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Gut gebrüllt, Löwe

Der Leo Belgicus ist eine bemerkenswerte Neuerwerbung des Museums Zitadelle Jülich

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Die Karte „Leo Belgicus“ zeigt die Niederlande in Form eines Löwens. Jülich ist in der rechten Tatze zu finden. Foto: Bernhard Dautzenberg, Museum Zitadelle Jülich
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Die frühneuzeitliche Geschichte unseres Raumes wurde stark durch die Ereignisse in den benachbarten Niederlanden geprägt. Die Auseinandersetzung zwischen den abtrünnigen sieben nördlichen Provinzen und dem König von Spanien als Landesherrn tangierten über Jahrzehnte das Leben der Menschen zwischen Rhein und Maas. Eine strategisch herausragende Rolle spielte für beide Seiten die Landesfestung Jülich, die im frühen 17. Jahrhundert daher heftig umkämpft war. Die zeitgenössische Beschreibung der Ereignisse bis 1583 in dem Buch „De Leone Belgico“ ist ein wichtiges Objekt für die Präsentation der Hintergrundgeschichte der Festung Jülich, vor allem da die Stadt auf der zugehörigen Löwenkarte prominent berücksichtigt ist. Mit Hilfe der Kultur- und Naturstiftung der Sparkasse Düren, der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland, der Hans-Lamers-Stiftung Jülich und des Fördervereins Museum Jülich e.V. konnte das Museum Zitadelle Jülich nun eine der seltenen Exemplare von Buch und Karte erwerben.

„Die Löwenkarte ist wohl das bekannteste, wichtigste und auch schönste Beispiel für die manieristischen Experimente in der Kartographie des 16. und 17. Jahrhunderts.“ Mit diesen Worten charakterisiert der renommierte Kartographie-Historiker Peter H. Meurer die zu Beginn der 1580er-Jahre von Michael von Aitzing entwickelte kartenmäßige Darstellung der Niederlande in Form eines Löwens („Leo Belgicus“). Der sehr seltene, im vorliegenden Fall altkolorierte Kupferstich bildet die Beilage zu dem 1581 erstmals erschienenen Buch „De Leone Belgico“, in dem Michael von Aitzing in chronologischer Folge die Ereignisse in den Niederlanden beschreibt, die zum Ausbruch des Spanisch-Niederländischen Krieges (Achtzigjähriger Krieg) 1568 führten. Die erste vollständige Ausgabe ist für das Jahr 1583 belegt. Von Aitzing war ein österreichischer Adeliger, der zeitweilig im Dienst des habsburgischen Kaiserhauses stand, dem aber letztlich eine Karriere bei Hofe versagt blieb. In die Wirren des ausbrechenden Achtzigjährigen Krieges geraten, wurde er sogar bis 1573 unter Arrest gestellt. Seit 1581 ist er in Köln zu finden, das sich zu einem Zentrum von Exilanten aus den Niederlanden entwickelt hatte. 1583 begann er mit der Herausgabe von „Relationes“, die von 1588 bis 1593 halbjährlich zu den Frankfurter Oster- und Herbstmessen erschienen. Er arbeitete eng mit Franz Hogenberg als Verleger, Stecher und Drucker zusammen. So ist die Ausgabe des Buches „De Leone Belgico“ mit den passenden Radierungen Hogenbergs illustriert, die dieser auch als Einzelblätter – die sogenannten Geschichtsblätter – herausgab. Lediglich die beschreibenden Verszeilen wurden bei der vorliegenden Wiederverwendung weggelassen. Während Hogenberg, der als calvinistischer Glaubensflüchtling aus Mechelen über Wesel nach Köln gekommen war, sich in den Geschichtsblättern durchaus kritisch gegenüber dem König von Spanien positionierte, indem er die Gräuel der spanischen Soldateska betonte, zeichnet sich der Text von Michael von Aitzing durch einen bemüht sachlichen Tonfall aus. In der Kombination von Bild und Text wurde die Darstellung der aktuellen Ereignisse in den Niederlanden ein großer Verkaufserfolg, der mehrere Auflagen erlebte. Auch die kongeniale Darstellung der Niederlande als Löwe erlebte Nachdrucke, wobei im vorliegenden Fall dem Buch von 1583 die zweite Auflage der Karte von 1586 beigegeben ist.

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„De Leone Begico“ ist ein herausragendes Zeugnis des kulturell offenen Klimas im ausgehenden 16. Jahrhundert in Köln. Durch die Zusammenarbeit von versierten Autoren, Kartographen, Künstlern und Verlegern entstanden neuartige Medien, die Köln zu einem der bedeutendsten Kommunikationszentren in Nordwesteuropa machten. Hier wurden in Text und Bild Darstellungen entwickelt, die eine weitreichende Wirkung entfalteten. Buch („De Leone Belgico“) und Karte („Leo Belgicus“) sind Objekte von zentraler Bedeutung für die Ausstellung „Weltreich und Provinz. Die Spanier am Niederrhein 1560–1660“, die das Museum Zitadelle Jülich bis Ende Oktober 2022 im Pulvermagazin auf der Bastion St. Johannes präsentiert.

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Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

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