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Hingucker bei den 63. Nordischen Filmtagen Lübeck 2021

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Foto: Verlagsangebot Egmont | Verleih
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Bei der Gründung des Festivals hing der eiserne Vorhang vor den Baltischen Staaten, die ja eindeutig auch zum Norden zählen, noch zu hoch, um die hüben wie drüben ersehnte Teilnahme an den Nordischen Filmtagen in Lübeck zu ermöglichen. Das Programm konzentrierte sich auf Skandinavien, für mich als Schweden-Sympathisant und Film-Fan Grund genug, immer wieder hinzufahren. Früher war ein Film aus Schweden sofort als solcher zu erkennen: Wälder, Seen, rote Holzhäuser mit weiß gestrichenen Eckplanken und der blaue Himmel mit den Fotografier-Wolken waren untrügliche Kennzeichen. Die Protagonisten sprachen Schwedisch und sahen auch so aus. Ähnliches gilt für Dänemark, Norwegen und Finnland. Mit der Globalisierung hat sich da einiges geändert. Zuweilen fällt die Zuordnung ohne Hintergrundwissen schwer. Es ist wie beim Fußball. Ein finnischer Nationalspieler kann aus jedem beliebigen Erdteil stammen.

So wäre ich bei dem Film „The Gravedigger‘s Wife“ (Die Frau des Totengräbers) nicht ohne weiteres auf die Idee gekommen, dass er etwas mit Skandinavien, in diesem Fall mit Finnland zu tun hat. Der Regisseur Khadar Ayderus Ahmed wurde 1981 in Somalias Hauptstadt Mogadischu geboren, also vier Jahre nach der Entführung der „Landshut“. Die Welt ist klein, der Chef meiner Mutter war lange der Nachbar des ermordeten Piloten. Im Alter von 16 Jahren kam Khadar gemeinsam mit seiner Familie als Flüchtling nach Finnland. Anlässlich einer Familientrauerfeier im Sommer 2011 kam er auf die Idee für den Film „The Gravedigger’s Wife“. Sein Bruder fragte: „Wie schnell müssen in Somalia Verstorbene bestattet werden?“ Die Antwort lautet: „Innerhalb von ein paar Stunden. Deshalb gibt es dort immer eine Gruppe von Totengräbern vor dem Krankenhaus, die nur darauf warten, dass jemand stirbt“, so der Regisseur. So makaber das klingen mag, es erinnert mich an den Totengräber bei Lucky Luke, stets das Maßband zur Hand, um die Sarggröße auszumessen. Klar, dass in einem so heißen Land die Beweggründe andere sind. Profitgier versus unabdingbar erforderliche Hygiene. Über seine Arbeit sagt Khadar, er schreibe immer über Charaktere, die er kennt und an denen er dicht dran ist. Zudem sei es ihm wichtig, dass er bei seinen Filmen immer Personen seiner Hautfarbe in den Hauptrollen hat. Die Premiere seines Langfilmdebüts erfolgte im Juli 2021 bei den Filmfestspielen in Cannes. Mit diesem Film hat sich Somalia erstmals für den Auslands-Oscar beworben.

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Die Handlung des Spielfilms: Guled und Nasra leben mit ihrem Sohn Mahad am Stadtrand von Dschibuti. Guled arbeitet als Totengräber, um über die Runden zu kommen. Doch es ist nicht leicht, mit dem wenigen Geld die kleine Familie über Wasser zu halten. Nun braucht Nasra auch noch dringend eine teure Operation zur Behandlung einer chronischen Nierenerkrankung.

Der Film erzählt in warmen Farben eine chronologisch nach vorn gerichtete, Herz erwärmende Geschichte inmitten der sandigen Landschaft Somalias, die auf den Glauben an die Humanität im Menschen als einen wesentlichen Wesenszug hoffen lässt.

Für das Casting war der Regisseur auf den Straßen von Dschibuti ihm unbekannten Menschen hinterhergelaufen, um sie ohne jede Kameraerfahrung für seinen Film zu besetzen. Der finnische Hauptdarsteller Omar Ahmed Abdi und die kanadische Hauptdarstellerin Yasmin Warsame, die Guled und Nasra spielen, sind beide in Somalia geboren. Der Film entstand an 21 Drehtagen in Dschibuti.

Foto: Nordische Filmtage Lübeck
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Peer Kling
Peer Kling, typisches "KFA-Kind", nicht aus der Retorte, aber in der zweiten Volksschulklasse nach Jülich zugezogen, weil der Vater die Stelle als der erste Öffentlichkeitsarbeiter "auf dem Atom" bekam. Peer interessiert sich für fast alles, insbesondere für Kunst, Kino, Katzen, Küche, Komik, Chemie, Chor und Theater. Jährlich eine kleine Urlaubsreise mit M & M, mit Motorrad und Martin.

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