Start Magazin Titelstory 10 Fragen an den HERZOG

10 Fragen an den HERZOG

anlässlich der Bürgermeisterwahl am 13. September 2015

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Wahlkampf | Foto: HZG
Wahlkampf | Foto: HZG
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1. Euer fürstlich Gnaden, es ist mir eine Ehre, dass Ihr Euch auf diesem Wege zu einem Interview bereit erklärt habt. Darf ich mich zunächst nach dem werten Befinden erkundigen?

  Es mag aus Ihrer Sicht höflich und angemessen erscheinen, mit einer solchen, allgemein gehaltenen Frage in unser imaginäres Zwiegespräch einzusteigen, aber was erwarten Sie für eine Antwort bei jemandem, der im nächsten Jahr seinen 500. Geburtstag begehen wird? Nun gut, ich will nicht so kleinlich sein. Mir geht es den Umständen entsprechend leidlich gut, wenn auch die Knochen nicht mehr so wollen, wie ich es gerne hätte.

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2. Wenn man den aktuellen wirtschaftlichen Zustand der Stadt Jülich mit der unter Eurer Regentschaft vergleicht – sehen Sie Parallelen?

  Selbstverständlich nicht! Jülich war zu meiner Zeit eine Stadt mit großen Perspektiven. Nach dem Stadtbrand zu Pfingsten 1547 habe ich alles neu gestalten lassen. Da waren eine Aufbruchsstimmung und ein Pioniergeist, die ich heute schwerlich erkennen kann.

3. Betrachten wir zunächst das Thema Finanzen – die Stadt hat etliche Millionen Euro Schulden, die sie aus eigener Kraft nie wird zurückzahlen können. Was raten Sie als erfahrener Regent, der einst ein ganzes Herzogtum geleitet hat, wie man neue Einnahmen generiert?

  Ich sehe das Problem nicht. Geld hat man bzw. leiht es sich nach den Notwendigkeiten. Nicht ohne Grund nannte man mich „den Reichen“. Es ist doch so, wenn ich von einer Vision erfüllt bin, dann gehe ich alle Risiken ein, um diese in die Tat umzusetzen. Ich für mein Teil war immer kreditwürdig. Ich bin niemandem begegnet, der sich getraut hätte, wenn ich dringend Geld benötigte, mir einen Kredit zu verwehren. Zudem gibt es noch andere Mittel und Wege, an Geld zu kommen. Einer meiner Nachfolger als Herzog von Jülich-Berg, Johann Wilhelm von der Pfalz, hatte auch immer Geldsorgen. Er hat im ausgehenden 17. Jahrhundert kurzerhand ein eigenes Bankhaus gegründet, das ihn zeitweilig finanzierte. Nun, das Ganze ist nicht eben gut ausgegangen, das muss ich zugeben, aber eine Zeitlang hat es geklappt – und das allein zählt!

4. Man hat den Eindruck, dass es in der Stadt Jülich einen gewissen Stillstand gibt. Ein Beispiel ist der Handel in der Innenstadt. Viele Geschäfte stehen leer und viele Händler beklagen die mangelnde Attraktivität in der Innenstadt. Euer fürstlich Ganden wird gesehen haben, dass auch der bauliche Zustand des Pflasters zu wünschen übrig lässt. Was wären Ihre Entscheidungen, damit sich das ändert?

  Mir ist schon aufgefallen, dass in der Innenstadt zwar auch nach 22.00 Uhr Menschen unterwegs sind, was es zu meiner Zeit nicht gegeben hätte, dass aber die Zahl derjenigen, die tagsüber die Stadt bevölkern stagniert, ja gar rückläufig ist. Früher knubbelten sich die Ochsenkarren zwischen Kölntor und Rurtor, davon ist wenig übrig geblieben. Heute machen die Fuhren, Wagen und Karren einen großen Bogen um die Stadt. Warum nur, frage ich mich. Vielleicht liegt es daran, dass in keinem Haus mehr Bier gebraut wird. Ich war entsetzt, als ich dies feststellen musste. Das sah während meiner Regentschaft noch ganz anders aus. Mal ehrlich, für aus dem Sauerland importierten Gerstensaft, würde ich hier auch nicht extra halt machen, den bekomme ich doch überall.

5. Beispiel Brückenkopfpark – die alten Festungsanlagen sind ja nicht unter Ihrer Regentschaft entstanden, sondern zur Zeit der Franzosen. Dennoch sind sie das architektonische Kernstück dieser Freizeiteinrichtung für Familien, die vielfach aus dem Gebiet Ihres früheren Herrschaftsraumes kommen. Wie lässt sich der Park attraktiver für das Volk machen?

