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Nach 34 Jahren ist Schluss

Es gibt viele Bezeichnungen, die auf Martin Schulz passen: Er ist studierter Architekt, fast sein ganzes berufslebenlang technischer Beigeordneter der Stadt Jülich, als Radfahrer mobil, im Hobby Sportler, Motorradfahrer, Trommler bei Tambour Axé und Imker. Außerdem ist er ein Ästhet. Mit 68 Jahren beendet er nun sein Arbeitsleben.

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Ein Bild, auf dem sich Martin Schulz gefällt. Foto: La Mechky Plus
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Wer Martin Schulz in seinem Büro besucht (hat), der erhält einen guten Eindruck von dem Mann, der 34 Jahre lang das Bauen, Wachsen und Gestalten der Stadt Jülich begleitete. Das Mobiliar ist wie seine Kleidung überwiegend in Schwarztönen gehalten. Sakkos und Hemden hängen generalstabsmäßig aufgereiht an einer Garderobenstange. Designerstühle, die als Arbeitssitzgelegenheiten eigentlich gar nicht zulässig seien, wie Schulz schmunzelnd verrät, gruppieren sich um den vom ihm selbstgebauten Schreibtisch. An den Wänden schwarze Kommoden. „Es geht um’s Wohlfühlen. Ich darf das mitnehmen, das ist alles abgeschrieben.“ Die Wände sind bis auf Bild von „Fjell“ mit dem Titel „Jülicher Himmel“ kahl. Beides – Kleidung und ungeschmückte Wände – haben ein Ziel: „Es soll mich nichts ablenken“, sagt der Kopfarbeiter.

Dass er wirklich aufgeregt sein könnte, kann man sich kaum vorstellen. Wer Martin Schulz aus öffentlichen Auftritten, aus Ausschuss- und Ratssitzungen kennt, der weiß: Er ist ein Freund der klaren Worte, lächelt meist, lacht gerne, aber in der Grundhaltung wirkt er eher gelassen und ruhig. Erstaunlich, denn nicht immer waren die Dinge, die Martin Schulz bekannt machen musste, angenehm und nicht immer war er unumstritten. Der 1,87 Meter-Mann zuckt mit den Schultern. „Es ist nicht unaufregend, wenn du immer wieder ins Amt gewählt werden musst.“ Trotzdem, so gibt er zu, habe er nur zweimal in den 34 Jahren, eine Sitzung aus Verärgerung verlassen.

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Wenn er den Kopf frei bekommen will, dient die Dartscheibe als Konzentrationsübung. Nein, Fotos von unliebsamen Menschen würde er nicht zum Zielobjekt machen „Selbst nicht meinen Lieblingsfeind.“ Feinde solle man pflegen, habe ihm mal eine weise Frau gesagt, grinst Martin Schulz. Zur weiteren Ausstattung des Raumes gehört eine Klimmzugstange. „Da ich ja sehr viel sitze, kann ich mich daran aushängen. Außerdem habe ich hier auch eine Yogamatte, ein Theraband und einen Powerball. Das ist ein tolles Teil!“ Spricht’s und fängt gleich mit der Demonstration an. Es gilt, in dem Ball einen Kreisel in Bewegung zu bringen und zu halten. „Das ist gut, wenn du mal Schmerzen in der Schulter hast.“

Martin Schulz 2019. Foto: Volker Goebels

Wer viel arbeitet, sollte eben ortsnah für einen Ausgleich sorgen. Apropos Arbeit: 2016 beschrieb Otto Jonel im Wochenspiegel der Tageszeitung, Martin Schulz sei „zur Unersetzlichkeit an Wissen um die Stadt herangewachsen.“ Bei der Wiederwahl 2021 war klar, dass er ein Jahr später die Altersgrenze der Berufstätigkeit erreichen würde. Warum macht man das? „Ich glaube, das ist Axel schuld“, gemeint ist damit Bürgermeister Fuchs, der den Fachmann offenbar zum Bleiben überzeugen konnte. Dabei wollte Martin Schulz, als er 1991 nach Jülich ins Planungs- und Bauamt kam, nur zwei Jahre bleiben. Klares Ziel: „Ich wollte immer technischer Beigeordneter werden.“ Ein obskurer Berufswunsch, wenn man nicht weiß, dass auch der Vater technischer Beigeordneter war. Als Schuljunge machte Martin Schulz, der mit fünf weiteren Geschwistern aufwuchs, seine Hausaufgaben, während sein Vater fürs Studium lernte und Modelle baute. Offenbar war das inspirierend.

In Kurzform: Abitur in Coesfeld, wohin die Familie aus Düren umzog, als Martin Schulz 15 Jahre alt war, Wehrdienst absolviert, die Liebe fürs Leben getroffen – Maritta, mit der er zwei Söhne hat – und die, während er zu den unterschiedlichen Studien- und Berufsorten pendelte, offenbar die stabile Mitte bildete. Zuerst kam das Architekturstudium in Berlin –„da habe ich sehr, sehr viel gelernt“ – später in Aachen beim berühmten Architekten Gottfried Böhm, dem Erbauer der Jülicher Rochuskirche. Vermutlich der Grund, warum Student Martin Schulz von Professor Böhm die Aufgabe erhielt, sich mit Jülich zu beschäftigen: Walramplatz und Marktplatz sollten überplant werden. Kritisch betrachtet der 68-jährige den Plan von damals: „Das würde ich heute anders machen.“ Es folgten ein Zwischenstopp in England, wohin die inzwischen gewachsene Familie wegen der beruflichen Perspektiven der Ehefrau für ein Jahr umzog, Diplom, die erste Anstellung in Saarbrücken und dann kam die ausgeschriebene Stelle in Jülich.

