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Ungeübt im Frieden

Gedanken zum Tage und einem Glasgemälde von Herb Schiffer macht sich Museumsleiter Marcell Perse.

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Glasbild 113 x 57,5 cm, Ausführung Glasmalerei Oidtmann, Linnich, Foto: Bernhard Dautzenberg, Museum Zitadelle Jülich
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Die Zerstörung seiner Heimatstadt Jülich und den mit dem Kriegsende am 8. Mai 1945 endlich beginnenden Frieden denkt Herb Schiffer in seiner Glasmalerei „in memoriam November 1944“ zusammen. Entstanden zum 60. Jahrestag der Zerstörung Jülichs 2004 erinnert es im Schlosskeller des Museums Zitadelle (z.Zt. geschlossen) an die leidvolle Verkettung von Zerstörung und der Chance zum Neubeginn.

Ruhige, graue, tote Gesichter bilden die Erde, auf die einerseits die Bombe fällt und doch wurzeln darin als ganz zarte Stängel die nährenden Oliven der Friedenszeit im oberen Bildteil. Aber aus dem im wahrsten Wortsinn „heiteren Himmel“ in zarten Blautönen fällt nicht nur die Bombe, die ja nicht ohne Kontext und Vorgeschichte erscheint, sondern auch der Frieden. Es hört sich an wie eine Zumutung, hatten doch so viele Menschen den Frieden herbeigesehnt … und doch war er ungewohnt, ungeübt, als er endlich eintrat. Bis zum Schluss wurde an vielen Stellen noch erbittert gekämpft, sei es aus Furcht, Überzeugung oder auch – so hart es klingt – Gewohnheit.

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Der Friede – und so setzt ihn Herb Schiffer ins Bild – kommt in Form der Taube zunächst im „Sturzflug“ wie vorher die Jagdflieger. Mit dem Frieden war vieles Leid noch lange nicht vorbei, auf keiner Seite. Wachsen lassen, ohne daran ziehen zu können, „gedeihliche“ gesellschaftliche Umstände zu schaffen, ist ein jahrelanges Arbeiten an Schuld, Verdrängung, Neuorientierung und Gestaltung des Friedens in der bundesrepublikanischen Demokratie, einem wiedervereinten Deutschland und in einem Europa mit sehr unterschiedlichen Kriegserfahrungen und Erinnerungen bis heute.

Vorbei ist nicht vorbei, weder in den Seelen der Menschen, den Kriegskindern und –enkeln, noch in der Realität heute. Bomben werden bis heute gefunden, ein Schleier von Kriegsschrott überzieht unsere Landschaft. Auf dass wir uns daran erinnern, wenn andere Menschen von anderswo bei uns Schutz suchen – oder wir Waffen in die Welt entsenden, als Export oder Militäreinsatz. Frieden muss erst mal irgendwann anfangen, das kann auch plötzlich sein. Aber ihn zu bewahren und immer wieder neu zu schaffen ist ein Marathonlauf. Man kann dies begünstigen. Friedensforschung zeigt uns durchaus Ansätze auf, um dem angeblich unentrinnbaren Schicksal von Kriegen etwas entgegenzusetzen. Aber man muss daran glauben und darin investieren. „Aufrüstungsweltmeister“ sei Deutschland stand vor kurzem in der Zeitung. Sind wir als Friedensstifter ebenso gut „gerüstet“?


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