
Die direkte Abscheidung von CO2 aus der Umgebungsluft – Direct Air Capture – gilt als wichtige Zukunftstechnologie für den Klimaschutz. Doch eine neue Studie zeigt: Standortwahl und Wetterbedingungen entscheiden maßgeblich über Effizienz und Kosten. Forschende aus Jülich haben erstmals für ganz Deutschland berechnet, wo sich die Anlagen lohnen – und wo nicht.
Jede Bürgerin und jeder Bürger in Deutschland verursacht aktuell im Durchschnitt rund zehn Tonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht in etwa dem CO2-Ausstoß von vier Transatlantikflügen von Frankfurt nach New York und zurück oder der Menge die 500 Bäume während eines Jahres Wachstum aufnehmen können. Angesichts der ehrgeizigen Klimaziele, die bis 2045 Treibhausgasneutralität vorsehen, wird deshalb verstärkt auf neue Technologien gesetzt, die CO2 aktiv aus der Atmosphäre entfernen. Eine dieser Technologien ist Direct Air Capture (DAC).
Das Forschungszentrum Jülich erforscht die Zukunftstechnologie DAC vom Material über Komponenten und Anlagen bis hin zur Einbettung in Energiesysteme und Klimaschutzstrategien. Jülicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben nun erstmals umfassend untersucht, wie stark Wetter und Standort über die Wirtschaftlichkeit und den Energieverbrauch solcher DAC-Anlagen entscheiden. Das Ergebnis: Die Bedingungen vor Ort beeinflussen Effizienz und Kosten zum Teil erheblich – weshalb ein flächendeckender, pauschaler Ausbau von DAC wirtschaftlich kaum sinnvoll ist.
DAC-Anlagen saugen große Mengen Umgebungsluft an, filtern CO2 heraus und speichern es langfristig, zum Beispiel in unterirdischen Lagerstätten. „Zwei Technologien gelten als besonders aussichtsreich“, erklärt Erstautor Henrik Wenzel von der Jülicher Systemanalyse: „Zum einen das Feststoff-basierte Adsorptionsverfahren (LT-DAC), das für die Regeneration der Filtermaterialien vergleichsweise niedrige Temperaturen von etwa 110 Grad Celsius benötigt, zum anderen das Flüssiglösungs-Absorptions-Verfahren (HT-DAC), das höhere Temperaturen von etwa 900 Grad Celsius erfordert. Beide Methoden sind jedoch energieintensiv, weshalb ihre Integration in ein erneuerbares Energiesystem sorgfältig geplant werden muss.“
In ihrer Studie haben die Forschenden für alle 11.000 deutschen Gemeinden berechnet, wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und das Potenzial für Wind- und Solarenergie die Leistung und die Kosten von DAC-Anlagen beeinflussen. Dazu nutzten sie ein hochaufgelöstes Modell, das stündlich das Zusammenspiel von Wetter, erneuerbarer Energieversorgung und Anlagenbetrieb abbildet. Der Fokus lag dabei auf sogenannten Inselanlagen, die vollständig unabhängig vom Stromnetz mit lokal erzeugtem Wind- oder Solarstrom arbeiten.
Die Auswertungen zeigen deutliche Unterschiede: So schwankt der Energiebedarf von DAC-Anlagen in Deutschland im Jahresverlauf teils um mehr als 100 Prozent – vor allem durch Temperaturschwankungen und unterschiedliche Luftfeuchtigkeit. „Selbst im Laufe eines einzelnen Tages kann der Energiebedarf von DAC-Anlagen um bis zu 80 Prozent variieren“, so Wenzel. „Besonders hohe Luftfeuchtigkeit treibt den Energieverbrauch von LT-DAC Anlagen deutlich in die Höhe, wohingegen HT-DAC Anlagen davon profitieren.“ Auch das Potenzial für Wind- und Solarenergie spielt eine entscheidende Rolle, da diese die Anlagen kostengünstig versorgen können.
Am wirtschaftlichsten sind Standorte im Norden Deutschlands, wo viel Windenergie verfügbar ist. „Geringe Kosten können allerdings auch in anderen Regionen Deutschlands mit guten Solar- und Windenergiestandorten erreicht werden, da eine Kombination dieser Energiequellen den schwankenden Energiebedarf der DAC-Anlagen effizient decken kann“, erklärt Wenzel.
Abhängig vom Standort und der Technologie können die CO2-Entnahmekosten im Jahr 2045 variieren – zwischen knapp 200 und über 1.000 Euro pro Tonne. „Welches der beiden untersuchten DAC-Verfahren jeweils kostengünstiger ist, hängt dabei von den betrachteten Regionen und ihrer Standort- und Wetterbedingungen ab“, erläutert Co-Autor Thomas Schöb. „Beide Verfahren sollten dementsprechend weiterentwickelt werden, um mit ausreichender Kapazität zur Verfügung zu stehen.“
Die Forschenden betonen, dass DAC zwar ein wertvolles Instrument für den Klimaschutz sein kann – aber nur dann, wenn der Einsatz gezielt dort erfolgt, wo Wetterbedingungen und Energieversorgung ideal zusammenspielen. „Unsere Studie zeigt, dass der Standort entscheidend ist, wenn wir CO2 effizient aus der Luft entfernen wollen“, erklärt Schöb. „Für einen kosteneffizienten und sinnvollen Einsatz ist es unerlässlich, regionale Wetterbedingungen und Energiepotenziale detailliert zu analysieren.“
Auch wenn Technologien wie DAC allein nicht ausreichen werden, um den deutschen CO₂-Fußabdruck von derzeit rund zehn Tonnen pro Kopf zu neutralisieren, können sie – gezielt eingesetzt – helfen, unvermeidbare Restemissionen auszugleichen. Doch die Studie macht auch deutlich: Solche Lösungen sind kein Freifahrtschein. Sie erfordern viel Energie, sind teuer und müssen genau geplant werden. Maßnahmen zur Emissionsvermeidung bleiben deshalb der wichtigste Hebel für wirksamen Klimaschutz.