Start Magazin Geschichte/n Der HERZOG im Museum (13)

Der HERZOG im Museum (13)

Ralph Mennicken vom Töpfereimuseum Raeren hatte für den Katalog "einhundertmal" die "Schnapsbibel" vorgestellt.

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Ein herausragender archäologischer Fund in der Jülicher Zitadelle ist eine sogenannte „Schnapsbibel“ aus grau-blauem Raerener Steinzeug. Das Gefäß imitiert die Form eines Buches, mit Ledereinband, steifen Buchdeckeln und zwei Buchschließen. Bis hin zum Seitenschnitt, der durch Glasurauftrag angedeutet wird, ist die Täuschung perfekt.

Ähnliche Buchimitationen aus Raerener Steinzeug gibt es in verschiedenen anderen Museen. Vor allem die Exemplare aus brauner Keramik sehen dabei täuschend echt aus.

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Bereits M.L. Solon, einer der ersten Autoren zum Thema Rheinisches Steinzeug, kennt im 19. Jh. ein solches Gefäß, das er allerdings als Handwärmer bezeichnet. Diese Deutung hatte bis vor wenigen Jahren Gültigkeit. Einer solchen Nutzung widerspricht allerdings die Tatsache, dass die kreisrunde Öffnung einen verschieden hohen Randabschluss aufweist und sich somit kaum zum Verschließen eignet.

Vielmehr handelt es sich um ein Scherzgefäß, aus dem Hochprozentiges getrunken wurde. Solche Objekte waren in der Renaissance sehr beliebt und entspringen der Lust am Spiel und an der Täuschung. Auch heute noch kennen wir solche „livres feints“ in Form von Hüllen für Videokassetten, die einen Bucheinband imitieren, oder aber als Scheinbücher, die von außen dicke Folianten sind, innen jedoch ausgehöhlt wurden und zur Aufbewahrung von Whisky- oder Likörflaschen, Waffen, Spielkarten, o. ä. dienen.

Dass solche Täuschungen aus Keramik vor allem im 16. und 17. Jh. sehr beliebt waren, bestätigt eine Töpferordnung der Habaner (hutterische Brüder) von 1612. Diese Widertäufersekte forderte eine Rückwendung zur Einfachheit urchristlicher Lebensformen. Neben teuren Glasuren auf Keramik verbieten sie das Anbringen von Zinn- oder Bleieinfassungen. Außerdem schreiben sie folgendes vor: „Die Füergestellten [Vorsteher, d. Verf.] sollen drob halten und nit zuegeben, das man so unerbare trinckhgeschüere mache, nach Büchern, Stiffeln und derogleichen geformört, als ob man nit wüsste, wie man sie [ die Käufer, d. Verf.] zur Fillerey reitzen solle.“

Die Frommen dieser Zeit bezeichneten die lästerlichen Nachbildungen von Bibeln, Gesangs- oder Gebetbüchern zum Genuss von Alkohol daher auch als „Teufelsgebetbücher“.


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