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Hände frei fürs Arbeiten

Kindertagesbetreuung ist in aller Munde, vor allem der Mangel an ausreichend Plätzen lässt nach wie vor die Gemüter mehr oder minder hochkochen.

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Dass auch vor 180 Jahren bereits über die geeignete Betreuung, Bildung und Erziehung kleiner Kinder nachgedacht wurde, beweist der 81. Band der „Veröffentlichungen der Joseph-Kuhl-Gesellschaft zur Geschichte der Stadt Jülich und des Jülicher Landes“. Für den 76 Seiten starken Band hat Chantal Kröber zahlreiche aus heutiger Sicht zumindest seltsam wirkende Listen und Tabellen zusammengetragen und die Geschichte der Jülicher Kleinkinder-Verwahrschule recherchiert.

Die geneigte Leserschaft erfährt in Kröbers Werk, dass sich bereits 1834 in der benachbarten Kaiserstadt Menschen zum „Aachener Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit“ zusammenschlossen, um „aufkommender Armut entgegenzuwirken“. Zu diesem Zweck sollten die Menschen ihre mühsam erarbeiteten Taler auf Sparkonten einzahlen. Aus diesem Verein erwuchs schließlich eine Art Filialnetz, das sich bis nach Jülich ausdehnte.

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Auch damals machten sich die Menschen Gedanken darüber, wie Eltern arbeiten gehen konnten, ohne sich Sorgen um die geeignete Beaufsichtigung ihrer Kinder zu machen. Eine Lösung boten die Kleinkinder-Verwahranstalten, die seit dem Jahr 1820 eine zunehmende Verbreitung erfuhren. Sinn und Zweck dieser Einrichtung war es nicht nur, den Eltern quasi sorgenfreie Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, sondern gleichzeitig die „Kinder der geringeren Volksklasse, bei moralischer Erziehung, zur Arbeit anzuhalten“. Die Formulierungen aus den Quellen, auf die sich Chantal Körbers Recherchen stützen, klingen aus heutiger Sicht einigermaßen merkwürdig. Überhaupt ist der 81. Band zur Jülicher Geschichte keine ganz einfache Lektüre, was bei einem Aufsatz, in dem es vor Zahlen nur so wimmelt, auch nicht unbedingt zu erwarten ist. Wer sich auf das Wagnis einlässt und die altmodischen Ausdrücke nicht allzu wortwörtlich versteht, wird mit manch interessanter Erkenntnis belohnt. So stellte man zum Beispiel im Jahr 1837 fest, „dass das weibliche Geschlecht für die Tugend der Arbeitsamkeit und Sparsamkeit empfänglicher sei als das männliche“ – festgemacht an der Tatsache, dass die Frauen der Arbeiterklasse mehr Thaler und Silbergroschen zusammensparte als ihre Ehemänner. Apropos Thaler: In der Anlage finden sich neben langen Listen mit der Anzahl der Kinder und die Guthaben in der Jülicher Spar- und Prämienkasse auch die Bedingungen, unter denen Kinder in der Verwahrschule aufgenommen wurden. Dort liest man etwa, dass für die Aufnahme zehn Silbergroschen fällig wurden und dass ein Kind „mit keinem ekelhaften äußeren Uebel behaftet sein“ durfte.

Chantal Kröbers Beitrag bietet einen interessanten Einblick in eine andere Welt und ihre Wertevorstellungen und zeigt gleichzeitig, dass die Probleme sich teilweise gar nicht so sehr unterschieden – wenn auch die Betrachtungsweise dieses doch deutlich tat.

BUCHINFORMATION
Chantal Kröber: Der Jülicher Sparkassen-Verein in Verbindung mit einer 1843 errichteten Kleinkinder-Verwahrschule als Filial-Anstalt des Aachener Vereins zur Beförderung der Arbeitsamkeit (1841) | 2023 Forum Jülicher Geschichte, Veröffentlichungen der Joseph-Kuhl-Gesellschaft zur Geschichte der Stadt Jülich und des Jülicher Landes, Band 81


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