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Herkulesaufgabe für Energieversorger

„In unserem Kundenzentrum erleben wir täglich verzweifelte Menschen, die ihre Strom- oder Gasrechnung nicht mehr bezahlen können. Deshalb sind die Preisbremsen dringend notwendig“, stellt Stadtwerke-Vertriebschef Ivan Ardines fest. „So sehr der Unmut wegen der massiv gestiegenen Energiepreise verständlich ist – es liegt nicht an uns. Ursache für die Preisentwicklung sind exorbitant gestiegene Einkaufspreise für Strom und Gas an den Energiemärkten." In einer Pressekonferenz erläuterte er die Folgen für die Verbraucher.

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Stromzähler Close-Up | Foto: ghazii - stock.adobe.com
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Die Jahresabrechnungen an die Stadtwerke-Kundschaft sind versendet. Diese verlangen nach Erklärung, ist der Vertriebs- und Marketingleiter der Stadtwerke Jülich, Ivan Ardines, der Ansicht. Hintergrund ist das Bundesgesetz über die Soforthilfe und Energiepreisbremse. Bei der Soforthilfe wird der Dezember-Abschlag für Gas und Wärme durch den Bund getragen. Das klinge soweit einfach, sei es aber nicht, sagt der Fachmann. Er kritisiert das Vorgehen der Entscheider als „zu intransparent“, weil die Grundlage der Berechnung auf einer Prognosemenge beruhe, die die Kunden im September 2022 verbraucht haben würden. Daraus errechnete sich der Entlastungpreis. „Diesen Preis kennen die Kunden aber nicht. Der Kunde kann die Summe nicht nachvollziehen.“ Das führe zu Unmut und dem oft gehörten Vorwurf: „Können Sie nicht rechnen?“

Ebenso verhalte es sich mit dem „Supergeschenk Energiepreisbremse“. Die Bekanntgabe erfolgte Heiligabend, gelten soll sie ab März rückwirkend bis Januar. Das sei kaum zu schaffen. „Das ist für uns Profis ein Albtraum“, gibt Ardines unumwunden und ungewohnt emotional zu. „Für den Verbraucher freut uns das. Aber die Zeiten, die der Gesetzgeber vorgibt, sind illusorisch und machen deutlich, dass der Gesetzgeber nicht weiß, welche Verfahren im Hintergrund ablaufen müssen.“ Mit der Preisbremse muss jeder Kunde wieder neu bewertet werden. Vorgabe ist: Bei 80 Prozent des Verbrauchs wird der Preis je Kilowattstunde Strom auf 40 Cent gedeckelt, je Kilowattstunde Gas auf 12 Cent und bei Fernwärme auf 9,5 Cent. Mit dieser Regelung wolle die Regierung Anreize zum Energiesparen setzen. „Wir waren schon stolz, dass die Kollegen die Umsetzung der Soforthilfe geschafft haben.“

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Aber es gibt auch gute Nachrichten: Die Stadtwerke Jülich liegen mit ihren Tarifen etwas oberhalb der „Preisbremse“, so dass die Kundschaft profitieren würde – wenn sie in der Grundversorgung seien. „In Summe werden wir so viel Guthaben auszahlen wie noch nie“, gibt Ardines bekannt. Die Kunden haben also im Schnitt gespart. Dass es Guthaben gebe, habe aber auch daran gelegen, dass in den meisten Fällen die vorsorgliche Anpassung der monatlichen Abschläge – nach oben, versteht sich – „mitgegangen“ worden seien.

Die Jahresendabrechnung sei jedes Mal eine Kraftanstrengung und für das Personal mit Urlaubssperren verbunden – krank werden sollte wohl auch niemand in dieser Zeit. Mit der Jahresendabrechnung kommt der neue Abschlag, der ab 15. Februar gültig wird. Der „Mechanismus der Preisbremse findet noch keine Berücksichtigung“, betont Ardines. „Stand heute ist keine Anpassung in Sicht, das wird auch morgen so sein. Was übermorgen ist, wissen wir nicht.“ Außerdem gibt es reichlich Papier zur Jahresabrechnung, zehn Seiten nämlich, die unter anderem ein verpflichtendes Glossar enthielten. „Die Kunden werden es innerlich nicht akzeptieren und nicht verstehen. Wir sehen die Schwierigkeit, es dem Kunden zu ,transportieren’.“ Erst im nächsten Jahr würden die Stadtwerke wissen, wie die Preisbremse gewirkt habe. „Ziel ist, die monatlichen Abschläge zu vermindern“, sagt der Vertriebs- und Marketingleiter. „Die Preise müssen runter, damit sie für unsere Kunden erträglich bleiben.“ Ivan Ardines gibt die Botschaft und Bitte an die Kundschaft aus, bis zur nächsten Anpassung – Stichwort: Umsetzung der Preisbremse – mit ihren Fragen zu warten und auch die Abschläge vorerst wie berechnet zu belassen. Die Stadtwerke kämen unaufgefordert auf jeden Einzelnen mit Korrekturen zu.

