Start featured Hell, bunt, fröhlich und lecker

Hell, bunt, fröhlich und lecker

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Reformhaus Jülich / Foto: HERZOG
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Das Jülicher Reformhaus

Reform – das meint eine planmäßige Neuordnung, Umgestaltung und Verbesserung des Bestehenden. Das zumindest erklärt der Duden. Und nicht weniger als neuordnen, umgestalten und verbessern wollten die Anhänger der sogenannten Lebensreformbewegung Ende des 19. Jahrhunderts. Ein Kind der Lebensreform erblickte 1887 das Licht der Welt: das Reformhaus. Anno 1887 hob der Berliner Textilkaufmann Carl Braun das erste Reformhaus aus der Taufe, damals noch unter dem klangvollen Namen „Gesundheits-Zentrale“. Heute sind Reformhäuser aus den Innenstädten kaum wegzudenken, auch in Jülich gibt es eines. Und das bereits seit rund 40 Jahren, das genaue Alter bleibt im Dunkeln – wie bei einer Dame nun mal so üblich.

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Lebensreform klingt irgendwie sperrig und verstaubt, ein wenig altertümlich schon fast. Bei einem stolzen Alter von 130 Jahren aber auch irgendwie wenig verwunderlich. Aber wie sieht es denn heutzutage hinter der Reformhaus-Fassade eigentlich aus?

Erster Eindruck: Es ist hell, freundlich und ziemlich bunt. Und fröhlich. Gut gelaunte Damen sind es, die den Geschäftsalltag im Jülicher Reformhaus prägen. Zu fünft beraten sie ihre Kunden, informieren über Lebensmittel, Allergien und die passende Kosmetik. Auch frisches Obst Gemüse und Käse aus der Frischetheke bieten Monika Wanitzeck, Beate Junk, Karin Gerards, Rosemarie Heyartz und Gaby Coslar ihren Kunden. Wichtig ist ihnen allen dabei, neben der sichtbaren Freude am Beruf, vor allem eines: Fachwissen. „Wir bieten unseren Kunden hier die geballte Kompetenz“, sagt Beate Junk und muss lachen. Erklärt aber auch gleich, was sie meint: Die fünf Frauen bringen Expertenwissen als Gesundheitsberaterin, Naturkosmetikerin oder ausgebildete Drogistin mit. So kann, wer mag, sich mit einer der Fachfrauen in eine eigene Kosmetikkabine zurückziehen und sich in aller Ruhe zu möglichen Hautproblemen oder auch Allergien beraten lassen. Das Sortiment ist breit und Naturkosmetik spielt schon seit den ersten zaghaften Reformhaus-Anfängen eine wichtige Rolle. Waren es damals eher schlichte pflanzliche Körperöle so findet sich heute eine große Palette verschiedenster Naturkosmetika.

Über viele Jahre hatte das Jülicher Reformhaus, übrigens Teil von insgesamt sechs Reformhäuser unter dem Namen Heift, seinen Sitz in der Kleinen Rurstraße. 2013 zog der Laden um in die benachbarte Marktstraße. Dort fand sich, so Beate Junk, ein ausreichend großes Ladenlokal. Denn genau betrachtet sind es zwei einzelne Geschäfte unter einem Dach: Reformhaus und Bioladen „Calendula“ haben sich zusammen getan. Eine fruchtbare und überaus passende Verbindung, haben beide doch reichlich Gemeinsamkeiten: Frisch, gesund und ohne gentechnische Veränderungen und darüber hinaus noch möglichst regional sollen Obst und Gemüse sein. Käse, Brot, fertiges Müsli und loses Getreide – alle diese Dinge gab es auch im „Calendula“-Bioladen. Doch wo ist denn nun der Unterschied zum Reformhaus? „Im Reformhaus gibt es grundsätzlich ganz viele Nahrungsergänzungsmittel“, erklärt Beate Junk. Nahrungsergänzungsmittel klingt nun nicht gerade nach Bio sondern eher, zumindest für den unbedarften Laien, eher noch Pillen aus der Chemiefabrik. Aber weit gefehlt: Getreu der philosophisch-spirituellen Ausrichtung der Lebensreformer des 19. Jahrhunderts geht es auch in diesem Fall darum, mit möglichst naturbelassenen Stoffen dem Körper Gutes zu tun. Synthetisch hergestellte Vitamine sind es also nicht, die dort in Reih und Glied auf den Regalen stehen. Stattdessen sollen Pülverchen aus Acerola-Früchten oder Hagebutten schlappen Jülichern wieder auf die Füße helfen. Auch eine schier unüberschaubare Palette verschiedenster Kräutertees und diverser, nicht verschreibungspflichtiger Naturheilmittel steht den gesundheitsbewussten Reformkäufern zur Auswahl.

Vegetarier waren übrigens sogar schon unter den ersten Lebensreform-Anhängern vertreten – ihnen dürfte angesichts des heutigen Angebots das Herz aufgehen. Brachten sie damals solch verwegene Ideen wie pflanzliche Margarine als Butterersatz auf den Teller, so waren Tofu-Würstchen wohl noch utopisch. Heute hingegen gehören die Sojaprodukte selbst im Supermarkt schon zum guten Ton. Versteht sich, dass Vegetarier und Veganer auch im Reformhaus fündig werden. Wie steht es denn bei Sojaschnitzel und Räuchertofu mit der Regionalität? Erfunden haben die eiweißreiche Speise schließlich die Asiaten. Doch tatsächlich gibt es auch in diesem Fall den Genuss quasi von nebenan. Reformhaus-Tofu stammt aus der Eifel, selbst die Sojabohnen dafür sind europäischer Herkunft. Und das Fanta 4-Mitglied Thomas D mit seinem Konterfei die bunten Verpackungen ziert, tut dem Verkaufserfolg vermutlich auch keinen Abbruch.

Fazit des Einkaufsbummels durch das Jülicher Reformhaus: „Öko“ einkaufen, beraten werden und hinterher genießen, ist ganz sicher nicht verstaubt und altmodisch, sondern modern, fröhlich, bunt, riecht gut und is(st) echt lecker. Lebensfreude statt Lebensreform also gewissermaßen.

 


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