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Sprachlos

 „Sprache ist der Schlüssel zu Bildung und somit zu Chancengleichheit. Dennoch will die Scholz-Bundesregierung die finanzielle Förderung der Sprach-Kitas ab 2023 komplett streichen. Das ist ein großer Fehler“, so der Dürener Bundestagsabgeordnete Thomas Rachel (CDU). Im Kreis Düren profitieren 17 Kitas von diesem Programm, erläutert der Christdemokrat.

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Foto: westfale | pixabay
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Viel Lob bekommt das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“, in dem sich deutschlandweit 7500 Fachkräfte in 6900 Kindertagesstätten um die sprachliche Bildung kümmern. Ein Erfolgsmodell – auch in Jülich, wo das Familienzentrum „Kleine Strolche“ und der Awo-Kindergarten „Pusteblume“ geförderte Fachkräfte für die individuelle Sprachförderung beschäftigen. Jetzt kommt das Aus: Zum 1. Januar 2023 wird das Programm nach Mitteilung des zuständigen Bundesministeriums eingestellt. Die Bundesländer sollen übernehmen. Stattdessen hat der Bund am 24. August ein neues „Kita-Qualitätsgesetz“ angekündigt.

Kitas mit einem hohen Anteil an förderbedürftigen Kindern konnten bislang aus dem Bundesprogramm „Sprachkitas“ 25.000 Euro pro Jahr für eine zusätzliche halbe Fachkraft beantragen, die dabei hilft, die „alltagsintegrierte sprachliche Bildung“ in der Kindertagesbetreuung sicherzustellen. Das gilt für die „Kleinen Strolche“, die im 128-Nationen-Viertel von Jülich angesiedelt sind und bei denen in jeder Kindergartengruppe die Hälfte Deutsch nicht als Muttersprache spricht. Dasselbe trifft auf die KiTa-Gruppen der „Pusteblume“ zu. Übereinstimmend „sprachlos“ sind Gertrud Gärtner, Leitung der „Kleinen Strolche“, und Britta Juchem, Stellvertretende Leitung der „Pusteblume“ im übertragenen Sinne. Ein Grund ist, dass bereits viel investiert worden ist in diese Sprachfachkräfte, etwa durch umfassende Fortbildungen.

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„Die Sprachkompetenz hat zu Coronazeiten deutlich abgenommen und der Medienkonsum erkennbar zugenommen“, schildert Gärtner ihre Erfahrungen. Konzepte zum Aufholen seien gefragt und diese würden bislang in Klein- und Kleinstgruppen wie auch Einzelförderungen umgesetzt. Ein Stichwort ist hier Wortschatzerweiterungen. Auch wenn alle Mitarbeiter in Sprachförderungen Kompetenz seien, bestätigen Gärtner und Juchem übereinstimmend, würden solche Maßnahmen im Kindergarten-Alltag ansonsten zu kurz kommen. „Die Fachkraft hat die Möglichkeit, gezielt den Blick auf Kinder zu lenken, die in der Sprache Aufholbedarf haben“, ergänzt Britta Juchem. Zusätzlich bietet die zusätzliche Fachkraft die Möglichkeit, mit den Eltern in Austausch zu kommen. Früh in die Sprachförderung zu starten ist für die Einrichtungen ein wichtiges Gut. Im Zusammenspiel mit dem Erzieherinnen-Team sorgen die Fachkräfte außerdem für eine Sensibilisierung.

Unverständlich ist die Aufgabe der Finanzierung auch deshalb, sind sich die Leitungen einig, weil zusätzlich ukrainische Flüchtlingskinder aufgenommen werden, die einer besonderen Zuwendung bedürfen. Denn das Problem der Sprachbefähigung werde mit der Aufgabe der Sprachkitas lediglich in die Grundschulzeit verlagert.

Aus eigenen Finanzmitteln, das war auf Nachfrage zu erfahren, kann die evangelische Kirche als Träger des Familienzentrums „Kleine Strolche“ die Sprach-Fachkraft nicht weiter finanzieren. Bei der Awo ist es anders geregelt. Hier wird die Erzieherin in den „normalen Stamm“ zurückkehren und Verstärkung in einer Kindergartengruppe sein. Das mindert aber nicht die Folge, dass hier eine Lücke entstehen wird.

Inzwischen ist eine Petition auf den Weg gebracht worden, und für den Erhalt der Sprachkitas wird regionenübergreifend gestritten.

Das Land NRW traf die Nachricht, dass es künftig die Finanzierung der Sprachkitas übernehmen solle, unvorbereitet. „Da eine Finanzierung des Programms allein aus Mitteln des Landes nicht möglich ist, setzt sich die Landesregierung vehement dafür ein, dass der Bund einlenkt und das Programm doch noch fortführt,“ betont auf Nachfrage Patricia Peill, Landtagsabgeordnete für den Nordkreis Düren nach der ersten Sitzung des NRW-Parlaments Mitte August. Hier befindet sie sich im Schulterschluss mit dem ehemaligen Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, dem Dürener Bundestagsabgeordneten Thomas Rachel. Er habe sich seit 2011 für das Bundesprogramm „Schwerpunkt – Kitas Sprache und Integration“ inhaltlich eingesetzt, heißt es in einer Pressemitteilung. Rachel hinzu: „Ohne gute Deutschkenntnisse haben Kinder schon bei ihrer Einschulung Nachteile, die sie später nur schwer aufholen können. Das erleben wir auch in unserer Region. Umso wichtiger ist es, schon in der Kita mit der Sprachförderung zu beginnen – zumal inzwischen 40 Prozent aller Kita-Kinder einen Migrationshintergrund haben.“

Besonders im Kreis Düren sei das Programm wirklich sehr gut angenommen worden: 17 Sprachkitas profitieren derzeit noch von diesem Programm. „Das Aus des Programms ist grade vor den aktuellen Herausforderungen nicht nachzuvollziehen: So hat die Corona-Pandemie und nun der Angriffskrieg auf die Ukraine mit vielen nach Deutschland geflüchteten Kindern die große Bedeutung der Sprach-Kitas noch einmal verdeutlicht“, stellt sich Patricia Peill an die Seite der Betroffenen.

Zur Petition zum Erhalt der Sprachkitas.


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