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„Lazarus“ verjüngt

Es gab Zeiten, in denen ging ein Zug von schwarzgekleideten Männern am Veilchendienstag durch Jülich. Der Lazarus Strohmanus, wie man ihn nicht kennt. Erst der Unmut der Obrigkeit führte bei der historischen Gesellschaft zu der Kluft, wie sie bis heute üblich ist: Weiße Hose, Gamaschen, schwarze Stiefel, blaues Hemd, Tuch und Kappe. „Das ist zumindest eine Sprechweise“, sagt David Ningelgen schmunzelnd. Seit 29 x 11 Jahren gehört die Historische Gesellschaft Lazarus Strohmanus zu Jülich wie die Rur und der Hexenturm.

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Das Singen des
Das Singen des "Hexenturmlieds" gehört zu den unverrückbaren Traditionen bei der Historischen Gesellschaft Lazarus Strohmanus. Foto: Dorothée Schenk
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Am letzten erhaltenen Stadttor beginnt stets der inzwischen rund 18 Kilometer lange Zug durch die „Gemeinde“: Nach dem Wurf aus dem Fenster wird die Strohpuppe kundig mit einem Tuch aufgefangen und von den Besenträgern tanzend mit stets aktuellen Spottgesängen gefeiert. Jedes Jahr steht ein neuer „Pattühm“, der Pate, dem „Lazarus“ zur Seite. In diesem Jahr war es Historiker Guido von Büren, der auch die Festrede zum Jubiläum halten wird. Wer 2019 den Hexenturm- Orden als äußeres Zeichen tragen wird, steht auch schon fest, wird aber natürlich nicht verraten.

„Worauf es ankommt, ist in Stein gemeißelt“, sagt David Ningelgen, der quasi mit der Muttermilch die Tradition eingesogen hat. Schließlich ist er der Vierte aus der Familie der Ningelgen, der die Lazarusbrüder als Präsident führt. Der studierte 40-jährige Bauingenieur hat das Amt in diesem Jahr von Vater „Hein“ übernommen, der 22 Jahre an der Spitze stand – der wiederum Nachfolger seines Vaters Willi war, der 25 Jahre Amtsinhaber war.

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Seit zehn Jahren ist eine deutliche Verjüngung der historischen Gesellschaft zu spüren. 2009 wurde die Prinzengarde der CCKG, der damals jüngsten Karnevalgesellschaft Jülichs, zur Taufe eingeladen. Im Laufe des Abends fingen die Café-Cholera-Gardisten an, auf Deckeln ihren Eintritt in die Gesellschaft zu unterschreiben. „Es war ein cleverer Schachzug meines Vaters“, sagt der frischgebackene Präsident, denn dieser ließ es nicht dabei bewenden, sondern erwiderte den Besuch auf der Trunksitzung. Damit begann der „Lazarus“, auch für Jüngere wieder attraktiv zu werden. Derzeit zählt die Gesellschaft 64 aktive Mitglieder und zwölf lebende Ordensträger; dazu kommen die Ehrenkappenträger.

