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2001: Einweihung des Mahnmals

Rede von Dr. Peter Nieveler: MAHNMAL FÜR DIE ERMORDETEN JÜDISCHEN JÜLICHER MITBÜRGER Übergabe an die Öffentlichkeit am Sonntag, 2. Dezember 2001

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Zum fünften Jahrestag der Errichtung des Mahnmals kam Schirmherr und Ministerpräsident Wolfgang Clement nach Jülich. Foto: Archiv PuKBSuS
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Sehr geehrte jüdische Gäste,
Herr Ministerpräsident,
Herr Bürgermeister,
meinen Damen und Herren,

damals, im Jahre 1966, war man noch nicht bereit, den dichten Schleier des Vergessens und Verdrängens von den grausigen Verbrechen wegzuziehen. Damals gedachten die Jülicher auf dem jüdischen Friedhof nur wenige Meter von hier entfernt noch ihrer „verstorbenen jüdischen Mitbürger“, als sie diesen einen Gedenkstein setzten. Noch wollte man sich noch nicht eingestehen, dass ein ganzes Volk, ganze Städte und auch unsere Stadt schuldig geworden waren, weil sie das größte Verbrechen, den größten Völkermord aller Zeiten hatten geschehen lassen oder weil sie gar an ihm beteiligt waren.

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1983 steht auf der Gedenktafel für die 1938 zerstörte Synagoge: „Zur Erinnerung und Mahnung!“ Damit nun ist der Weg gefunden, der – holprig zwar und manchmal in unendlichen Windungen – über die Umbenennung eines Teils der alten Grünstraße in „An der Synagoge“ hierher führt, auf den Propst Bechte Platz am 02. Dezember 2001.

Heute stehen Namen auf diesem Stein, mehr als zweihundertfünfzig Namen von Menschen, die hier lebten, die herausgerissen wurden aus ihrer Familie und ihrer Welt und die ermordet wurden, während ein Volk zusah, mittat.

Sie wurden ermordet und ihrer Persönlichkeit beraubt, getötet, verbrannt in Gräben geworfen, wie man es mit toten Tieren nie tun würde. Sie wurden gequält und mussten hungern, sie wurden geschändet und entrechtet, mit ihrem Leben wurden ihnen ihre Namen und ihre Würde genommen.

Dafür gibt es keine Entschuldigung, noch weniger eine Rechtfertigung. Es gibt kein Verständnis, kein Verstehen ist möglich.

Auch dieser Stein hier, dieses Mahnmal, kann nicht entschuldigen, vermag dem Verständnis nicht weiter zu helfen. Aber es soll den Toten ihre je einzelnen Namen, ihre personale Würde wiedergeben. Sie werden nicht mehr totgeschwiegen in Jülich, sie sind wieder die, die sie waren – Mit-Menschen.

Mahnung muss uns dieser Stein sein!
Kann uns denn etwas die Sicherheit geben, dass nicht auch wir morgen oder noch heute der Gefahr erliegen, in der unsere Großeltern, unsere Eltern und deren Freunde zu Tätern und Mittätern wurden?
An diesem Stein der Mahnung führt kein Weg vorbei. Er stellt sich uns in den Weg, nennt die Toten, die nun nicht mehr vergessen sind, und fordert von uns Einsicht und Liebe. Indem wir um den Stein herumgehen und lesen, sind die Toten wieder in unserer Mitte, gehen die beiden Gestalten zwischen den Blöcken aufeinander zu.
Ich hoffe, der Künstler, Michael Wolf aus Jüchen, der um die halbe Welt fuhr, um das der Würde der Toten angemessene Material für dieses Mahnmal zu finden – ich hoffe und glaube, er meint mit diesem seinem Werk etwas von dem, was ich empfinde.

Vor zwei Jahren hat der Rat der Stadt den Bau dieses Mahnmals beschlossen – einstimmig. Und er hat den finanziellen Grundstein gelegt. Mit mehr als zweihundert großen und kleinen Spenden wurde durch den Einsatz der »Jülicher Gesellschaft gegen das Vergessen und für die Toleranz« in weniger als fünfzehn Monaten eine Summe von 110.000 DM fast zusammengebracht. Allen Spendern gilt unser herzlicher Dank. Er gilt insbesondere der Jülicher Familie Jagdfeld, von der die zweite Hälfte der Gesamtsumme beigesteuert wurde, sie gilt der Jülicher Firma Lamers, die neben einer nicht unerheblichen Spende auch das Fundament für den Stein erstellte. Unser Dank gilt der Sparkasse Düren, die eine Menge Geld dazutat und mit einem ihrer Vorstandsmitglieder den Schatzmeister unserer Gesellschaft stellte, er gilt nicht zuletzt den christlichen Konfessionen, die sich einbrachten, und er gilt ganz besonders Ihnen, Herr Ministerpräsident Clement, der Sie spontan und ohne Fragen die Schirmherrschaft vor rund einem Jahr übernommen haben.

Meine Damen und Herren!
„Einen ewigen Namen gebe ich ihnen, einen Namen, der nicht ausgerottet werden kann.“ – So steht es auf diesem Stein, entnommen dem Buch der Bücher, der Bibel, der heiligen Schrift der Juden, die als Altes Testament Grundlage auch des christlichen Glaubens ist.

Hoffen, wünschen und beten wir, dass dieser Zusammenhang niemals wieder vergessen wird.

Herzlichen Dank!


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