Martin Schulz 2005. Foto: Dorothée Schenk

1991 kam Martin Schulz nach Jülich. Das Jahr, in dem sich die KG Bretzelbäckere und Bärmer Sandhasen gründeten, das Solarinstitut am Campus Jülich installiert wurde – mit dem Martin Schulz später als Beigeordneter die Errichtung der Solartürme würde besprechen müssen. Aus den zwei geplanten Jahren Amtszeit wurden durch Aufforderung von Bürgermeister Heinz Schmidt die besagten 34 Jahre. Durch den Tod von Stadtdirektor Albrecht Eduard Schröder rückte Heinrich Stommel auf dessen Posten nach und die Stelle des ersten Beigeordneten war unbesetzt. Völlig überraschend hätte Schmidt ihn aufgefordert, sich auf den Posten zu bewerben. Bekanntermaßen der SPD gehörte der damals amtierende Bürgermeister an, eine Partei, der die Familie Schulz nahestand: „Mein Vater hat mir die Politik so erklärt, es gibt CDU und es gibt SPD. Die CDU ist für die Unternehmer, die SPD ist für die Arbeiter. Wir sind SPD“, erzählt Martin Schulz mit breitem Grinsen. Er selbst ist dennoch immer parteilos geblieben. Aus heutiger Sicht meint er, zu seinem Vorteil.

Einiges gibt es für Martin Schulz noch auszuräumen in dem Eckbüro mit Blick auf den Schwanenteich. Die Ehrenkappe der Historischen Gesellschaft Lazarus Strohmanus, eine Weinflasche, die neben einer – natürlich schwarzen – Teekanne steht und Fotos von seiner Nichte und seinem Neffen in Bundesligatrikots. Den Eingeweihten ist es natürlich längst bekannt: „Rechts ist Juliane Wirtz, die spielt in Bremen. Links ist Florian Wirtz, der spielt noch in Leverkusen.“ Deren Laufbahn verfolgt er als Onkel natürlich. Das wird aber nicht tagesfüllend sein.

Als Freund des Zweirades – man kennt Martin Schulz als bekennenden Fahrrad- und Motorradfahrer – plant er weiterhin Touren im Freundeskreis: Mit seiner Transalp, einer Enduro von Honda, die er neben seiner 26-Jahre-alten Straßenmaschine von BMW sein Eigen nennt, geht es in die Alpen. Außerdem will er „schrauben“. Bei seiner Mutter steht noch sein erstes Motorrad, ein schwarzer Chopper. „Den hole ich mir jetzt wieder her und werde ihn reparieren. Das knüpft an meine Jugend.“

Martin Schulz als Mitläufer bei „Flame of Peace 2014. Foto: Dorothée Schenk

Sport soll in seinem Leben eine größere Rolle spielen. Das Laufen, bei dem man so gut den Kopf freibekommen könne, habe er vernachlässigt. Wer sich erinnert: 2014 ist Martin Schulz bei dem Lauf „Peace of Flame“, der durch Jülich führte, mit am Start gewesen. „Es ist so ein Dreiklang, den ich mir vorgenommen habe“, erklärt Schulz und führt aus, was er vom Kölner Sportwissenschaftler Ingo Froböse gelernt habe. „Er sagt, du brauchst Kraft, du brauchst Ausdauer und du brauchst Beweglichkeit. Und für Beweglichkeit sorge ich schon. Ich gehe einmal die Woche zum Turnen für alte Männer.“ Schulz grinst.

Freundschaften pflegen ist ein weiterer Vorsatz: „Ich habe ich zu Hause eine Bude, die ist halbfertig. Das wird mal mein Männerparadies.“ Wenn dann alles parat ist, soll darin ein Kühlschrank mit Glasscheibe Platz finden, durch das kleine Gartentürchen zur Straße „stelle ich mir vor, dass Kumpels kommen, ein Bier trinken, ein bisschen quatschen.“

Fazit: Ausruhen ist auch nach 34 Jahren Berufsalltag mit mehr als dem üblichen Acht-Stunden-Tag nicht angesagt bei Martin Schulz. Was das wichtigste war, darauf hat Martin Schulz eine schnelle Antwort: „Das ist die Zusammenarbeit mit den Leuten hier.“ Was lässt er unerledigt zurück, was er noch gerne abgeschlossen hätte? Kurzes Nachdenken. Walramplatz, Schulerweiterung, Schulsanierung und das Schwanenquartier. „Ja, würde ich das schon gerne abschließen“ Da müsse man sich sehr „mit reinhängen“, wegen der unterschiedlichen Interessen, die teilweise heftige Diskussionen auslösen könnten. „Das wird nur ein Erfolg, wenn wirklich einer ständig alles versucht.“ Und natürlich die Innenstadtsanierung, die er in guten Händen wisse. „Die wird super“, freut sich Martin Schulz und erzählt strahlend von Gesprächen mit E-Bikern aus Titz, Linnich, Aldenhoven, die auf den Jülicher Marktplatz kommen und begeistert sind. „Ist das nicht wunderbar?“


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