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Zurück zur Form

Die fitte Formsprache von Linie, Fläche, Kreis und Körper.

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Foto: HERZOG / Alissa de Groot
Foto: HERZOG / Alissa de Groot
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Die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade. Die vollendete Form ist der Kreis oder, räumlich gesehen, die Kugel. Die Kugelfläche ist die bei der Drehung einer Kreislinie um einen Kreisdurchmesser entstehende Fläche. Wenn sich diese runde Fläche jedoch an einer Stelle des Körpers befindet, an der eigentlich eine Gerade sein sollte, dann ist die Form nicht so vollendet und die Person vermutlich auch etwas außer Form. So ist es zumindest in meinem Fall.

Entstanden ist die Kugel fast synchron zum Kugelbauch meiner schwangeren Frau. Blöd nur, dass sie durch die Schwangerschaft einen guten Grund hatte rund zu werden und ich irgendwie nicht so richtig. Die Runde und weiche Form ihres „Kreises“ stand für Weiblichkeit, Geborgenheit und war der Vorbote für ein freudiges Ereignis, das allen ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Besonders der Verwandtschaft, die diese Kugel auch gerne berühren wollte.
Der Anblick meines Bauches schien hingegen niemanden zu entzückten und berühren wollte ihn auch keiner.
Dies scheint wohl nur beim kugelrunden Bauch des lachenden Buddhas zu funktionieren. Hier soll das Streicheln, nach chinesischem Brauch, Glück, Wohlstand und Zufriedenheit bringen.
Mein Bauch strahlte nur den Wohlstand aus, zufrieden war ich mit ihm, dem Bauch, aber nicht.

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Böse Zungen behaupteten, es sei ein Bierbauch, der da wachsen würde. Bier enthält viele Kalorien – das stimmt.  Aber auch hier gibt es Unterschiede: ein Weizen macht beispielsweise tendenziell weniger dick als ein Pils. Dumm nur, dass ich eher zum Pils greifen würde. Fakt ist jedoch, dass ein halber Liter Bier auf etwa 230 bis 250 Kalorien kommt. Das sind im Vergleich mehr Kalorien als bei einem 200 Gramm Schweineschnitzel. Fatal daran ist nur, dass das Bier im Gegensatz zum Schnitzel nicht satt macht. Ganz im Gegenteil. Der Alkohol wirkt appetitanregend. So führt dann eins zum anderen und das Bier zum Schnitzel.

Dass das Bierbauch-Phänomen vor allem bei Männern auftritt, liegt übrigens an der Tatsache, dass Männer genetisch so veranlagt sind, zusätzliches Gewicht im Bauchbereich zu speichern, während das „weibliche Fett“ sich eher am Gesäß und den Oberschenkeln ansiedelt. Da ich jedoch zu selten und wenn, dann wenig Bier trinke, konnte es sich hier nicht um einen Bierbauch handeln. Die Diagnose: Ich bin mitschwanger.

Ja, auch Männer können schwanger werden. Es hat zwar noch kein Mann, außer Arnold Schwarzenegger im Film „Junior“ von 1994, ein Kind zur Welt gebracht, doch tatsächlich können  Männer von schwangeren Frauen psychische und auch physische Reaktionen auf die Schwangerschaft zeigen. Die Männer fühlen quasi mit und erleben einen Sympathieschmerz.
Wer dazu Näheres wissen möchte, sollte einmal den Begriff „Couvade-Syndrom“ (couver, franz. „ausbrüten“, Männerkindbett) googlen. Dieser fasst die Schwangerschaftssymptome von der Gewichtszunahme über Stimmungsschwankungen bis zur Übelkeit beim Mann zusammen.
Bei mir beschränkte sich die Sympathie zum Glück nur auf die Gewichtszunahme. Im Speziellen im Bauchbereich.

Das Phänomen des Schwangerschaftsbauches bei Männern lässt sich meist schon im Freundes- und Bekanntenkreis beobachten. Es fängt mit bzw. nach dem Ringtausch bei der Hochzeit an. Der Körper scheint den Ring zu spüren und dieser runden Form nacheifern zu wollen. Das Festessen mit der Hochzeitstorte gibt eine gutes Fundament und den Spatenstich für den Kuppelbau.
Wer nach Jahren noch immer in seinen Hochzeitsanzug passt, kann sich wirklich glücklich schätzen. Wie schon erwähnt, entwickeln einige Frauen durch die Veränderung des Stoffwechsels komische Essgelüste und permanenten Heißhunger auf die verschiedensten Sachen. Die sauren Gurken sind hier der Klassiker.
Speziell in meinem/unserem Fall entwickelte sich die Lust auf Backwaren. Genauer gesagt auf Kuchen. Die Lust meiner Frau fokussierte sich jedoch nicht auf den Verzehr. Vielmehr verspürte sie die Lust am Backen.

Und so gingen fast neuen Monate Kuchenduft nicht spurlos an mir vorbei. Denn wenn zu Spitzenzeiten zweimal die Woche gebacken wird, der Haushalt zudem nur aus zwei Personen besteht, wovon eine ein Stück des Kuchen isst und meine Person dazu erzogen wurde, immer schön den Teller leer zu essen, ist das eine einfache Rechnung. Kuchen mal Pi zum Quadrat ergibt einen runden Bauch.
Dazu kommt noch die Tatsache, dass sich bei den meisten Männern im Alter von etwa 35 Jahren der Stoffwechsel verlangsamt. Was bedeutet, dass sie eher zunehmen.
Diese Grenze hatte ich gerade überschritten und konnte so die Bauch-Volumen-Formel noch gefühlt um den Faktor Zwei ergänzen.

