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Pläne für die CO2-Neutralität

In Glasgow beginnt am 31. Oktober die 26. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen, kurz COP26. Im Mittelpunkt des diesjährigen Klima-Gipfels stehen die verschärften nationalen Wege zur Reduktion von Kohlendioxid (CO2), um die 1,5 Grad-Obergrenze und die anderen im Pariser Abkommen verankerten Klimaziele zu erreichen. Grundlage der Beratungen ist der jüngste Sachstandsbericht des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC). Die Jülicher Klimaforscherin Prof. Astrid Kiendler-Scharr ist Leitautorin des darin enthaltenen Kapitels zu den kurzlebigen klimawirksamen Stoffen. Im Interview äußert sich die Wissenschaftlerin, Leiterin des Jülicher Instituts für Troposphärenforschung und Vorsitzende des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK), zu den Folgen der Erderwärmung, möglichen Maßnahmen zur Reduktion von Klimaschadstoffen und zu ihren Erwartungen an die COP26.

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Prof. Astrid Kiendler-Scharr. Foto: Forschungszentrum Jülich / Ralf-Uwe Limbach
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Die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen – darum geht es in den Verhandlungen. Was bedeuten ein paar zehntel Grad Erwärmung mehr oder weniger?

Astrid Kiendler-Scharr: Mit jedem zehntel Grad steigt die Anzahl und Intensität von Extremereignissen, wie zum Beispiel Hitzewellen, Dürren und Starkregen mit verheerenden Überschwemmungen. So wie wir sie zum Beispiel in diesem Sommer in NRW und Rheinland-Pfalz erlebt haben.

 

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Kann dieses globale 1,5 Grad-Ziel überhaupt noch gehalten werden?
Ja, aber uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Die Menschheit emittiert derzeit etwa 40 Gigatonnen CO2 pro Jahr. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, dürfen es insgesamt aber nur noch 400 bis 500 Gigatonnen sein. Nur eine konsequente CO2-Neutralität wird das Klima auf lange Sicht stabilisieren.

 

Wo sehen Sie weitere Stellschrauben, um die Erwärmung zu bremsen?
Wir müssen außerdem die kurzlebigen klimawirksamen Stoffe reduzieren. Zu ihnen zählen Methan, Ozon, Kohlenwasserstoffe, Aerosole, halogenierte Verbindungen und Ruß. Methan ist nach CO2 das zweitwichtigste Treibhausgas und bleibt rund zwölf Jahre in der Atmosphäre. In der Summe tragen diese Stoffe in gleicher Größenordnung zur Erderwärmung bei wie CO2. Wenn wir nur die kühlenden Partikel, die die kurzwellige Sonnenstrahlung direkt ins All zurückwerfen, aus dem System nehmen, kommt es zu einer leichten Erwärmung des Klimas. Szenarien, in denen alle kurzlebigen klimawirksamen Stoffe reduziert werden, zeigen, dass so bis zum Ende des Jahrhunderts eine Erwärmung von 0,8 Grad vermeidbar ist.

 

Welche weiteren Folgen hätte die Reduktion kurzlebiger Klimaschadstoffe?
Die Reduktion wirkt sich auch positiv auf die Gesundheit aus. Viele kurzlebige klimawirksame Stoffe verursachen unter anderem Herz-Kreislaufkrankheiten, Asthma oder Lungenkrebs und werden in Zusammenhang mit Schlaganfällen und Demenzerkrankungen gebracht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass durch Luftverschmutzung pro Jahr sieben Millionen Menschen vorzeitig sterben. Zudem schädigt beispielsweise Ozon Pflanzen auf vielfältige Weise und verursacht jährliche Ernteverluste in Höhe von 50 Millionen Tonnen.

 

Was müsste getan werden, um kurzlebige klimawirksame Stoffe zu reduzieren?
Maßnahmen zum Einsparen von kurzlebigen klimawirksamen Stoffen sind bereits heute verfügbar. Zum Teil lassen sich dadurch sogar Kosten sparen. Technische Lösungen sind zum Beispiel Partikelfilter , ein Anschluss an Fernwärme und die Reparatur von Gaslecks. Jeder einzelne kann durch das Sparen von Strom, einen reduzierten Fleisch- und Milchkonsum, die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln und den Umstieg aufs Rad dazu beitragen. Würden die Maßnahmen flächendeckend eingesetzt, wäre das Einsparpotenzial im Vergleich zu Werten von 2010 für Methan 40 Prozent, für Ruß 70 Prozent bis 2030 und 99,5 Prozent für halogenierte Kohlenwasserstoffe bis 2050. Das würde deutlich dazu beitragen, das Limit von 1,5 Grad Celsius Erwärmung nicht oder nur zwischenzeitlich zu überschreiten.

 

Hätten die Maßnahmen denn eine direkte Wirkung?
Selbst wenn alle Auflagen sofort umgesetzt werden, würde es zunächst bis 2040 geringfügig wärmer, bevor ein nachhaltig kühlender Effekt einsetzt. Das hat mit den unterschiedlichen Lebenszyklen und Reaktionsprozessen der Stoffe zu tun. Es dauert ein paar Jahre, bis sich schrittweise alle Einsparungen auswirken, aber die Modellrechnungen zeigen, es ist möglich. Jetzt ist es an der Politik, aus den Erkenntnissen Schlüsse zu ziehen und zu handeln.

 

Die Politik ist also am Zug: Was sollte Ihrer Meinung nach am Ende der COP 26 stehen?
Wir brauchen verlässliche und konkrete Pläne, wie eine CO2-neutrale Zukunft erreicht wird. Denn wie heißt es so schön: ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch. Eine Festlegung auf Zwischenziele und die Verpflichtung der Staatengemeinschaft auch kurzlebige klimawirksame Stoffe, beispielsweise das Methan, zu reduzieren sind jetzt notwendig, um das Pariser Klimaschutzabkommen in die Umsetzung zu bringen.


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