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Der in die Wüste geht

Im Juli-Pfarrbrief hatte Propst Josef Wolff angekündigt, dass er ein "Wüstenjahr" einlegt. In einem Monat heißt es nach zehn gemeinsamen Jahren Abschied nehmen von der Pfarrei Heilig Geist, 16 Gemeinden und knapp 20.000 Katholiken, für die er als leitender Pfarrer verantwortlich ist.

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Josef Wolff 2019 im Saleshof Barmen. Foto: Dorothée Schenk
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Josef Wolff lacht gerne, ist Versöhner und Vertrauensstifter, sagt Wahrheiten laut, aber nie verletzend. Ein Seelsorger, der Kommunionkinder als Sozius oder Sozia auf seinem Motorrad um die Kirche zur Spritztour mitnimmt, der sein Auto vermietet, damit die Drogenberatungsstelle Geld zum Überleben erhält, und gerne Rad fährt. In seiner Ostermesse sorgten auch schon mal Playmobil-Männchen für Protest bei älteren Messbesuchern, weil sie als Verkünder der Auferstehungsbotschaft per Videoleinwand auftraten. Als Vereinsmensch gehört er zu den Lazarus-Strohmanus-Ehrenkappenträgern und ist Mitglied der St. Antonii und St. Sebastiani Armbrustschützen. Er gibt an Karneval gerne den (bösen?) Wolf, liebt Irland und Guinness (keine „lady-size“). Einer, den viele vermissen werden. Am 25. September heißt es Abschied nehmen. Um 10.45 Uhr wird der zumindest vorerst letzte Gottesdienst mit Propst Josef Wolff in der Propsteikirche St. Mariä Himmelfahrt gefeiert.

Viel geheimnist worden war nach dem Ausscheiden von Heinrich Bongard aus dem Amt und zweijähriger Vakanz seit 2010, wer denn die Nachfolge antreten würde. 2012 im Sommer munkelte man von eine „Mann im roten Anorak“, den man in den Folgejahren regelmäßig in Jülich sehen sollte. Ganz in den Dienst der Pfarrei Heilig Geist Jülich hat er sich seit Ende 2012 als leitender Pfarrer gestellt, die am 13. Januar 2013 aus der Taufe hob.  „Das heißt, dass auf meinem Schreibtisch alles landet, was nicht geregelt ist – und diese Dinge muss ich regeln.“ Das nennt sich in Kirche „Leitung“. Dabei ist Josef Wolff voll des Lobes für die Menschen im Pastoralteam, in den Gremien, seine kirchengemeindlichen Angestellten. Sein Problem, so sagt er, sei seine mangelnde Fähigkeit zur Abgrenzung. Zehn Jahre, in denen die meisten Diensttage erst um 22 Uhr und die Arbeitswoche nie nach fünf, oft aber auch nicht nach sechs Tagen endeten, zährten an Gesundheit und Seele. „Nach einer mehrwöchigen klinischen Therapie wegen Dauer-Erschöpfung Anfang 2021 wollte ich eigentlich meine Rolle so ändern, dass Leitungsaufgaben besser aufgeteilt sind. Es gelang mir jedoch nicht. So habe ich die Personalabteilung des Bistums um einen Rollenwechsel gebeten“, schrieb er im Juli-Pfarrbrief. Bis Jahresende seien die „Geschäfte“ der Pfarrei geregelt, dann soll mit Hilfe des Bistums ein Leitungsteam als Führungsebene gefunden und installiert werden.

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Ab Oktober geht es für Propst Josef Wolff dann als einfacher Priester „in die Wüste“, sein Synonym für einen im biblischen Sinne Ort der Gottesbegegnung, für die Besinnung auf das Wesentliche. Konkret wird sich Josef Wolff zuerst um seine Gesundheit kümmern. „Die anderen beiden Monate werde ich nutzen, um meinen bürgerlichen Tunnelblick zu verlassen.“ Menschen in Grenz- und Notsituationen möchte er helfen, denen er aber jetzt in seinem Arbeitsleben in Gremiensitzungen, Hausbesuchen und Festen nicht begegnen kann. „Wie das konkret ausgeht, ob ich hospitieren oder ein Praktikum mache in einem sozialen Brennpunkt oder in einer sozialen-caritativen Einrichtung, ist noch offen.“ Im Jahr 2023 wird die Personalabteilung des Bistums Aachen entscheiden, wo er am nötigsten gebraucht wird. „Egal, wo ich nächstes Jahr hinkomme, ich werde mich wohl vorstellen als pastoraler Workaholik auf Entzug“, sagt er grinsend und ergänzt ernst: „Ich muss lernen, mit meinen Grenzen umzugehen, einen freien Abend auszuhalten, lernen, normalen Dienst zu tun.“ Dazwischen will er sich mehr der Familie widmen, Freundschaften pflegen, einen Sprachkurs bei der VHS machen oder Menschen in Sportvereinen kennenlernen. Ein ganz schönes Programm.

Jülich bleibt erst einmal Heimathafen. „In Jülich und den Dörfern habe ich vieles entdeckt, wie mein Dorf Dürwiss damals gewesen ist: Alte Häuser, enge Gässchen, keine Parkplätze,“ sagt er und lacht laut. Die Sprache, „auf Platt kalle zu könne“, der rheinische Humor und die Gelassenheit– „das tut viel am Heimatgefühl“, sagt Josef Wolff. „Jülich ist ein großes Stück Heimat geworden.“ Und das bleibt sie offenbar auch. Jülich freut’s.


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