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Mai-Special: Von wegen nur im Rheinland…

Maibrauchtums-Geschichte von einer, die HERZOG.

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Symbolisch… Der Maibaum aus Koslar-Engelsdorf. Foto: Verein
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Es war einmal… Vor knapp 30 Jahren hat sich in Ostfriesland eine Gruppe Freunde zusammengetan und gemacht, was man bei uns im Norden am 30. April halt so macht: richtig, einen Maibaum aufgestellt. An dieser Stelle sollte ich ein klein wenig ausholen. Wir zelebrieren die Nacht auf den ersten Mai nämlich etwas anders als hierzulande üblich.

1. Einen Maibaum aufstellen kann, wer immer sich dazu berufen fühlt – man braucht dazu keinen Maiclub und auch keine Angebetete, der man einen Baum, ein Maibild, ein Herz oder ähnliches (gibt es bei uns Ostfriesen einfach nicht) aufhängt.

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2. Wer einen Maibaum – wie groß dieser ist, ist übrigens unerheblich – sein eigen nennt, darf in der Mainacht losziehen und anderen Maibaumbesitzern den ihren entwenden.

3. Fürs „Baumklauen“ gelten gewisse Regeln, die einzuhalten, Ehrensache ist: Hat irgendjemand, der oder die zu den Eigentümern gehört, die Hand am Baum, ist Klauen verboten. Das gilt übrigens auch, wenn der Wachposten zu tief ins Glas geschaut haben sollte und quasi nur dort „abgestellt“ wurde.
Sollte der Baum unbewacht sein, gilt es, so schnell wie möglich drei Spatenstiche rund um das begehrte Diebesgut anzubringen, bevor (!) jemand wieder Hand an den Baum legen könnte.
Sollte der Baum sehr groß und deshalb mit Bodenankern gesichert sein (was meist der Fall ist, gibt man sich mit kleinen Bäumchen doch eher weniger ab), muss – ebenfalls am unbewachten Baum – einer dieser Anker gelöst werden.

4. Der Baum ist erfolgreich geklaut und darf nun mitgenommen werden.

5. Üblicherweise wird nun ums Lösegeld verhandelt, das meist aus einem Kasten Bier oder ähnlichen Flüssigkeiten besteht – denn: Die Baumbesitzer möchten ihren schmucken Maibaum meist behalten, die „Diebe“ wollen sich hingegen eher nicht mit der sperrigen Beute belasten.

6. Das Bier wechselt den Besitzer, alle sind (mehr oder weniger) zufrieden, und die Party rund um den Maibaum kann weitergehen.

Aber manchmal kommt es eben anders, als man denkt. So auch damals…

Unser Baum war geschmückt und stand weithin sichtbar auf dem Hof, die Party war ganz nett, aber irgendwie fehlte noch was. Richtig, man könnte einen Maibaum „klauen“. Gesagt, getan. Zu sechst machten wir uns auf den rund anderthalb Kilometer langen Weg im Dunkeln und durch den Wald bis zur sogenannten „Mondscheinwiese“. Dort, so wussten wir, hatte der damalige Abiturjahrgang ebenfalls ein dekoratives Exemplar von Maibaum in die Höhe gehievt, und ein „Lösegeld“ wäre dort sicher auch zu haben. Das Ziel war schnell gefunden, der Baum nach allen Regeln der Kunst entwendet, nur noch Schritt 5 fehlte. Doch da machte uns die fröhlich feiernde Abiturientia einen dicken Strich durch die Rechnung. Sie gaben ihren Baum gerne her, ihr Bier jedoch nicht. So blieb uns nichts anderes übrig, als unser „Diebesgut“ auf die Schultern zu wuchten und uns auf den Heimweg zu machen. Man glaubt gar nicht, wie lang anderthalb Kilometer plötzlich sein können.


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