Eigentlich müsste mich das nicht stören. Als Kind war ich schon ein ordentlicher Wonneproppen und hätte mit meinen blonden Locken als Vorlage für die kleinen dicken Engel der Deckenmalerei in der Sixtinischen Kapelle dienen können. Doch irgendwann war der Babyspeck weg.
Jetzt versuche ich der Kugel etwas Positives abzugewinnen. Immerhin gibt es in der Geschichte nicht nur große, sondern auch große und breite Persönlichkeiten. Speziell die Jülicher hatten einmal Erfahrung mit einem voluminösen Herrscher.
Ottheinrich von Pfalz-Neuburg war schon in der Aprilausgabe des HERZOGs Thema und „ein Renaissancefürst wie er im Buche steht, eine der zentralen Gestalten des Reformationsjahrhunderts, die es sich im 500. Jahr der Wiederkehr des Thesenanschlags von Martin Luther lohnt, genauer in den Blick zu nehmen. Wegen seiner beachtlichen Leibesfülle konnte er zuletzt kaum mehr selber gehen. Schon kurze Strecken raubten ihm den Atem. So ließ er sich denn gerne in einer Sänfte tragen.“
Soweit war es bei mir zum Glück noch nicht. Aber auch die Option einer Sänfte kam für mich genau so wenig in Frage, wie eine Limousine im Helmuth Kohl Stil, auf deren Kühlergrill ein Stern im Kreis trohnt. Das wäre etwas zu dick aufgetragen.
Außerdem wollte ich bei Atem bleiben, denn der Sommer stand vor der Tür und das bedeutete Sonne, Strand, Meer und Wellenreiten.

Der Kreis, der weder einen eindeutigen Anfang noch ein Ende darstellt, wird oft mit der Unendlichkeit in Verbindung gebracht. Eine Unendlichkeit, die auf meinen Kugelbauch nicht zutreffen sollte. Die Kugel musste weg! Es ist kein Platz für zwei Kugeln unter der Sonne. Normalerweise startet das Jahr mit guten Vorsätzen und immer wiederkehrenden Diätausgaben zum Jahresbeginn. Jetzt musste ich ein Sommer-Spezial-Diät-Sport-Programm einschieben. So schlug ich, wie Martin Luther, meine Re-Form-Thesen:

„Zurück zur Form“

an die Tür des Fitnesskellers. Naja, eigentlich klebte ich sie dran.
10 Punkte, die mich fit zum Surfen machen sollten. Wenn man gut und viel Surfen möchte, ist eine gewisse körperliche Fitness von großer Bedeutung und wenn mir das Training auch noch helfen würde, meinen Bauch los zu werden, wäre das um so besser. Das Programm bestand im Wesentlichen aus einfachen Übungen, die man an jedem Ort machen kann. Klassische Liegestütz bzw. Liegestützsprung, Unterarmstütz, Kniebeugen und Klimmzüge. Das sollte ergänzt werden durch Fahrrad-, Konditions- und Beintraining unter der Woche und einem Schwimmprogramm im Hallen- oder Freibad am Wochenende. Die Zehnerkarten waren schnell gekauft, sparten Geld und der Hometrainer für Schlechtwettertage war auch schnell wieder hergerichtet.

Für die Verbesserung von Balance, Konzentration und Koordination wurde noch schnell eine Slackline zwischen zwei Bäume im Garten gespannt. Slacken ähnelt dem Seiltanzen, bei dem man auf einem Gurtband, ähnlich einem Spanngurt, balanciert. Im Gegensatz zum Seiltanz ist das Seil jedoch nicht straff gespannt. Eine Slackline dehnt sich unter dem Gewicht des Slackliners und verhält sich sehr dynamisch, sodass ein ständiges aktives Ausgleichen der Eigenbewegung gefordert ist. Ein gutes Zusatztraining, das anstrengender ist, als es aussieht.

Leider hatte mein Plan, wie die Slackline, einen Einbruch. Die Motivation alleine nützt leider nichts. Auch der Backofen blieb bis zum Urlaub nicht kalt. Und so machten sich zwei Runde, nicht ganz so fitte Kugeln auf den Weg zum Meer. Der Neoprenanzug passte noch. Zum Glück! Doch er betonte auch stark die Formsprache meines Körpers. Eigentlich passte er ganz gut zu den runden Wellen. Diese steigen auch auf und die Rundungen werden immer größer, je näher sie zum Strand kommen. Bis sie dann brechen. Und genau das hätte ich auch am liebsten gemacht. Denn meine Form war für mich sportlich ein Desaster.
An dieser Stelle hätte ich gerne ein Bauch-Happy-End eingeleitet. Aber das gab es leider nicht. Zumindest noch nicht. Wer Reformen durchsetzen will, braucht mehr als nur einen Plan, „den er irgendwo ran nagelt“. So gut der Plan auch ist, Mann muss dran bleiben, Rückschläge einstecken können und darf sich nicht unterkriegen lassen. Ausdauer ist gefragt. Ausreden zählen nicht!

Diese Geschichte ist jetzt ein Jahr her. Inzwischen sind wir stolze Eltern einer süßen Tochter und die Kugel meiner Frau ist wieder verschwunden. Meine hingegen hält sich noch etwas, ist aber vor und nach dem diesjährigen Urlaub, aus dem wir gerade frisch zurückgekehrt sind, etwas weniger geworden. Oder macht nicht nur Schwarz sondern auch Braun schlank?

Wie dem auch sei: Ich bleibe weiter dran und erarbeite evtl. ein HERZOG Diät- und Sportprogramm für die Januarausgabe. Dann passt es besser zu den guten Vorsätzen und die Zeit zum nächsten Sommer ist noch etwas länger. Jetzt muss erstmal etwas Winterspeck drauf. Der Herbst ist schließlich schon da. Herbstanfang: Freitag, 22. September!!

 


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