  Diese Frage verstehe ich nicht! Und zwar aus einem einfachen Grund: Mir scheinen die Leute heute viel zu viel Freizeit zu haben. Diese soll dann auch noch mit Angeboten gefüllt werden, die die Stadt oder der Staat ermöglichen. Ja wo sind wir denn hier? Meine Untertanen durften noch von morgens früh bis abends spät schuften. Für die Gestaltung der wenigen freien Zeit an Sonn- und Festtagen war die Kirche verantwortlich. Da wurde auch etwas für alle Sinne geboten. Gleichwohl gefällt mir am Brückenkopf-Park der Stadtgarten mit seinen geometrischen Formen. Das erinnert mich an meinen Renaissancegarten vor dem Ostflügel des Jülicher Schlosses. Vielleicht schicke ich meinen Gärtner vorbei, um den Stadtgarten zu verschönern…

6. Ein großes Thema: Neue Baugebiete. Die Stadt muss wachsen, damit sie neue Steuern einnimmt. Aber auch vier Jahre nach Abriss der alten Fachhochschule ist es nicht gelungen, das brachliegende Gelände neu zu erschließen und zu nutzen – obwohl es hunderte bauwillige Interessenten gibt. Was würden Eure fürstlich Ganden tun, um das zu ändern?

  Als der Ausbau der Jülicher Innenstadt in den 1560er Jahren ins Stocken geriet, habe ich einzelne Grundstücke verschenkt, mit der Auflage dort innerhalb kürzester Zeit zu bauen. Ich denke, das würde heute noch funktionieren. Zudem bieten sich Zwangsumsiedlungen an, wie ich es mit den Einwohnern des Stadtdorfes Petternich gemacht habe, die dem Bau der Zitadelle im Weg standen. Ich habe mir sagen lassen, dass durch die großen Löcher, die man um Jülich aushebt, zahlreiche Menschen ihre Häuser und Wohnungen verloren haben. Die hätten sich doch alle in Jülich ansiedeln können!

7. Die Stadt Jülich hat in den letzten Jahren nicht unerhebliche Mittel in den Bau bzw. die Renovierung von Schulen gesteckt. Wie stehen Euer fürstlich Gnaden dazu?

  Ich begrüße das ausdrücklich. Auch ich habe mich sehr für die Bildung meiner Untertanen eingesetzt und u.a. ein Gymnasium in Jülich gegründet. Eine gute Ausbildung der Untertanen ist die Grundlage für einen wohlgeordneten Staat. Optimale Bedingungen für das Lernen zu schaffen, ist unbedingt richtig, aber auf die vermittelten Inhalte kommt es an, weniger auf die Art und Weise der Ausstattung.

8. Kultur war zu Ihrer Zeit etwas für die privilegierten Gesellschaftsschichten. Heute steht Kultur – Konzerte, Theater, Literatur – auch dem gemeinen Volk offen. Aber es wird seit vielen Jahren auf diesem Gebiet gespart. Bedauern Euer fürstlich Gnaden diese Entwicklung?

  Tanz, Musik, Feste, Kunst – das sind selbstverständliche Bestandteile der Präsentation von Herrschaft, Macht und Einfluss. Insoweit habe ich auf diese Dinge nie verzichtet. Wie Sie schon richtig sagen, war meine Hofkultur aber nur für den Hofstaat und meine Gäste bestimmt. Ich wusste von meinem Vater und meinem Großvater mütterlicherseits, der aber vor meiner Geburt verstorben ist, dass man im 15. Jahrhundert beispielsweise noch gemeinsam mit den Kölner Bürgern feierte und Turniere veranstaltete. Ich habe aber mit der Muttermilch aufgesogen, dass dies nicht standesgemäß ist. Die Zeiten haben sich jedoch geändert, aber ich selbst bin ja ein freier Mann und muss, gottlob, dem Trend nicht folgen!

9. Thema Kinder und Familien – die Einwohnerzahl in Jülich steigt, weil viele Familien neu in die Stadt ziehen. Andererseits werden Einrichtungen verkleinert oder ganz geschlossen – zum Beispiel Lehrschwimmbecken, in denen die Schulkinder und auch Vereinsmitglieder Schwimmen lernen. Ist das Sparen am falschen Ende?

  Die Diskussion um Lehrschwimmbecken habe ich verfolgt, aber zugegebener Maßen nicht verstanden: Wofür soll Schwimmen gut sein? Wenn Gott gewollt hätte, dass wir Fische sind, hätte er uns mit den entsprechenden Merkmalen ausgestattet.

10. Wenn Eure fürstlich Gnaden auf die heutige Zeit blickt – würden Sie noch einmal die Stadt Jülich regieren? Wenn ja, wo sehen Sie den Reiz und wenn nein, warum nicht?

  Mein Beruf ist es, Macht auszuüben. Die diesbezüglichen Möglichkeiten eines Bürgermeisters scheinen beschränkt zu sein, dennoch interessiert mich das Amt durchaus. Die Abhängigkeiten, in die ich mich dann begeben würde, reizen mich jedoch nicht. Deshalb lasse ich anderen hier gerne den Vortritt, die aber mein Lebensmotto beherzig sollten, dass sie die Stadt oder den Staat mit ihrem Einsatz zieren sollen – nicht umgekehrt!

* Das Interview führte Helga Hermanns, wobei die Fragen dem Herzog schriftlich gestellt wurden. Ein entsprechender Zettel wurde von der Redaktion in der Schlosskapelle hinterlegt und war am nächsten Tag handschriftlich ausgefüllt. Wir danken dem Jülicher Stadtarchivar Dr. Horst Dinstühler für die Transkription der Antworten. Die Redaktion hat die altertümliche Sprache des Herzogs zum besseren Verständnis in modernes Deutsch übertragen.


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