziemlich magere Ausrede-Antwort: Naja, wer konnte das ahnen? Und wenn wir zweimal im Jahr in Urlaub geflogen sind– also bitte, da haben die Kinder ja auch was von gehabt! Ja, hatten sie, vielleicht. Doch nun ereilt uns die Nachhaltigkeit der Verschwendung. Wer seit Jahrzehnten nicht glaubt, dass bereits im ersten Halbjahr die eigentlichen Ressourcen für den Rest des Jahres verbraucht sind, bloß weil die Supermarktregale voll sind, der ist in seiner Intelligenz und seinem Verstehen dieser Welt weit hinter dem derer, die ihrerzeit aus immer noch nachvollziehbaren Gründen die Sonne um die Erde kreisen ließen.

Und schlimmer noch: Jetzt will man uns auch noch die Weihnachtsbeleuchtung nehmen… Ohweh, schwarze Weihnacht! Und eine weiße ist auch nicht wünschenswert, da muss dann nämlich teuer geheizt werden. Also keine farbig blinkenden Fenstersterne, funkelnden Lichterketten mehr – als ob man ein stilles Nachtfunkeln der Augen nicht auch oder gerade bei Kerzenlicht haben könnte. Und überhaupt: Wer ist Man, der uns das nehmen will? Seit wann haben wir überhaupt einen „Anspruch“ auf all dieses Übermaß, das nun vernünftigerweise, doch leider nur aus einer von vielen immer noch nicht verstandenen Zwangslage heruntergedreht wird? Da muss ich die Antwort schuldig bleiben und kann nur feststellen, dass sich das allgemeine Schwarz / Weiß derzeit für mich zu einem immer dunkleren Grau mischt.

Doch es gibt noch viele andere Farben – der Herbst bietet sie jedem genießenden Wahrnehmer kostenlos. Ich hoffe, Sie gehören dazu.


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