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Mission Mathematik

Für Mathematik-Professorin Inge Schwank ist frühes Begreifen mindestens genau wichtig wie richtige Ergebnisse in Klausuren. Jüngst war sie zu Besuch im Mädchengymnasium Jülich.

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„Mathe soll selbst gedacht und nicht nachgeplappert werden“, betont Dr. Inge Schwank. Schon kleine Kinder können spielerisch einen Zugang zur Mathematik finden. Foto: Stephan Johnen
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Hand aufs Herz: Wie lief es so mit Mathe in der Schulzeit? Der Autor dieser Zeilen hat sich selbst eher durchgemogelt, ist bei Kurvendiskussionen oft genug aus der Kurve geflogen und hat bis heute nie so recht verstanden, mit welchen Inhalten das Kurzzeitgedächtnis gerade vor der nächsten Klausur aufgefüllt wurde. Mathe war ein notwendiges Übel, das sich nicht abwählen ließ. Dass es auch ganz anders laufen kann, möchte Dr. Inge Schwank vermitteln. Auf Einladung der Fachschaft Mathematik des Mädchengymnasiums Jülich kam sie auch mit Mathelehrern der umliegenden Grundschulen ins Gespräch. Themen waren unter anderem der Übergang von der Primarstufe auf das Gymnasium sowie die Frage, ob Jungen und Mädchen einen anderen Zugang zur Mathematik.

Dr. Inge Schwank ist Professorin für Mathematik und deren Didaktik an der Universität zu Köln und hat eine Mission: Sie möchte schon bei (kleinen) Kindern die Freude am mathematischen Denken wecken – und auch angehende Lehrerinnen und Lehrer auf dem Weg zur ersten Unterrichtsstunde begleiten. „Mathe soll selbst gedacht und nicht nachgeplappert werden“, sagt sie. Und: je früher Kinder spielerisch mit der Mathematik in Berührung kommen, desto einfacher ist auch später die Vermittlung im Unterricht. „Wir müssen nicht warten, bis ein Kind zwölf Jahre alt ist, weil das mathematische Denken dann wächst“, betont sie. Mathematik sei keine verkopfte Disziplin, sondern mathematisches Denke entwickle sich auch im spielerischen Tun, in der Interaktion, in der Beobachtung unserer Welt, die im Grunde „voller Mathematik steckt“. Inge Schwank: „Wir brauchen keinen mathematischen Satz, wir brauchen eine tolle Idee!“

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Mathematik existiere nicht als Gedankenspiel im luftleeren Raum. Schon die Verwendung von Bauklötzen im Kleinkindalter kann anschaulich erste Grundlagen vermitteln. Der Zugang zur Mathematik liegt in der Kombination mit Vorstellungen, mit Anschauungen von dem, was beispielsweise eine Verdopplung oder Verdreifachung bedeutet. Schon ein Kleinkind könne im Grunde zählen – auch wenn jede Addition erstmal das Ergebnis „mehr!“ hat. Ganz nebenbei wird so auch logisches Denken trainiert. Mit der Zeit können auch vor dem ersten Matheunterricht schon Zahlen in Relation zueinander gesetzt werden, die Grundlagen sind gelegt, die Freude am mathematischen Denken ist geweckt.

Foto: Stephan Johnen

Dass Mathematik eine vermeintliche Männerdomäne ist, kann die Professorin schon durch ihren eigenen Werdegang widerlegen. Vielmehr sei es oft eine Herausforderung in der Wissensvermittlung, dass Mädchen auf dem Weg verloren gehen oder in der Mathematik gar nicht ankommen. „Der gute Schüler und die gute Schülerin lernt auch trotz Lehrer“, scherzt die Professorin, doch aus ihren Forschungen weiß sie, dass Jungen und Mädchen oft unterschiedliche Zugänge zur Welt der Mathematik haben. In der Ausbildung der zukünftigen Mathelehrerinnen und -lehrer sensibilisiert sie dafür, die Kontexte jeweils auf die Lerngruppen abzustimmen, im Vorfeld zu überlegen, bei welchem Stoff ein differenziertes Vorgehen angebracht wäre. „Man kann zu fast jedem mathematischen Unterrichtsstoff verschiedene Zugänge wählen“, sagt sie. Bei klassischen Textaufgaben würden medizinische Kontexte oder Aufgaben mit Bezug auf die Tierwelt Mädchen ganz anders ansprechen. Während Mädchen sehr oft begrifflich reflektiert an Aufgabenstellungen herangingen, würden Jungen oft Dinge mit „Mut zur Lücke“ ausprobieren und Antworten frei nach dem Motto „wird schon gutgehen“ raushauen. Diese zeitlich intensivere Reflexion von Mädchen werde womöglich oft als Zögern oder Desinteresse an Mathematik missinterpretiert. Generell appellierte sie an alle Lehrerinnen und Lehrer, mathematisches Denken als geistiges Muskeltraining zu verstehen, anstatt Formeln im Kurzzeitgedächtnis zu parken.

Gerade im Vorschul- oder Grundschulalter funktioniere Mathematik auch ohne Musterlösungen. „Kinder müssen ausprobieren können, auf das hinarbeiten können, was wir Ergebnis nennen“, sagt Inge Schwank. Selbstverständlich gehöre das Ansammeln von Wissen dazu, aber Unterricht dürfe sich nicht darauf beschränken, da die Wissensabfrage immer technisch gelöst wird – Taschenrechner, Formelsammlung und Google lassen grüßen. „Früher war der Weg das Ziel. Heute will man angekommen sein, ohne je auf dem Weg gewesen zu sein“, verdeutlichte sie, dass ein rein auf Ergebnisse ausgerichteter Mathematikunterricht schnell dazu führen könne, dass die eigentliche Mathematik dabei auf der Strecke bleibt.

Der Vortrag in der Kapelle des Mädchengymnasiums, dem ein reger Gedankenaustausch folgte, war ein „Appetizer“, um weitere Formen der Zusammenarbeit und von Workshops für Lehrerinnen und Lehrer auszuloten. „Wir haben die Veranstaltung initiiert, um Ängste im Fach Mathematik konstruktiv in den Blick zu nehmen und die Zusammenarbeit mit den Grundschulen zu intensivieren“, erläuterten Norman Flecken als Fachvorsitzender Mathematik und Dr. Barbara Schellenberger als Vertreterin des Schulträgers.


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1 KOMMENTAR

  1. Besten Dank an Herrn Johnen für die ausführliche Berichterstattung über den Nachmittag mit Frau Prof. Inge Schwank „Freude am mathematischen Denken wecken“ im Mädchengymnasium Jülich. Ich fand erstaunlich, dass der Autor des Berichts fast die ganze Zeit dem Vortrag und dem anschließendem Gespräch mit den Lehrkräften aufmerksam zuhörte. Deshalb war ich gespannt auf seinen Bericht. In der Berichterstattung spürt man, dass ihn das Thema selbst interessiert hat und. Eine kleine Korrektur zum Schluss: die Veranstaltung fand nicht in der Kapelle der Schule statt, sondern in den Räumen unter der Kapelle.

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