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Mehr als nur ein Reifezeugnis

Rede der MGJ-Schulleiterin Christiane Clemens zum Abitur 2020

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Christiane Clemens
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Liebe Abiturientinnen!
Sehr geehrte Eltern und Verwandte, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Frau Dr. Schellenberger,
sehr geehrter Herr Heinrich Müller, ich möchte Sie noch besonders aus dem Kreis hier anwesender Gäste hervorheben als langjähriges engagiertes Mitglied der Schulpflegschaft, dessen Vorsitz Sie über viele Jahre inne hatten, und als Vater von Carolin, eine unserer diesjährigen Abiturientinnen.

Gleich erhaltet Ihr, liebe Abiturientinnen, im Rahmen dieser besonderen Feierstunde euer Abiturzeugnis.

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Ich bin sehr froh, dass wir dieses wichtige Ereignis in Eurem Leben gemeinsam begehen dürfen und Euren Leistungen damit einen würdigen Rahmen bieten können.
Ihr habt den höchsten schulischen Bildungsabschluss erzielt, den man in Deutschland erreichen kann. Die besonderen Umstände auf dem Weg zu Eurem Abitur im Jahr 2020 sind einmalig.
In den anderen deutschsprachigen Ländern bezeichnet man das Abitur als Matura, was vom lateinischen maturus abgeleitet ist und übersetzt reif bedeutet. Und aus meiner Sicht habt Ihr Euch nicht aus der Bahn werfen lassen und die besonderen Umstände akzeptiert und Euch so einer echten Reifeprüfung unterzogen und erhaltet somit heute viel mehr als nur ein Abiturzeugnis.

Und daher gratuliere ich Euch bereits jetzt – auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich!

Der Glückwunsch gilt auch Ihnen, sehr geehrte Eltern! Sie haben uns Ihre Töchter für diese Schulzeit anvertraut. Sie haben vieles möglich gemacht und haben in den vergangenen Jahren viele Freuden und manche Sorgen des Schullebens Ihrer Kinder miterlebt. Und jetzt in der Prüfungsphase haben Sie die besonderen Herausforderungen und die Anspannung gespürt und mitgetragen.

Es war der ausdrückliche Wunsch Ihrer Töchter – unserer Abiturientinnen, dass die Abiturfeier mit Ihnen gemeinsam stattfinden soll. Ich muss sagen, mich macht dieser Wunsch sehr glücklich, zeigt er doch die Anerkennung Ihrer Töchter, die Wertschätzung für Ihre Begleitung und Erziehung, die Ihre Töchter Ihnen heute zurückgeben möchten.

Liebe Abiturientinnen, jetzt ist sie also vorbei, Eure Schulzeit.

Zwölf Schuljahre liegen hinter Euch – das bedeutet etwa 15-Tausend Unterrichtsstunden; darin ungezählte Fragen, Arbeitsimpulse, Aufgaben – die ständige Suche nach Lösungen auf so vielen Feldern; das Lernen von Vokabeln in mehreren Sprachen, das Anwenden von Formeln und Systematiken, das Beherrschen von Fachbegriffen in vielen Disziplinen.

Wenn unsere Lehrpläne Recht haben, seid Ihr jetzt sach- und methodenkompetent, handlungs-, urteils- und entscheidungskompetent, medien-, präsentations-, selbstreflexions- und selbständigkeitskompetent, kooperations-, konfliktfähigkeits- und sozialkompetent. Wow!

12 Schuljahre, das bedeutet auch das stetige Miteinander mit vielen Mitschülerinnen, das Arbeiten in großen Gruppen – ob in der Klasse oder im Kurs. Dies erfordert viel Disziplin, das Einhalten von Regeln, das Übernehmen von Verantwortung für sich selbst und Andere, und immer wieder auch das Unterordnen des Individuellen unter die Erfordernisse der Gemeinschaft.