Für Verständnis wirbt der Vertriebs- und Marketingleiter, dass die fallenden Preise am Markt sich noch nicht sichtbar bemerkbar machen, weil die Stadtwerke Jülich vorausschauend einkaufen würden. Vorsorglich sind bereits Vorräte für das Jahr 2024 „ins Regal“ gelegt worden. Das unterscheide den Grundversorger von den Billiganbietern, die meist am Spotmarkt kauften und inzwischen wieder auf den Markt kommen würden. Verständnis zeigt Ardines, dass die Kundschaft in der derzeitigen Situation Kosten sparen wollten. Allerdings forderte er bei einem Anbieterwechsel dazu auf, die Verträge und das Kleingedruckte zu lesen, also die AGBs. Zu frisch ist sichtbar bei ihm noch die Erfahrung, als Ende 2021 viele der Konkurrenten mit Billig-Angeboten insolvent waren und die Stadtwerke als Grundversorger eingesprungen sind.

Beispielrechnung

Musterrechnung Strom
Bei einem angenommenen Verbrauch von 3.000 kWh Strom im Jahr und zur Berücksichtigung / Berechnung der Preisbremse wird ein Kontingent von 2.000 kWh (80 Prozent-Menge) berücksichtigt. Für diese „80 Prozent-Menge“ gelten die 40 Cent pro kWh. Für die restlichen 1.000 kWh wird der reguläre Arbeitspreis in der Grundversorgung in Höhe von 44,95 Cent pro kWh berechnet. Hinzu kommt der jährliche Grundpreis von 177,12 Euro (monatlich 14,76 Euro). Die Gesamtkosten für diesen Verbrauch belaufen sich dann mit Preisdeckel auf 1.426,62 Euro, ohne Preisdeckel auf 1.525,62 Euro (weil dann der Gesamtverbrauch von 3.000 kWh zum Preis von 44,95 Cent abgerechnet würden). Die Ersparnis durch den Preisdeckel beträgt also 99,00 Euro.

Musterrechnung Gas
Es wird ein Verbrauch von 15.000 kWh Gas im Jahr angenommen. Davon wird zur Berücksichtigung / Berechnung der Preisbremse ein Kontingent von 10.000 kWh (80 Prozent-Menge) berücksichtigt. Für diese „80 Prozent-Menge“ gelten die 12 Cent pro kWh. Für die restlichen 5.000 kWh wird der reguläre Arbeitspreis in der Grundversorgung in Höhe von 16,68 Cent pro kWh berechnet. Hinzu kommt der jährliche Grundpreis von 179,88 Euro (monatlich 14,99 Euro). Die Gesamtkosten für diesen Verbrauch belaufen sich dann mit Preisdeckel auf 2.213,88 Euro, ohne Preisdeckel auf 2.681,88 Euro (weil dann der Gesamtverbrauch von 15.000 kWh zum Preis von 16,68 Cent abgerechnet würden). Die Ersparnis durch den Preisdeckel beträgt also 468,00 Euro.

Die Gesamtentlastung in diesem Beispiel beträgt für Strom und Gas gemeinsam 567,00 Euro. Alle Preisangaben sind brutto.


Anm.d.Red. Da es Nachfragen zu dieser Beispielrechnung gab hier die Erläuterung, die auf Nachfrage die Stadtwerke schickten:

Nehmen wir an, dass ein Kunde bis zu dem Stichtag der Berechnung (September) in 2022 12.500 kWh verbraucht, dann sind 80  % davon 10.000 kWh.Diese stellen nun das Kontingent da, das als Grundlage für die Berechnung  in 2023 gilt.

Verbraucht nun der Kunde in 2023 15.000 kWh, so werden 10.000 kWh davon mit dem gedeckelten Preis berechnet, 5.000 kWh mit dem Preis seines Versorgers.


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