Start Stadtteile Jülich Das „Ich“ des „Klaviators“

Das „Ich“ des „Klaviators“

Der Mainzer Kabarettist Lars Reichow gehört zu den vielfach ausgezeichneten Kleinkünstlern in Deutschland, der im wahrsten Sinne des Wortes aus Funk und Fernsehen bekannt ist. Jüngst war er im Jülicher Kulturbahnhof zu Gast.

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Lars Reichow. Foto: Guido von Büren
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Lars Reichow Markenzeichen ist das virtuose Klavierspiel, mit dem er seine selbst getexteten und komponierten Lieder begleitet. Reichow stand schon Anfang der 1980er-Jahre mit dem – Jochen Malsheimer würde jetzt sagen – „zu Unrecht verstorbenen“ Hanns Dieter Hüsch auf der Bühne. Und so ein wenig Kleinkunst in der Art von Hüsch bietet auch Reichow in seinen Programmen, wobei er deutlich (tages-)politischer ist als sein Vorbild. Sein aktuelles Programm „Ich!“ zeugt von Selbstbewusstsein, wird aber von ihm selbst vor allem damit erklärt, dass er während der Corona-Pandemie sein eigenes Publikum gewesen sei. So ist denn auch Corona eines der zentralen Themen eines unterhaltsamen, aber immer wieder auch nachdenklich stimmenden abends.

Nach ersten Handlungsanweisungen – bitte nicht zu laut lachen wegen des möglichen Aerosolausstoßes – erobert der Kabarettist sofort die Herzen des Publikums, indem er die Stadt Jülich nicht nur über den Klee lobt, sondern auch in einem Lied seine zahlreichen Frauenbekanntschaften in den Jülicher Ortsteilen thematisiert. Offen bekundet er seine Sympathie für die neue rot-grün-gelbe Bundesregierung, von der er sich zukunftsweisende Reformen – nicht nur im Hinblick auf Energiewende und Klimawandel – erhofft. Seine Rhetorik ist geschliffen und auch wenn er etwas damit kokettiert, dass der Kuba-Saal nicht komplett gefüllt ist, zeigt er sich hoch professionell und hellwach.

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Sehr unterhaltsam sind seine Ausführungen zu seiner Ehe: Seine Ehefrau und er bildeten ein super Team. Er sei dabei eher der Merker und seine Frau die Macherin. Er würde eben merken, dass die Leselampe nicht mehr leuchte und seine Frau sei dann dafür zuständig, das neue Leuchtmittel einzubauen. Problematisch würde diese Teamarbeit jedoch dann, wenn seine Frau einmal nicht zuhause sei. So habe der Nachbar an einem Sonntagmittag Rasen gemäht, was den Gatten nachhaltig gestört und zu einem Anruf bei seiner Frau bewegt habe. Diese habe dann darauf hingewiesen, dass er dann wohl oder übel persönlich zum Nachbarn gehen müsse. Gesagt und nach längerem Zögern getan, entpuppte sich der Nachbar als freundlicher Zeitgenosse und der Tag endete feuchtfröhlich. Der Rasenmäher blieb dabei stumm, ohne dass dies eigens hätte thematisiert werden müssen.

Im zweiten Teil des gut zweistündigen Programms weitete sich der Blick Reichows dann auf das britische Königshaus, den Brexit und die Probleme der USA als Folge von vier Jahren Präsidentschaft Donald Trumps. Mit dem Lied „Amerika“ steuerte der Abend auf seinen musikalisch-akustischen Höhepunkt zu, wobei die Bandbreite der Musikstile, die Reichow in seinen Liedern aufrief, beeindruckte. Ein in rasendem Tempo vorgetragenes Lied zum Thema Apps bildete die Zugabe, die sich das Publikum mit frenetischem Applaus mehr als verdient hatte. Letzterer kam zwar von Herzen, war aber von Reichow erbeten und mit seinem Tablet mitgeschnitten worden, um seine Familie nachhaltig beeindrucken zu können. Ob aber das geplante Abspielen nach der nächtlichen Rückkehr auf ungeteilte Zustimmung bei den Familienmitgliedern des Kabarettisten gestoßen ist, muss hier offenbleiben.

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Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

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