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Erinnerung is e „Jeföhl“

Trauer über die ausgefallene Session ist ein Gefühl - aber gerade Erinnerungen können viele gute Gefühle zum Vorschein bringen. Mit der KG Schnapskännchen in Geschichte und Geschichten baden und sich wohlfühlen.

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Foto: Verein
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„So ein Orden ist für mich ein ,Jeföhl’“, gerät Jürgen Breuer, 1. Vorsitzender der KG Schnapskännchen ins Schwärmen. Sein Lieblingsstück ist der erste Vereinsorden von 1936. „Nit nur, weil er selten is und weil es einer unserer wertvollsten ist, sondern auch, weil ich lange darum gekämpft habe, ihn zu bekommen“, und erzählt mit gewissem Stolz wie Willi Hütten an der Türe klingelte, Sitzungskarten holen kam und sagte „Dä Jung, häste der Orden. Ich jlöv, du bis der Richtige, dä häste der“. Jedesmal, wenn Jürgen Breuer jetzt den Orden – eigentlich ja nur ein Stück Blech, wie er sagt – aus dem Schmückdöschen nimmt und ihn polliert, denkt er an Willi Hütten, an die KG und ans Feiern. Darum ist die heimische Karnevalsecke so wichtig, die seiner Meinung nach alle aktiven Jecken irgendwo in ihren Häusern haben. „Wenn Du zufällig vorbei kommst oder schlecht drauf bist, dann kannst Du sofort wieder das Akku volltanken.“ Es sind die Geschichten, die einem dann sofort wieder vor Augen stehen, ergänzt Thomas Beys, Präsident der KG.

Apropos Geschichte(n): „Jöste, Welldörf, Serrest und die umliejenden Höfe – Alaaf“ ist ein Markenzeichen, für das die KG Schnapskännchen Güsten im Jülicher Land sehr bekannt ist. „Mein Vorgänger, Peter Heuser hat ihn kreiert, um in den 70er Jahren die Fehde zwischen Welldorf und Güsten beizulegen“, erzählt Thomas Beys, amtierender Präsident der KG grinsend. Daraus ist inzwischen tiefe Verbundenheit geworden, die sich sogar baulich zeigt. So manches Mal das Zelt um Dunkeln und Schweigen versunken, hätten nicht jahrelang Stefan Meuser und Tim Freialdenhoven mit persönlichem Einsatz für den Fortgang gesorgt. Das Problem: Die Stromversorgung. „Im Ornat mit Mütze, weißem Hemd und sauberen weißen Handschuhen“ begannen sie die Sitzung, um um Mitternacht auszusehen „wie Kohlearbeiter, weil sie durch das ganze Zelt gekrochen sind und den Strom so geklemmt haben, dass es wieder lief“, erzählt Jürgen Breuer. Das konnte natürlich kein Dauerzustand sein. 2014 wurde mit Hilfe der St. Hubertus Schützenbruderschaft Welldorf und Unterstützung vieler Sponsoren gebaut. Was

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denn so Beys: „Heute ist es ja ein Dorf, kann man sagen.“ Das zeigt sich auch an der Zeltaufstellung: Die Platzierung ist immer auf der „Verbindungslinie“ zwischen Güsten und Welldorf, auf dem Sportplatz am Sandweg.

In diesem Jahr sind alle Verbindungen gekappt, zumindest die offensichtlichen denn: „Nix is 2021“ wie der Orden dokumentiert. So ganz stimmt das nicht, denn wie viele andere Gesellschaften haben die Güstener Karnevalisten in die Ideenkiste gegriffen und coronakonform wird Mitglieder und Senatoren ein KG-Päcken unter anderem mit dem Orden und der „Schnapskännchen Schluckimpfung“ erreichen. Die Schluckimpfung ist ein kleiner Schnaps „als Medizin für die bittere karnevalsfreie Zeit“, die gleichzeitig an die Gründerzeiten der KG anknüpft. Auch wenn sich heute viele nicht mehr daran erinnern: Güsten war in der 1920er Jahren Hochburg der Schwarzbrennerei.

