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Es ist angerichtet!

Kabarettist Jochen Malmsheimer tischt sein Programm „Dogensuppe Herzogin – Ein Austopf mit Einlage“ im KuBa auf

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Foto: Guido von Büren
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Jochen Malmsheimer hat nicht nur körperlich, sondern auch stimmlich eine geradezu barocke Bühnenpräsenz. Davon konnte sich das Publikum jüngst im gut gefüllten großen Saal des Jülicher Kukturbahnhofs überzeugen. Der Bochumer Kabarettist, bekannt aus Funk und Fernsehen, hatte sein Programm „Dogensuppe Herzogin – Ein Austopf mit Einlage“ (von Erasco von Rotterdam) mitgebracht. Schon der Titel verweist auf die ganz eigene Wortakrobatik Malmsheimers, die aber immer wieder auf den Punkt kommt und auch dieses Mal löste sich der anfangs rätselhaft erscheinende Titel am Ende wie selbstverständlich auf.

Offen gab der Kabarettist zu, dass es das Programm nur gäbe, weil sein Agent auf einem neuen Bühnenprogramm und die damit verbundenen Einnahmen bestanden hätte. Mit dem Gedanken im Kopf, dass es nichts Langweiligeres als Reisetagebücher gibt, versuchte sich Malmsheimer an diesem Genre, strafte dieses Vorurteil jedoch zum Glück für das Publikum von Anfang an Lügen. Es war die Gattin des Kabarettisten gewesen, die auf einer Städtereise bestand und mit Venedig rasch ein Ziel definierte, zu dem es keinerlei Verhandlungsspielraum gegeben hätte. Da für Malmsheimer das Fliegen wider die Natur des Menschen sei, blieb nach Abwägung verschiedener Fortbewegungsmethoden allein die Busreise übrig, die wiederum schneller als gedacht gebucht gewesen sei. Nun hat eine solche Busreise über mehr als 1000 Kilometer zwei entscheidende Nachteile: Zum einen kann man sich die Mitreisenden nicht aussuchen und zum anderen ist für einen groß gewachsenen Mann, wie Malmsheimer einer ist, der vom Reiseunternehmen postulierte Komfort in einem Bus nicht existent. Genüsslich bereitete der Kabarettist das Panoptikum der Mitreisenden, die allesamt – bis auf die „Heranwixenden“, die sich auf die Rückbank verkrochen hatten, – in beigen Tönen gekleidet waren, des Busfahrers sowie der Reiseleitung vor den Augen seiner Zuhörerschaft aus. Rasch glitt der Bus über die A45 an Städten wie Siegen und Gießen vorbei, die Malmsheimer deshalb schätzt, weil sie wie infinitive Verben erscheinen, nicht aber als Ansammlungen von Architektur als solche. Über das Bordprogramm lief zur späten Stunde dann eine (fiktive) Diskussionsrunde des NDR zum Thema Bildung, die der Kabarettist kongenial nachzuzeichnen wusste. Schon an anderen Stellen des Programms hatte er sich darüber ausgelassen, dass es mit der Bildung in unserer Gesellschaft nicht allzu weit her sei, obgleich diese doch die Grundlage für einen von Empathie gesteuerten Menschen bilde, der jedweder Form von Intoleranz und Rassismus abhold ist.

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Nach der Pause – unter dem Bus glitt inzwischen die A7 in Bayern hinweg – erlebte Malmsheimer nun einen außergewöhnlichen Traum, oder sollte man besser Vision sagen? Neben ihm saß plötzlich nicht mehr seine Frau, sondern kein Geringerer als Long John Silver, der einbeinige Steuermannsmaat aus Robert Louis Stevensons Roman „Die Schatzinsel“. Wie überhaupt der ganze Bus nun besetzt war von den Helden aus der Jugendzeit des Kabarettisten. Direkt hinter ihm hatten Winne-one, -tou und -three Platz genommen, aber auch Kapitän Ahab, Siegfried, Odysseus, Wilhelm Tell und sein Sohn Walther, Robin Hood und der Sheriff von Nottingham, Lederstrumpf, Robinson Crusoe mit Freitag, die Wilde 13, Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer, Marco Polo und der Doge, Sam Hawkens, Martin Luther und noch viele mehr. Zwischen diesen und dem Kabarettisten entspannte sich nun ein filmreifer Dialog darüber, was dieses Zusammentreffen zu bedeuten hätte. Letztlich ging es auch hier um die Frage von Bildung und die Wichtigkeit der Rezeption literarischer Texte für die positive Persönlichkeitsbildung. Was es aber dann mit dem Dogen und der Suppe auf sich hat, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Selber zuhören und -sehen macht klug!

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Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

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