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Broich wird nicht Standort für Flüchtlingsunterkunft

Die Ratsfraktionen haben sich in der jüngsten Sitzung gegen eine Zentrale Unterbringungseinrichtung in Broich ausgesprochen. Jetzt muss eine Alternative gefunden werden.

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Dicht gedrängt standen die Interessierten bei der öffentlichen Ratssitzung in den hinteren Rängen. Der kleine Sitzungssaal stand nicht zur Verfügung, weil dort derzeit die Wahlrunen für die Europawahl stehen. Foto: Dorothée Schenk
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Zwei der meistgehörten Sätze durch alle Fraktionen hinweg war zum neuen TOP 1 der Ratssitzung: „Wir nehmen die Sorgen der Bürger ernst“ und „Wir haben sehr konstruktive Gespräche geführt“. In Broich hatte die Bezirksregierung Köln eine Zentrale Unterkunftseinrichtung für rund 350 Geflüchtete geplant und dies im Januar der Stadt mitgeteilt. Der Besitzer des ehemaligen Erdbeerhofes, wo rund 330 Saisonarbeiter in Containern in den Erntemonaten untergebracht waren, hatte der Bezirksregierung wohl dieses Areal angeboten. Die Annahme: Wegen bereits vorhandener Infrastruktur,  weil die Anlage ungenutzt ist und sie direkt an der Rurtalbahn liegt, sei dies eine ideale Fläche. Eine Informationsveranstaltung seitens der Bezirksregierung war für den 10. Juni geplant. Ende des Jahres sollte die Einrichtung in Betrieb gehen. Pläne, die seit der jüngsten Ratssitzung vom Tisch sind.

Heinz Frey (UWG / JÜL) hatte als erster das Wort in der Ratssitzung und kritisierte, dass eine offizielle Information der Öffentlichkeit über eine geplante Zentrale Unterbringungseinrichtung für Geflüchtete in Broich ausgeblieben sei. Das übernahm nach seiner Aussage die JÜL und verteilte Rundschreiben im Dorf. Die Folge war eine Unterschriftensammlung vor Ort, die 800 Broicher unterschrieben haben und vor der Ratssitzung übergeben wurde. Auch wenn das Verfahren formal richtig sei, stelle sich die Frage, so Frey: „Wollen wir so mit Bürgerinnen und Bürgerinnen umgehen? Es bleibt und ist unsere Aufgabe, das an den Rat zu ziehen und eine Entscheidung zu fällen.“

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Die JÜL hatte bereits im März den Antrag eingebracht und von der Stadt gefordert, das Einvernehmen zu versagen, das von der Bezirksregierung gewünscht war. Der Grund: „Die Aufnahme von mehreren hundert Geflüchteten in dem ländlich geprägten Ortsteil Broich mit ca. 1200 Einwohnern übersteigt bei Weitem die Verhältnismäßigkeit und damit die Grenze der Zumutbarkeit der Bürgerinnen und Bürgern Broichs.“

Teil des Antrages war, dass die Stadt ein alternatives Grundstück zum Aufbau entweder einer ZUE oder zur Errichtung von weiteren Unterbringungsmöglichkeiten anmieten solle. Auf eine Unterbringung in Bürgerhallen oder Sporthallen, so eine weitere Forderung, solle verzichtet werden. In der Tagespresse schlug Frey eine ZUE auf dem Areal des Brainergy Parks oder Gut Nierstein vor.

Grundsätzlich stimmten mit dieser Haltung alle Rats-Fraktionen überein. Für das Bündnis 90 / Die Grünen schränkte Andreas Balsliemke ein, dass seine Fraktion Probleme angesichts der Haushaltslage und des mangelnden Wohnraums sehe. Ebenso äußerte sich Harald Garding (SPD) und gab des Weiteren zu bedenken, dass die Stadt selbst die Entscheidungsgewalt behalten wolle, denn „man möchte nicht, dass ein Privatinvestor das übernimmt“.

In Broich waren in Containern zur Erntezeit jedes Jahr Saisonarbeiter untergebracht. Foto: Dorothée Schenk

Marco Johnen (CDU) erläuterte, dass es kein Verfahren gebe, bei dem die Stadt ein Einvernehmen versagen könne. Auch der im Antrag formulierte Verzicht der Belegung von Turnhallen und Bürgerhallen sei nicht möglich. „Würde der Antrag der JÜL so bleiben, müsste der Bürgermeister den Antrag beanstanden.“ „Nachbesserungswürdig“ befand der Fraktionschef daher den JÜL-Antrag und legte einen Änderungsantrag der CDU vor, der letztlich – nach 20-minütiger Beratungspause für die Fraktionen – einstimmig beschlossen wurde.

Zusammengefasst sprechen sich alle Fraktionen nun für den Bau einer ZUE auf Jülicher Stadtgebiet aus – an einem anderen Standort als Broich. Die Verwaltung wird beauftragt, der Bezirksregierung Köln die Ablehnung des Standortes Broich mitzuteilen. Gemeinsam werden Vertretungen der Fraktionen und Verwaltung umgehend nach einem neuen Areal für eine ZUE suchen – aus städtischer oder privater Hand. Denn deutlich gemacht wurde auch, dass eine Zentrale Unterbringungseinrichtung für eine spürbare Entlastung sorgen würde. Zur Erläuterung: Die Stadt Jülich würde in den kommenden zwei Jahren keine Zuweisung an Flüchtlingen mehr bekommen und wäre hinsichtlich der Suche nach geeignetem Wohnraum entlastet. Das wiederum würde allgemein dem angespannten Wohnungsmarkt in Jülich zugutekommen. Abgemildert wurde der Punkt Belegung von Bürger- oder Sporthallen sowie öffentlichen Einrichtungen. Hier heißt es, dass diese „weiter mit aller Kraft vermieden“ werden soll.

Bürgermeister Axel Fuchs hatte sich der Stimme enthalten. „Ich kann mich als Leiter dieser Verwaltung nicht anschließen“, formulierte er mit deutlichem Ernst. Die erheblichen finanziellen Konsequenzen, die dieser Beschluss hat, lägen in einem „siebenstelligen Bereich“. Eine enorme Belastung für den städtischen Haushalt, bei dem lediglich über 3,5 Prozent der Ausgaben überhaupt Handlungsspielraum gegeben ist, wie im weiteren Verlauf der Sitzung bei der Einbringung des Haushaltes klar wurde.

Darüber hinaus führte er die damit verbundene Belastung der Verwaltung an. „Ich habe Sorge um die Mitarbeiter, die am Ende ihrer Kraft sind.“ Der Bürgermeister teilte mit, dass bereits jetzt weitere 30 Geflüchtete in der kommenden Woche in Jülich ankommen würden, von denen man noch nicht wisse, wo sie unterzubringen seien. In aller Deutlichkeit wandte sich Axel Fuchs an die Anwesenden: „Sollte es in diesem Arbeitskreis so sein, dass wir einen geeigneten Ort für eine ZUE definiert haben, erwarte ich von allen Menschen in diesem Saal – ob sie sitzen oder stehen – dass wir auch für diesen Ort einstehen und Stirn zeigen. Dann müssen wir alle an einem Strang ziehen.“ Mit einem Einwand hatte Fuchs dafür gesorgt, dass nicht die Stadtverwaltung alleine nach Alternativen suchen müsse, sondern die Einbindung der Politik gefordert ist. Fuchs kündigte an, schnellstmöglich die Arbeitsgemeinschaft einzuberufen. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“

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