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Zarte Bande

Ein gebundener Text über Verbundenheit, Bündnisse und kriegerische Bunde.

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Illustration: Zara Schmittgall
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Bund, der oder das. Der kleine Artikel entscheidet, ob es um etwas mit Tragweite geht oder einen Bund Möhren. Verschiedene Assoziationen, je nachdem, wen man fragt. Mein erster Gedanke: der Bund fürs Leben – die Ehe. Verliebte Bande; der Entschluss, ein gemeinsames Leben führen zu wollen. Mein Mann denkt eher an den Bund im Sinne von die Bundeswehr. Ob ein tief sitzendes Trauma oder einfach eine fest geprägte Erinnerung, ich weiß es nicht. Wissen junge Menschen heute noch, dass es einen Grundwehrdienst gab, den man ableisten musste, wenn man es nicht schaffte, diesen mit guter Begründung zu verweigern? Der Einsatz des Einzelnen für die Gemeinschaft. Der Mann denkt direkt danach auch wirklich an Bündnisse zwischen Staaten zur Verteidigung. Auf meine Anmerkung, dass seine Gedanken und Assoziationen alle eher kämpferischer Natur seien, meint er trocken, dass auch eine Ehe doch aus Kämpfen bestünde. Da sei nur nicht immer klar, ob mit oder gegeneinander. Sei es, wie es ist.

Richtig ist sicher der Punkt, dass ein Bund ein gemeinsames Interesse voraussetzt. Eine gleiche Richtung, eine Sache, für die es sich einzusetzen oder gar kämpfen lohnt. Ein Bund ist etwas, was man zusammen eingeht. Bewusst entschieden, vor Zeugen oder gar Gott, möchte man die Ehe erneut ins Feld führen. Verliebte Bande führen hier zum Bund. Deshalb wird als Zeichen der Verbundenheit die Stola bei der christlichen Trauung um die Hände der Brautleute gelegt. Als Zeichen der Vereinigung. Es gilt, zurückzustehen als Einzelne(r) zu Gunsten des Paarseins. Gelingt nicht immer. Nicht nur in der Ehe nicht. Auch die Bünde, die man abseits davon schließt, sind nicht immer erfolgsgekrönt. Zuweilen bestehen sie jahrzehntelang ohne nennenswertes Ergebnis. Weil Interessen sich ändern oder sie gegeneinanderstehen. Ein Blick in die jüngere Gegenwart belegt diese Theorie. Konnte man doch sehr verwirrt sein angesichts der teilweise unterschiedlichen bis sich widersprechenden Aussagen zwischen Bundes- und Länderbeschlüssen in Sachen Corona-Politik. Denn auch die Bundesrepublik ist nichts anderes als ein Zusammenschluss der Länder, um gemeinschaftliche Interessen umzusetzen. Wobei man die gemeinschaftlichen Interessen nicht immer so direkt erkennen kann.

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Wenn der (hoffentlich) geneigte Leser, dem ich mich auch wohlverbunden fühle, diese Zeilen liest, ist gerade eine neue Bundestagswahl über die Bühne gegangen. Ein Großereignis der Demokratie, bei dem wir hoffentlich mal wieder gern über 50 Prozent Wahlbeteiligung verzeichnen, um zu bestimmen, wer in der Zukunft unsere gemeinschaftlichen Interessen vertreten soll gegen… Ja, gegen wen eigentlich? Es kommt mir so vor, als ginge es auch hier in erster Linie um Kampf und das Gegeneinander. Aus Prinzip und nicht Überzeugung. Wäre es nicht ein Traum, könnten wir uns alle ein wenig besinnen und versuchen, mehr an einem Strang zu ziehen? So wie ein Verbund Menschen mit einem gemeinsamen Ziel als eine Art großes Rudel, um das Miteinander und die Welt ein bisschen besser, zukunftsträchtiger, lebenswerter zu machen? Ein bisschen mehr wie in einer guten Ehe? Verbündete sein, die Zukunft für unsere Nachfahren vor Augen. Aber wahrscheinlich ist das zu pathetisch… Womöglich auch etwas kitschig, sicherlich wenig aussichtsreich, und gerade tobt schon der Kampf um Koalitionen, um Vorherrschaft und parteiinterne Interessen. Manchmal möchte man den Blick abwenden von den Nachrichten, Internet und Social Media, das wenig social, mehr