Der Präsentkorb der KG Schnapskännchen. Foto: Claudia Flucht

Als „de Brandewingskännche“ waren die Dörfler bekannt und als man 1936 beschloss, aus dem „Verschönerungsverein“ eine Karnevalsgesellschaft zu machen wurde der „Güstener Brandy“ als lokales Getränk zum Namensgeber der Gesellschaft. Zweite Parallele: „Nix is“ hätte es beinahe auch bei der ersten Sitzung KG 1938 geheißen, wie in der Geschichte nachzulesen ist: „Alles war vorbereitet, Saal geschmückt, Bühne dekoriert und Musik verpflichtet… und dann war die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen, Güsten wurde zum Sperrgebiet, die Veranstaltung behördlich verboten. Wie durch ein Wunder wurde die Sperre freitags vor der Sitzung aufgehoben und über 700 Leute strömten in den Saal Vent.“ Ja, der Saal Vent, das ist auch so eine Geschichte für sich, weiß Thomas Beys aus Erzählungen seiner Eltern. „In diesem Saal wurde gefeiert, dass sich im wahrsten Sinne die Balken bogen.“ Oben tobten die Jecken auf dem Holzdielenboden, der wohl wenig stabil aussah, und im darunter liegenden Geschoss waren die Toiletten untergebracht. „Wenn oben getanzt wurde hatten sie unten Angst, dass das Ding zusammenbricht.“, erzählt der Präsident lachend: „So Stories hört man heute noch.“

Ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte der KG ist auch das Jahr 1974, als mit der Ulk Selgersdorf, den Fidele Brüder Koslar, und Stetternicher Schanzeremmele der „Jülicher Ring“ begründet wurde: „Wir haben immer die Köln-Arena gegen uns, mittlerweile auch Bonn Telekomdome und Düsseldorf Philippshalle und zig Kölner Sitzungen“ und trotzdem gelingt es immer noch auch an einem Sitzungssamstag die Spitzenkräfte des Kölner Karnevals auf die Dörfer zu bringen, sagt Beys mit einigermaßen Stolz in der Stimme.

Durch Höhen und Tiefen sei die KG gegangen. 2002 war man wirtschaftlich so klamm, dass nur durch viel persönlichem Einsatz doch noch ein Zelt aufgebaut werden konnte. Darum gilt es als weitere Sternstunde der KG die Gründung des Männerballetts TNT, das sich aus den Reihen der damaligen Vorstands-Elferatsmitgliederder rekrutierte und zu denen auch der heutige Vorsitzende Jürgen Breuer und Präsident Beys gehörte. Geschäftsführer Uwe Kurczoba kam mit der Idee der Männerballettmeisterschaft, und was anfangs belächelt wurde bringt inzwischen rund 1000 Gäste ins Zelt am Sandweg. „Das Männerballett ist für uns wie für die Bayern der Bau der Allianz-Arena.“ Ein fester Anker für die finanzielle Stabilität des Vereins, wie die Köpfe der KG einhellig bescheinigen.

„Alleine kann man kein Karneval feiern. Das Enge, das Gemütliche, das Beisammensein – schunkeln und so – dat is dat, wat Karneval ausmacht und wir im Augenblick nicht haben“, bedauert der Präsident Thomas Beys, der inzwischen aber das Streaming für sich entdeckt hat. Und so dürfen sich nicht nur die Menschen aus „Jöste, Welldörf, Serrest und die umliejenden Höfe“ auf das „Schnapskännchen-TV“ freuen, in dem es immer dann, wenn eigentlich eine Veranstaltung der KG sein sollte, jecke 11 Minuten Sendung mit dem Präsidenten und Gästen gibt – übrigens auch zum Nachgucken für diejenigen, die es verpasst haben. Erstmals digital verliehen wird an einem der Abende auch der interne „Klopspokal“, der dem Schnapskännchen verliehen wird, der den lustigsten Fehltritt der Session geliefert hat. Einen Kandidaten gibt es offenbar bereits. Man darf gespannt sein.

Hier geht es zum Schnapskännchens TV

und für alle, die nicht genug bekommen können bietet sich die Facebook-Seite mit allen Teasern und Ansagen an – Alaaf


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