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„Wie im Wilden Westen“

Eine leichte Entspannung, aber längst noch keine Entwarnung: Die gemeinsame Herbst-Konjunkturumfrage der Vereinigten Industrieverbände für Düren, Jülich, Euskirchen und Umgebung (VIV) und der IHK Aachen gibt immer noch Grund zur Sorge, auch wenn sich gerade im Bereich der Papierindustrie zunächst eine deutliche Verbesserung der Situation der Unternehmen bemerkbar gemacht hat.  Allerdings machen hohe Energie- und Rohstoffkosten sowie Lieferengpässe der Papierindustrie im Besonderen, aber auch allen anderen Industriezweigen gerade sehr zu schaffen.

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Foto: pixabay
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Nahezu 90 Prozent aller befragten Unternehmen beklagen große Schwierigkeiten beziehungsweise deutliche Preisanstiege bei Rohstoffen, Vorprodukten oder Waren. Die Unternehmer befürchten, dass diese Entwicklung den wirtschaftlichen Erholungsprozess nach der Krise deutlich erschwert. Der Mangel betrifft nahezu alle Rohstoffe wie Metalle, Holz, Papier und Kunststoffe, aber auch die Lieferkapazitäten. Und die Energiepreise haben ebenfalls spürbar angezogen.

Zwei Drittel der Unternehmen sehen denn auch in den steigenden Energie- und Rohstoffpreisen das größte Risiko für die Konjunktur. „Die Industrie erlebt zurzeit etwas, was die meisten von uns nicht kennen: den Schwenk von reinen Käufermärkten über Nacht hin zu brutalen Verkäufermärkten“, sagt Hans-Helmuth Schmidt, Unternehmer und Vorsitzender der Vereinigten Industrieverbände. Zugesicherte Lieferungen verzögerten sich und würden zusätzlich noch massiv verteuert – teilweise sogar mehr als verdoppelt. Schmidt: „Und wer die Rohstoffe dann auch noch schnellstens benötigt, zahlt obendrauf dann noch Zuschläge, die sich gewaschen haben – man fühlt sich wie im Wilden Westen.“

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Betrachtet man die Gesamtzahlen der aktuellen Herbst-Konjunkturumfrage, die die VIV in Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer bei ihren  rund 150 Mitgliedsunternehmen mit mehr als 24.000 Mitarbeitern durchgeführt hat, scheint sich die Lage in der Industrie der Region zumindest auf den ersten Blick ein wenig entspannt zu haben: 50 Prozent, also genau die Hälfte aller Betriebe, die an der Befragung teilgenommen haben, sprechen von einem „guten Herbst 2021“, 40 Prozent immerhin noch von einem „befriedigenden Herbst 2021“. Zum Vergleich: Vor einem Jahr sprach nur etwas mehr als ein Drittel aller Unternehmen von einem guten Geschäftsjahr.

Die Firmenchefs sind für die kommenden Monaten überwiegend optimistisch und rechnen mit einem anhaltenden Aufschwung: Jedes zweite Unternehmen berichtet von einer steigenden Nachfrage. Auch der Export brummt: Mehr als ein Drittel der Unternehmer meldet eine Zunahme der Bestellungen aus dem Ausland. Die gute Lage lässt sich auch an der Investitionsbereitschaft ablesen. 38 Prozent der Betriebe wollen mehr Geld für Maschinen, IT-Systeme oder neue Gebäude in die Hand nehmen.

Eine Verbesserung der Situation ist wie schon erwähnt bei der Papier verarbeitenden und Papier erzeugenden Industrie zu beobachten. Beide Industriezweige waren von der Corona-Krise besonders stark betroffen. Im Oktober 2020 sprachen 71,4 Prozent der Unternehmen hier davon, dass sich die Geschäftslage verschlechtert habe, mehr als 85 Prozent berichteten von niedrigeren Erträgen, weil die Gewinnmargen zurückgegangen sind. Mittlerweile sehen die etwas positiver aus: 80 Prozent der Betriebe der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Industrie sprechen von einem „guten oder befriedigenden Herbst“, 80 Prozent der Papier erzeugenden Industrie sogar nur von einem „guten Herbst“.

Von Entwarnung oder gar einer Entspannung allgemein und insbesondere im Bereich der Papierindustrie zu sprechen, wäre allerdings viel zu früh. Zu groß sind derzeit immer noch die Unwägbarkeiten und Unsicherheiten für die Unternehmer.

Ein riesiges Problem ist in dem Zusammenhang der Fachkräftemangel. Die wirtschaftliche Aufholjagd spiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt wider. Jeder dritte Betrieb will seinen Personalbestand aufstocken, nur jedes neunte Unternehmen plant einen Stellenabbau. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen gaben an, offene Stellen längerfristig nicht besetzen zu können. Hans-Helmuth Schmidt: „Es wird ganz massiv an Erwerbstätigen mangeln. Die Zahlen gehen jährlich um ein Prozent zurück. Immerhin 400.000 Menschen verlassen pro Jahr den Arbeitsmarkt.“ Knapp 50 Prozent der Unternehmen gaben an, die Arbeitgeberattraktivität steigern zu wollen. Dazu gehört unter anderem die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – vor allem mit Blick auf junge, bestens ausgebildete Frauen.


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