media ist. Den Blick aufs Kleine wie den Hosenbund oder eben besagten Bund Möhren. Den inneren Monk beruhigen mit bündigen Abschlüssen und schön ordentlich geschwungenen Verbundstücken am Zaun um die eigene kleine Welt. Weit weg von kämpferischen Handlungen und Bündnissen.

Schaut man sich die Wortherkunft an, so hat das Wort „Bund“ eine alte Geschichte. Schon im 11. Jahrhundert hatten die Menschen wohl das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Ordnung. Denn auch das macht einen Teil der Wortbedeutung aus. Durch Bündel und Verbünde entsteht Ordnung und damit auch Sicherheit. Wenn ich etwas sehr klar sage, tue ich das kurz und bündig.

Verbunden fühle ich mich generell meiner Familie, der blutsverwandten, aber auch der selbstgewählten. Viele sagen ja, dass Freunde die bessere Familie seien, eben weil selbst ausgesucht und nicht „zufällig“ durch Geburt zusammengewürfelt. Andererseits gibt es meiner Erfahrung nach nichts Tiefgreifenderes als die Verbindung von Mutter und Kind (bestimmt auch die Verbindung von Vater und Kind, aber da kann ich nicht aus eigener Erfahrung sprechen). Vor der Geburt meiner Tochter hätte ich das nicht in diesem Ausmaß für möglich gehalten. Es hat aber wohl einen Grund, dass Hebammen von sogenanntem Bonding nach der Geburt sprechen. Auch wenn ich glaube, dass diese innige Verbindung schon allein durch die Monate im Bauch und das an der Nabelschnur im wahrsten Sinne des Wortes Zusammengewachsensein entsteht. Ich sehe meine selbst gewählten Schwestern also einfach als positive Erweiterung meiner Familie. Schließlich gibt es in meinen Augen keine Notwendigkeit, mich zu entscheiden. Gottseidank.

Denn wie oft mussten und müssen sich Menschen auch in der heutigen Zeit entscheiden, Verbundenes, Vertrautes und damit Geliebtes und die Sicherheit, die dasselbe bedeuten, aufzugeben. Wegzugehen, neu anzufangen. Denn, ja, ich verspüre oftmals auch Verbundenheit zu Flutopfern, Geflüchteten oder generell schlechter Gestellten. Und damit sind wir wieder beim etwas kitschigen Teil dieses Textes. Das Wort Bund hat nämlich auch eine theologische, christliche Bedeutung. Es steht für den alten Bund, das alte Testament. Lasst uns also ganz im christlichen Sinn diese Menschen nicht vergessen, lasst uns wieder mehr Gemeinschaft sein und füreinander einstehen.

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Andrea Eßer
In Jülich geboren und dann nach der Schule ab in den Süden zum Studium der Wortjonglage. Nach einer abwechslungsreichen Lehrzeit mit den Prominenten dieser Welt, überwog das Heimweh nach dem schönen Rheinland und Jülich im Speziellen. Deckname Lottofee, liebt ihre Familie, Süßigkeiten, Kaffee, alles Geschriebene und Torsten Sträter. Anfällig für sämtliche Suchtmittel (nur die legalen natürlich). Hat schon mal eine Ehrenurkunde gewonnen und ihre erste Zeitung bereits mit zehn Jahren herausgegeben. Hauptberuflich strenger Händchenhalter eines Haufens vornehmlich junger Männer. Der Tag hat notorisch zu wenige Stunden für alle Pläne und kreativen Vorhaben, die meiste Zeit etwas verwirrt.

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