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Energiewende made in Jülich

Europäische Energiewende: Das Jülicher Forschungszentrum gibt die Ergebnisse einer neuen Untersuchung bekannt.

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Grafik: Forschungszentrum Jülich
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Das Ziel: Treibhausgasneutralität 2050. Mit dem Green Deal haben sich die europäischen Staaten zur Energiewende verpflichtet. Wie sich das erreichen lässt, hat ein Team der Jülicher Systemanalyse des Forschungszentrums Jülich untersucht. In einer zeitlich und räumlich hoch aufgelösten Studie zeigen sie, wie Europa seine Potenziale am besten nutzen kann. Wichtige Erkenntnisse: Kernkraft wird nur eine Rolle spielen, wenn die Investitionskosten deutlich sinken. Globale Wasserstoffimporte gewinnen nur dann eine größere Bedeutung, wenn der Ausbau an Erneuerbaren und Netzkapazitäten schleppend verläuft – oder kurzfristig Importpreise von unter 3 Euro pro Kilogramm zu erwarten sind.

Der European Green Deal soll bis 2050 die Netto-Emissionen von Treibhausgasen in der Europäischen Union auf null reduzieren und die EU als ersten „Kontinent“ treibhausgasneutral machen. Eine große Aufgabe, die eine gesamteuropäische Transformation in mehreren Bereichen erfordert: Energie, Infrastrukturen, Haushalte, Gewerbe, Verkehr und Industrie einschließlich der stofflichen Emissionen.

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Die wichtigsten Ergebnisse der Jülicher Studie:

Essenziell für die Energiewende ist der Ausbau erneuerbarer Energien. Über die letzten fünf Jahre waren Deutschland und Großbritannien hier führend. Um jedoch das Ziel der Treibhausgasneutralität zu erreichen, müssen die Ausbauraten von Windkraft und Photovoltaik in Europa im Vergleich zu den heutigen um ein Vier- bis Fünffaches gesteigert werden. Ein schleppender Ausbau der Erneuerbaren würde die Abhängigkeit von globalen Importen deutlich erhöhen.

Europa fährt besser, wenn es gemeinschaftlich handelt. Aufgrund der hohen Siedlungsdichte und Industrieproduktion werden Energieimporte insbesondere in Mitteleuropa notwendig werden. Den Bedarf durch Energieexporte aus Nord- und Südeuropa zu decken, erscheint aus Kosten- und Versorgungssicherheitsgründen sinnvoll und umsetzbar. Gleichzeitig schaffen sich Nord- und Südeuropa damit neue Märkte, die im Jahr 2050 Wasserstoffexportvolumen von 100 Milliarden Euro erreichen.

Durch die integrierte, regionale Betrachtung der Strom-, Gas- und Wasserstoffinfrastruktur, einschließlich der Umstellung bestehender Gasnetze und -speicher auf Wasserstoff, wird der Bedarf an Netzausbau auf 800 Gigawatt für Strom und 1800 Gigawatt für Wasserstoff beziffert. Dabei erfolgt der Energietransport verstärkt von Nord- und Südeuropa Richtung Deutschland.

Windkraft- und Photovoltaikanlagen werden die Hauptquellen der zukünftigen europäischen Energieversorgung sein. Im Jahr 2030 erreicht ihr Anteil 60 Prozent, im Jahr 2050 über 90 Prozent. Kernkraftwerke mit europäischen Sicherheitsstandards werden als Option diskutiert. Die Analysen der Jülicher Expertinnen und Experten haben jedoch ergeben, dass diese im Vergleich mit Photovoltaik und Windkraft nicht wettbewerbsfähig sind – auch unter Berücksichtigung der Speicher- und erhöhten Transportkosten, solange die realen Investitionskosten von Kernkraftwerken nicht unter 6600 Euro pro Kilowatt liegen. Fusionskraftwerke sind nicht weiter betrachtet worden, da die technische Reife der Technologie erst nach Umsetzung des Green Deals erreicht werden wird.

Durch die Berücksichtigung weiterer Prozesse und der Dekarbonisierung des Luft- und Schiffsverkehrs ergibt sich ein deutlich höherer Wasserstoffbedarf als in bisherigen Studien. Während der Bedarf der chemischen Industrie mit jährlich etwa 42 Megatonnen im Jahr 2050 weitgehend übereinstimmend abgeschätzt wird, führt der europarelevante Luft- und Schifffahrtsverkehr zu einer Steigerung um 30 Megatonnen pro Jahr – unter anderem für den Einsatz von grünen Kraftstoffen. Bezogen auf Deutschland erhöht sich dadurch der Wasserstoffbedarf um die Hälfte.

