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Mira Becker

Dunkle Flure, unendliche Spannung, die Ungewissheit, ob nicht hinter einer unübersichtlichen Ecke ein Meuchelmörder steht oder gar bereits Verstorbene ihrem Totendasein zu entfleuchen versuchen und durch die düsteren Hallen wandeln: All dies, was Filme über nächtliche Krankenhäuser berichten, hat rein gar nichts mit dem Alltag einer Nachtschwester zu tun. Oder etwa doch?

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Mira Becker. Foto: la mechky +
Mira Becker. Foto: la mechky +
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Die Nachtarbeit ist Mira Becker vertraut. Sie kann problemlos Vergleiche zum Wirken tagsüber ziehen, schließlich ist die 27-Jährige im Schichtdienst am St. Elisabeth Krankenhaus Jülich angestellt. „Wir arbeiten im 3-Schicht-System, Früh – Spät – Nacht. Einmal im Monat haben wir Nachtdienst, je nachdem entweder montags bis mittwochs oder donnerstags bis sonntags, und kommen dann montags aus der Nacht raus.“

Seit 2015 ist sie Fachkraft am Krankenhaus. Zuvor hat sie 2011 ihr Abi am Mädchengymnasium Jülich gebaut und ging anschließend ins FSJ (Freiwilliges Soziales Jahr) in ein Seniorenheim in Niederzier, ehe sie 2012 die dreijährige Ausbildung begann. Am MGJ war sie sehr zufrieden und vermisst die Schulzeit manchmal. Vor allem die Ferien. Jetzt hat sie 35 Tage pro Jahr Urlaub. Die braucht sie offenbar auch: „Man merkt es schon, wenn man drei Monate am Stück ohne zusätzlich freie Tage neben den Wochenenden gearbeitet hat.“ Irgendwann sei sie schon gerädert und geschlaucht. „Wir arbeiten ja elf Tage am Stück und haben dann drei Tage frei.“ Das gilt allerdings nur für die Vollzeitkräfte.

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Auch wenn es dabei ganz schön an die Substanz geht, findet Mira, der Dienst gehöre halt dazu, und macht ihn auch gerne. „Ich wollte es damals nach der Ausbildung unbedingt auch mal machen, aber im Seniorenheim war das bei uns nicht so. Wir hatten feste Nachtwachen.“ Da fand sie es im Krankenhaus ganz spannend, als sie die Gelegenheit bekommen sollte. Aber dann kam die Angst vor dem ersten Wochenende alleine und davor, etwas falsch zu machen. Als festgelegt wurde, nur noch zu zweit Nachtdienst zu machen, kam Mira Becker noch einmal drum herum. Obwohl sie mittlerweile auch eine Nacht alleine überstehen würde. „Ich weiß jetzt, wie es abläuft, und kann den Arzt anrufen, auch wenn ich ihn vielleicht wecke.“

Ansonsten schätzt sie am Nachtdienst, ihr eigener Herr zu sein, denn der Tagdienst sei viel durch Angehörige, Ärzte und Untersuchungen geprägt, um die sie die anderen Aufgaben herum basteln müsse. „Im Nachtdienst kann man sich schon selbst die Zeit einteilen. Klar, man hat die Patienten, die klingeln, die man versorgen muss, aber ich kann mich entscheiden, ob ich um 3 Uhr anfange, die Akten abzuzeichnen, oder ob ich das jetzt schon mache.“ Dabei gilt es, einen riesigen Pool an Dingen im Auge zu behalten und zu bewältigen: Mit der Übergabe beginnt um 20:15 Uhr die Schicht. Der erste Rundgang erfolgt um 21:00 Uhr, weitere um 0:30 Uhr und um 4:00 Uhr. Dann geht sie von Zimmer zu Zimmer, lagert die Patienten, verteilt Tabletten und hängt Antibiosen, Beutel mit Antibiotika, an.

Dazwischen bearbeitet sie die Patientenakten, trägt alles Aktuelle ein, füllt Lagerungs- und Trinkprotokolle aus und sieht nach Patienten, wenn deren Klingeln aufleuchten. Dann bereitet sie den Frühdienst vor, stellt Infusionen raus, kontrolliert Material und Medikamente, schaut, was für geplante Operationen bereit gestellt werden muss. Mira Becker kommt kaum aus dem Erzählen heraus. Zuletzt erscheint um 6 Uhr der Frühdienst, die Übergabe dauert bis etwa 6.30 Uhr. „Dann haben wir Feierabend.“ Das ist der ruhige Tag? Ja, genau! Eigentlich sei die Zeit schon sehr voll. „Jetzt fragt man sich, was passiert, wenn etwas aus der Reihe passiert. Das frage ich mich auch dauernd“, erzählt sie und lacht. Das eigentlich Unheimliche ist also, wenn etwas Unvorhersehbares passiert, das den ganzen Zeitplan durcheinander wirft. Und dennoch: Trotz aller Anstrengung sei es eine Pause zwischen dem Tagdienst.

Manchmal sei es schon unheimlich, wenn sie sich gerade konzentriert mit einer Aufgabe beschäftigt, und plötzlich jemand ganz leise über den Flur schleicht. „Dann erschreckt man sich schon. Da gab es auch schon ein paar Situationen, wo wir gefühlt drei Meter in die Luft gesprungen sind.“ Ein richtiger Schreckmoment? „Wie man das aus diesen Filmen kennt… Ja, wirklich!“, lacht sie. „Wir machen auch das Flurlicht aus, so dass nur kleine Lichter an sind, und hören halt auf jedes Geräusch.“

Besonders schlimm sei es, wenn mal jemand die Station verlässt, womöglich ungewollt. So war bei einer Kontrolle ein Zimmer leer. Mira lief im Dunkeln suchend durch das Krankenhaus. In einem leerstehenden Trakt saß die Patientin ganz hinten auf einem Stuhl und winkte mit einer Socke: „Ich habe mich verlaufen. Ich wollte eigentlich nur in die Kapelle.“ Das sind also diese Momente… „Ja, genau.“


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