In Eurer Abiturzeitung habt ihr selbst geschrieben: „Wir haben gelernt, als Stufe zu arbeiten. Wir sind zu einer starken Gemeinschaft zusammengewachsen.“

Und weil Euch das gelungen ist, konnte euch auch die Corona-Pandemie nicht einschüchtern. Klar, ihr wart geschockt und enttäuscht. Keine Stufe vor euch hat je ein solch radikales Ende der Schullaufbahn erlebt: Freitag, der 13.3.2020 wird vermutlich ein Datum sein, an das ihr euch immer erinnern werden: Der Tag, an dem Eure Schulzeit endete. Dabei stand auf dem Live-Ticker, dass noch 22 Schultage folgen sollten.

Ich finde, Ihr habt konsequent gehandelt, indem Ihr den Live-Ticker auch bei Wiederaufnahme der Abiturvorbereitungen durch Präsenzen in der Schule nicht weiter vorgerückt habt. Das Plakat hängt immer noch im Schaukasten unter der digitalen Vertretungsunterrichtsanzeige und erinnert uns an das Ende eines Abiturjahrgangs, der gehen musste, ohne sich verabschieden zu dürfen, ohne Mottowoche, ohne Autocorso, ohne Stufenversammlungen, ohne Fotocollagen, ohne Umarmungen, ohne Abigag.

Jede Schülerin des MGJ kann dieses Plakat betrachten und sich an euch erinnern, den Abiturjahrgang 2020 – der das Motto gewählt hat „Who run the world, girls!“

Ich würde mich freuen, wenn die Generationen, die sich nach euch am MGJ auf Ihre Abschlussprüfungen vorbereiten, Euch als Vorbild nehmen und sich dieses Motto auch zu eigen machen, so wie Ihr es verstanden habt und so, wie wir unseren Auftrag als eure Lehrerinnen und Lehrer und als Schulträger verstehen: Das MGJ hat es sich zum Ziel gemacht, junge Mädchen ganzheitlich zu stärken und zu fördern. Sie zu erziehen und zu bilden zu modernen, selbstbewussten, teamfähigen und selbstständigen Frauen.

Mit Blick auf das Abitur 2020 am MGJ scheint mir, das ist uns gelungen. Mit großer Ruhe und Geduld habt Ihr euch eingelassen auf das, was Ihr ja auch gar nicht ändern konntet. Das hat Euch geholfen, die Herausforderungen anzunehmen, unter den Bedingungen, die durch das Land und in Umsetzung durch die Schule an Euch gestellt wurden. Ihr habt Kontakt gesucht und gehalten über die digitalen Möglichkeiten, zunächst per Mail, seit Ostern über Teams und Ihr seid mit großer Selbstverständlichkeit nach den Osterferien zu den Präsenzangeboten in die Schule gekommen, die immerhin freiwillig waren. Ihr habt euch geduldig und unter Wahrung der Abstandsregelungen in die Warteschlangen vor PZ und Turnhallen gestellt, den Mundschutz dabei konsequent getragen, euch die Hände gewaschen und desinfiziert und dann konzentriert die Klausuren geschrieben.

Wir hatten großes Glück: Keine Schülerin Eures Jahrgangs ist im Verlauf der schriftlichen Prüfungen erkrankt.

Mit dem Slogan „Bleiben Sie gesund“ beziehungsweise „bleib gesund“ verabschiedet man sich wie selbstverständlich seit Mitte März am Ende einer Unterhaltung und eines Briefes oder einer E-Mail – auch Ihr habt diesen Satz immer wieder verwendet in unseren virtuellen Kommunikationen – es hat geholfen.

An diesem Punkt einer Abiturrede stelle ich normalerweise gerne die Frage nach euren Zukunftserwartungen. Was erwartet ihr von der Zukunft? Und was wird von euch in der Zukunft erwartet?

Ich gehe davon aus, dass sich einige Pläne durch die Corona-Pandemie verändert haben. Aber ich bin sicher, dass ihr dank eurer unerschütterlich positiven und lebensbejahenden Haltung der Krise auch Positives abtrotzen konntet. Wenn es euch gelingt, das mitzunehmen in euer nun beginnendes neues Leben als junge Erwachsene, werdet ihr auch andere Hürden und Fallstricke der Zukunft nicht nur ertragen, sondern auch meistern. Das wünsche ich euch von ganzem Herzen.

Zum Artikel „Open-Air-Abi


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