Der Bedarf an Strom und Wasserstoff kann durch Europa selbst kosteneffizient gedeckt werden, fanden die Jülicher Forscherinnen und Forscher heraus. Europa hat damit theoretisch die Option, seine eigene Versorgung sicherzustellen, ohne auf Importe aus anderen Ländern angewiesen zu sein. Die europäische Wasserstofferzeugung ist bis zu einem Importpreis von 3,20 Euro pro Kilogramm im Jahr 2030 konkurrenzfähig. Das gilt, solange der Ausbau der erneuerbaren Energien planmäßig verläuft. Anderenfalls wird der Import von grünem Wasserstoff oder dessen Produkte nötig werden.

Um die Sicherheit der Energieversorgung zu garantieren, müssen Flexibilitäten und Speicher im System vorhanden sein. Wasserstoff stellt die saisonale Speicherung in Europa sicher. Bereits bestehende Untergrundspeicher für Erdgas können weiter für die Speicherung von Wasserstoff genutzt werden. Dennoch wird der Neubau von mehr als 50 Terawattstunden zusätzlicher Speicherkapazität in Europa notwendig, was einem Zubau von etwa 200 Salzkavernen entspricht.

Deutschland als Europas größte Industrienation wird in Zukunft den größten Bedarf an Strom und an Wasserstoff haben, mit Anteilen von 11 Prozent am Gesamtstrombedarf unter Berücksichtigung des Strombedarfs zur Wasserstoff-, Wärme- und Kraftstofferzeugung und 21 Prozent am Gesamtbedarf für Wasserstoff. Die auf 2045 vorgezogene Treibhausgasneutralität in Deutschland befeuert den Ausbau der erneuerbaren Energien auch in den anderen europäischen Ländern durch zusätzlich entstehende Strom- und Wasserstoffimporte nach Deutschland. Dabei wird Deutschland 35 Prozent seines Strombedarfs und 80 Prozent seines Wasserstoffbedarfs importieren, wodurch der Ausbau zusätzlicher Kuppelkapazitäten von 90 Gigawatt für Strom- und 200 Gigawatt für Wasserstoff notwendig werden. Die mittleren Stromgestehungskosten innerhalb Deutschlands werden im Jahr 2030 etwa 7 Cent pro Kilowattstunde und im Jahr 2050 etwa 5 Cent pro Kilowattstunde betragen. Mittlere Wasserstofferzeugungskosten innerhalb Deutschlands können für das Jahr 2050 mit etwa 3 Euro pro Kilogramm abgeschätzt werden.

Zur Speicherung des Wasserstoffs muss Deutschland alle derzeitig zur Erdgasspeicherung verwendeten Salzkavernen auf die Wasserstoffspeicherung umrüsten. Ein zusätzlicher Neubau von 80 Kavernen in Deutschland wird notwendig, um gegen großflächig in Europa auftretende Dunkelflauten gewappnet zu sein. Im Gegensatz zu den Ergebnissen anderer Studien spielt die Wasserstoffrückverstromung jedoch nur eine geringe Rolle, solange alle Länder verstärkt Erneuerbare ausbauen. Für die Versorgungssicherheit bei großflächigen Dunkelflauten oder zu geringen Ausbauraten der Erneuerbaren in Europa können bis zu 93 Gigawatt Rückverstromungskapazitäten in Deutschland notwendig werden.

Die Studie beruht auf detaillierten Berechnungen mithilfe der Softwaresuite ETHOS, die von den Jülicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eigens für diese Aufgabe entwickelt wurde. Sie ermöglicht eine wissenschaftlich fundierte Analyse von möglichst kosteneffizienten Strategien und Maßnahmen zum Erreichen der Treibhausgasminderungsziele.

Durch die ETHOS-Modellfamilie lässt sich die europäische und die deutsche Energieversorgung mit ihren Erzeugungspfaden und all ihren Wechselwirkungen abbilden – mit großer zeitlicher und räumlicher Detailtiefe. Dazu gehören zukünftige Vernetzungen von Energieimporten und -exporten ebenso wie eine Infrastrukturanalyse, die alle relevanten Energieträger – Strom, Gas, Wasserstoff, Wärme – in den Blick nimmt.


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