Rund 36 Aktive geben am Karnevalsdienstag ein imposantes Bild ab, wenn sie durch die Straßen ziehen. Zuweilen waren es nur halb so viele „Brüder“, und solche in der Altersklasse des Präsidentensohns gab es schon gar nicht. Das hat sich deutlich geändert: Gleichaltrige gibt es heute viele – aber keine, die 25 Jahre dabei sind wie David Ningelgen. Deutlich verjüngt hat sich auch der Vorstand – das war einer der Wünsche des neuen Präsidenten: Sein Schulfreund und Studienkamerad Jörg Schlader, dessen Trauzeuge David Ningelgen war und Pate des Zweitgeborenen, steht ihm als Vize zur Seite. Michael Böge ist 2. Kassierer, Cornel Cremer und Ede Schlüter ergänzen als Beisitzer das Team. Die Pflichten sind auf mehrere Schultern verteilt worden. Außerdem ist das Amt eines Literaten geschaffen worden. Peter Sussmann besetzt den Posten und erntet schon viel Lob für die Vorbereitungen der Jubiläumsveranstaltung in diesem Monat. Per Whattsapp-Gruppe kommunizieren die Lazarus-Brüder mittlerweile auch. „Wie es bei elterlichen Betrieben ist, ist es auch im Verein beim Generationswechsel“, sagt Jörg Schlader „… nicht ganz einfach eben für beide Parteien.“ Das brauche Geduld, aber, so David Ningelgen, „vielleicht auch nicht schlecht, dass es ein bisschen dauert.“ Für Überlegungen zu zukunftsweisenden Änderungen wäre im Jubiläumsjahr ohnehin noch keine Zeit gewesen. Nur eine Wiederbelebung hat der junge Präsident schon fest vor: Die Neumitglieder hatten einen „Lazarus- Flip“ zu trinken, dem Cocktail Margarita nicht unähnlich. Den soll es demnächst wieder geben. Ansonsten heißt die Devise, die Jörg Schlader formuliert: „Wie können wir es uns einfacher machen und Kosten sparen?“

Was ist die größte Herausforderung im jungen Präsidentenamt? „Die Verantwortung liegt bei mir, dass die Gesellschaft nicht in meiner Amtszeit auf den absteigenden Ast kommt. Die Mitglieder, die da sind, sollen zufrieden sein – und es soll für Neue attraktiv sein.“ Zuversichtlich sieht David Ningelgen, dass Brauchtum scheinbar wieder an Attraktivität gewonnen hätte. „Die Menschen sind traditionsbewusster unterwegs – es geht nicht nur darum, ein Dirndl zum Oktoberfest anzuziehen, sondern auch die Brauchtumstänze sind wieder interessant geworden.“ Ganz realistisch sieht David Ningelgen: „Wir müssen das Rad ja nicht neu erfinden, weil wir eine historische Gesellschaft sind.“ Und hier reiht sich der Präsident eben ein – auch optisch. Er trägt die gleiche Kleidung wie alle Lazarusbrüder. „Der einheitliche Look prägt die Gemeinschaft.“ Das war nicht immer so. In den 1960er / 70er Jahren hätten die Leute angefangen, ihre Kittel zu schmücken und immer breitere Goldbestickungen anzubringen. „Das hat der Opa Ningelgen beendet: Wir sehen alle gleich aus! Nur noch die Litzen an der Kappe machen den Unterschied.“ Und davon trägt der Präsident zwei goldene, sein Vize eine goldene, eine silberne Litze. Eine goldene erhalten Lazarus-Brüder für 25 Jahre Mitgliedschaft und Ehrenkappenträger, drei goldene Litzen hat nur der Senatspräsident. Linus Wiederholt heißt er seit zwölf Jahren.

Tiefer einsteigen möchte David Ningelgen noch in die Geschichte des Lazarus. Seinen Urlaub in Portugal hat er genutzt, um sich auf seine Moderation bei der Jubiläumsveranstaltung vorzubereiten. Die wird sicher noch nicht in Jülicher Platt gehalten. Das ist ein Punkt, in dem er weiß, dass er mit seinem Amtsvorgänger verglichen wird. Zwar würde er mit seinem Bruder Daniel platt sprechen, aber grundsätzlich ist Hochdeutsch seine Muttersprache. Die neue Generation der Jülicher spräche weitgehend kein Jülicher Platt mehr. „Et is nit so, als wenn mir dat nit könnte“, uzt Jörg Schlader, „aber wir sind mit hochdeutschem Fernsehen und Radio aufgewachsen, hören, sprechen, schreiben wir immer hochdeutsch. Unsere Muttersprache ist ein Mix.“ Nichts sei schlimmer, als wenn man es erzwinge und man sich verstellen würde. „Es bedarf Zeit und es bedarf eines Einstudierens – natürlich rüber kommt es nur, wenn es Routine ist“, ergänzt David Ningelgen. Da er über ausreichend Bühnenerfahrung verfügt, ist er sicher, dass er auch diese Aufgabe meistern wird: „Ich werd mal sehen, was ich da machen kann.“


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