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„Kultur ist nicht politisch“

Spaltung – ein Wort, das in den letzten Jahren immer häufiger gefallen ist. Häufig steckt dahinter der verzweifelte Versuch, sich die Welt möglichst einfach und auf dem kürzesten Weg zu erklären. Auch der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine lädt zum Schwarz-Weiß-Denken ein und befeuert die Stigmatisierung. Gerade für Menschen, die aus dieser Region stammen, nicht immer einfach. Denn die Situation ist komplizierter, als dass einfaches Schubladendenken noch möglich wäre.

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Wurzeln die Freundschaften schaffen: Elena Wyrwich aus der Ukraine und Raissa Kutscher aus Russland halten in politisch hochschwierigen Zweiten an ihrer freundschaftlichen Verbindung fest. Foto: Mira Otto
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Ganz ehrlich: Wer „Deutsch-Russischer Verein ‚Wurzeln‘“ liest, der zieht ohne Vorkenntnis im Denken direkt die Grenzen um Russland. Dabei ist das Logo des Vereins schon ein Leuchtschild für diesen Fehler. Denn in herzförmigen Blättern sind verschiedene Länderflaggen im Raum der ehemaligen Sowjetunion abgebildet. Darunter auch die Flaggen der Ukraine und Russlands, die von einem gemeinsamen Stamm und Wurzeln zusammengehalten werden.

Gegründet wurde der Verein 2010 von der jetzigen Vorsitzenden Elena Wyrwich. Als am 24. Februar die ersten Bomben in der Ukraine einschlugen, zählte der Verein zu den ersten, die Spenden für die Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung zusammenpackten. Emotional erzählte die Vorsitzende, dass ihr damals von einem Mann vorgeworfen wurde, dass der deutsch-russische Verein heimlich für die russische Armee sammele. Auch Mails mit einem ähnlichen Wortlaut habe sie bekommen. Wyrwich selbst stammt allerdings aus der Ukraine. Für das Interview sitzt sie mit ihrer Freundin Raissa Kutscher am Tisch, die Russin ist. In dem Verein finden sich außerdem Mitglieder aus Weißrussland, Georgien, Armenien, Abchasien, Kasachstan, den baltischen Staaten, Deutschland und Belgien. Die 46 Familien sind verbunden durch Kultur und Sprache. In der Ukraine beispielsweise wird vor allem im Osten und Süden des Landes viel russisch gesprochen.

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„Wir wachsen hier weiter, aber wir möchten unsere Wurzeln nicht verlieren. Diese Wurzeln sind aber nicht in Russland, sondern in der Sowjetunion. Viele Deutsche verstehen das leider momentan noch nicht“, sagte Wyrwich.

Der „Deutsch-Russische Verein ‚Wurzeln‘“ bietet Sprachkurse für Russisch an. Hauptsächlich für Kinder. Wichtig ist in dem spielerischen Unterricht die Liebe zur Sprache und das Interesse zum Land, aus dem die Eltern und Großeltern kommen. Hierzu wird auch gemeinsam gebastelt und Feste gefeiert, um Traditionen der nächsten Generation zugänglich zu machen. So wird der Verein auch am 18. Dezember im Haus Overbach das Jolka-Fest, das Neujahrsfest, begehen. Karten gibt es unter der Handynummer 0179 350 7578. Beginn ist jeweils um 11 und 14 Uhr. Der Eintritt für Kinder beträgt, inklusive eines Geschenks, 20 Euro. Erwachsene zahlen 15 Euro.

„Im Verein sind Leute, die aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion kommen. Wenn wir Feste organisierten, dann gab es auch immer abchasische, georgische oder armenische Gerichte. Und das verbindende im Verein ist immer die Sprache“, sagte Kutscher. „Wir fühlen uns dann wie eine Familie.“

Daran hat auch der Krieg nichts geändert. „Es ist eine Tragödie für uns. Wir weinen mit dem ukrainischen Volk und beten für sie“, sagte die Russin. „Wir hoffen, dass die Diplomatie es schafft, den Krieg zu stoppen.“ Die Vereinsmitglieder schaffen den gemeinsamen Zusammenhalt aus der Kultur. „Wir sind ein Kulturverein. Wir sind keine Politiker. Es ist eine furchtbare Zeit. Für alle. Sie kommt aus der Ukraine, ich komme aus Russland. Viele aus meiner Familie stammen ebenfalls aus der Ukraine. Es ist so verwoben, wir haben Freunde und Familie die betroffen sind und es trifft uns richtig ins Herz, bis ins Mark“, Kutscher weiter.

Im Verein habe man die stille Vereinbarung getroffen, politische Diskussionen zu unterlassen. Und das schon seit der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014. Denn alles andere, da sind sich die Frauen einig, würde den Verein kaputt machen. „Wir haben so viele Themen, ich möchte über Sprache, Kultur und unsere Kinder sprechen. Wir haben so viel zu tun“, sagt Wyrwich. „Für Politik gibt es andere Räume. Da können wir dann auch gerne zusammenkommen und darüber sprechen.“

Eines noch: Der Verein bietet aufgrund der aktuellen Situation Deutschkurse für Erwachsene an, die flüchten mussten. Bei Interesse ist man eingeladen, Kontakt zu dem „Deutsch-Russischen Verein ‚Wurzeln‘“ aufzunehmen.


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