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Schafe sind wie Yoga

Ein Besuch bei Rainer Hoffmann in Stetternich, der mit seiner Frau Anne van Sloun eine kleine Herde Schafe hält.

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Die Herde vertraut ihrem Schäfer blind. Wenn er sich in Bewegung setzt, folgt sie ihm. Foto: Dorothée Schenk
Die Herde vertraut ihrem Schäfer blind. Wenn er sich in Bewegung setzt, folgt sie ihm. Foto: Dorothée Schenk
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Kurz stutzen die elf. Ein ungläubiger Blick und dann geht es mit Geblöke und Galoppsprüngen auf ihren Hirten zu. Unerwartet war er gekom- men, und die Freude ist sicht- bar groß. Das treibt im wettergegerbten Gesicht die Mundwinkel nach oben. Rainer Hoffmann lächelt und senkt die Hände tief in die Wolle seiner Schützlinge. Blacky, die Herdenchefin mit Überblick, lässt sich von ihm den Kopf kraulen, während Krokofant, das sieben Monate alte Lamm, interessiert zusieht oder vielleicht auch nur abwartet, bis es als nächstes an der Reihe ist. „Bei uns hat jedes Schaf seinen Namen“, erklärt Anne van Sloun, derweil sie hingebungsvoll Bock Erwin den Rü- cken „schubbert“. Die beiden wissen genau, was ihre Tiere gern haben. „Man lernt auch bei Schafen, dass jedes Schaf wie ein Mensch sein eigenes Individuum ist. Jedes Schaf hat seine Eigenheiten“, erklärt Rainer Hoffmann. „Jedes gibt ihnen das auch anders wieder“, vervollständigt er mit hörbar norddeutschem Zungenschlag.

Vor vier Jahren hat das Paar zunächst vier Schafe angeschafft. Der Nutzen stand im Vordergrund: Da war eine Wiese, und die musste „gemäht“ werden. Viele Anfragen hat Hoffmann inzwischen nach den tierischen Rasenmähern. Die Menschen finden Schafe beruhigend und angenehm. „Schafe sind wie Yoga“, sagte Anne van Sloun und lächelt entspannt.

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Wärme,Vertrauen und Tuchfühlung bei der Aufzucht

Inzwischen haben die Schäfer eigene Nachzucht und auch den zweiten Bock, „damit frisches Blut dazukommt“. Von ihren 13 Tieren haben sie jüngst zwei in gute Hände abgegeben. Einen regen Austausch gibt es mit dem ortsansässigen Landwirt Cremer, der ebenfalls Schafe hält. Als auf dem Hof Cremer die Mutter eines Lamms bei der Geburt starb, adoptierten Rainer Hoffmann und Anne van Sloun das tierische Waisenkind. Auf den Namen Lucy getauft erlangte es bald einen stetternichweiten Bekanntheitsgrad. Das mutterlose Lamm durfte nämlich eine Zeitlang mit im Haus Nummer 80 wohnen. Wärme, Vertrauen und Tuchfühlung brauchte die Kleine schließlich ebenso wie die Flasche, für die Ehefrau Anne auch nachts aufsteht, um ihren „Mutterpflichten“ nachzukommen. Ganz selbstverständlich durfte Lucy die Zieheltern beim Brötchenholen begleiten oder spazierte mit zum Friseur.

Kein Einzelfall: Kiru war bei der Geburt 750 Gramm leicht und erhielt besondere Zuwendung. Heute sieht man dem 70-Kilo-Schaf den schwierigen Lebensstart nicht mehr an. Er aber, so Anne van Sloun, ist das beste Beispiel, wie die einzelnen Tiere einer Herde voneinander lernen. Sie ist überzeugt, dass er seinen Artgenossen vermitteln konnte, dass Menschen ganz vertrauenswürdig sind. Seither seien die anfangs scheuen Tier handzahm und zutraulich.
Man muss halt genau hinsehen. Das Auge für das Besondere im Allgemeinen haben. Was macht noch einen guten Hirten aus? „Dass er seine Tiere kennt und dass er sich um sie kümmert. Ihre einzelnen Bedürfnisse versteht und sich dafür einsetzt“, sagt Anne van Sloun spontan. Die Eigenheit von Böcken ist es etwa, mit den Hörnern zuzustoßen. „Aber wenn man mit liebevoller Zuwendung auf sie zugeht, verlernen sie auch das Stoßen.“ Rainer Hoffmann: „Aber das müssen Sie eigentlich mit jedem Schaf… sich beschäftigen. Sobald Sie die Beschäftigung nicht an jedes einzelne Tier weitergeben, werden sie nicht zahm oder zutraulich. Ich bin so erzogen worden, was manchen stört, auf andere zuzugehen. Das gilt für Mensch wie Tier.“

Aber es gibt nicht nur schöne Erlebnisse. Wiederholt sind freilaufende Hunde in die Herde eingebrochen und haben einzelne Schafe verletzt. „Wir haben einen ganzen Nachmittag versucht, die Wolle abzuscheren, um alle Biss- wunden zu finden. Es lag schon zum Sterben da. Es hatte sich schon zurückgezogen. Diese Ohnmacht…“ Das bleiben aber glücklicherweise die Ausnahmen.

Die innige Beziehung zur Natur macht für das Paar die Aufgabe so wertvoll: Geburt, wie die Tiere aufwachsen und die wechselseitige Vertrautheit. Gut sichtbar wird sie, wenn Schäfer Rainer Hoffmann mit seinen Tieren loszieht. Sobald er sich in Bewegung setzt, folgen die meisten Schafe ihm auf dem Fuße. Ein Pfiff, ein Schnalzen und auch zurückgebliebene Schafe folgen „Das Schaf ist eben ein Herdentier. Da geht normalerweise keines verloren.“


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