Start Stadtteile Barmen Abitur 2020: Verschiebung, Motivation und Mottowoche

Abitur 2020: Verschiebung, Motivation und Mottowoche

Für alle Schülerinnen und Schüler ist es eine Ausnahmesituation. Besonders hart trifft es die Abiturienten, die sich im Normalfall mit Spannung aber Aufbruchstimmung auf die Zeit des Schulendes vorbereiten. Seit Freitag ist klar: Die Abiturprüfungen werden in den Mai verschoben. Mira Otto und Dorothée Schenk haben sich umgehört, wie die aktuelle Gemütslage bei den Abiturienten ist und wie die Vorbereitungen in den Gymnasien laufen.

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Leere Klassenzimmer sind derzeit Normalität in den Schulen. Foto Wokandapix
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Die Abiturprüfungen finden statt. Das teilte der Landtag NRW mit. Allerdings drei Wochen später, als ursprünglich geplant. Statt am Dienstag, 21. April, werden die Abiturprüfungen am Dienstag, 12. Mai, beginnen.

Große Zustimmung herrscht in der Jülicher Abiturientia für die Verschiebung des Termins. Der Grund ist einfach: Nicht nur die zusätzliche Zeit fürs Lernen wird begrüßt, es geht vor allem darum, einen Lebensabschnitt so abzuschließen, wie man ihn sich auch wünscht: Mit Freude, mit Feiern und vor allem gemeinsam. „Die Gesundheit steht natürlich an erster Stelle“, sagt Franziska Richter vom Gymnasium Haus Overbach (GHO), aber „unsere Stufe ist sehr enttäuscht, dass die Mottowoche beispielsweise wegfällt. Darauf hatte man sich schon gefreut und hingearbeitet.“ Durch die Verschiebung der Prüfung geben alle noch nicht ganz die Hoffnung auf, dass der gemeinsame Abschied von der Schulzeit noch möglich wird. Trotzdem stehen die Planungen erstmal still, auch wenn die Kleidung für die Abschlussbälle bereits im Schrank parat hängen.

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Maren Fisch, stellvertretende Stufensprecherin am Mädchengymnasium (MGJ) und im Organisationsteam für die Abschlussfeier, ist skeptisch: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass so schnell wieder so große Veranstaltungen zugelassen werden. Ich halte immer noch daran fest, dass wir eine Abschlussfeier stattfinden lassen können, oder zumindest den offiziellen Teil, der bei uns in der Schule stattfinden würde. Wenn der inoffizielle Teil wegfallen würde wäre es superschade, weil wir viel Mühe und Arbeit reingesteckt haben und tolle Sachen auf die Beine gestellt haben, das muss man unserer Stufe schon echt lassen, aber der offizielle Teil würde mir schon reichen.“

Maren Fisch. Foto: privat

Vor dem Fest steht natürlich das Lernen. Hier gibt es großes Lob für die Schulen und die Lehrer. Am Gymnasium Zitadelle findet der Austausch weitgehend über Mail statt, schildert Lorenz Wenzl. Das Office-Paket 365 wird – wie übrigens auch am MGJ – von der Schule gestellt und die Aufgaben kommen per Mail. „Wir sind in manchen Fächern (wegen der Schulschließungen) nicht mit dem Stoff durchgekommen. Damit wir das nachholen können, gibt es Arbeitsblätter und verschiedene Aufgaben.“ In Whattsapp-Gruppen werden Lösungsansätze ausgetauscht – und natürlich auch der Frust abgebaut, wie der 18-Jährige hörbar grinsend bestätigt. Das trifft wohl allgemein zu.

Die Oberfläche Moodle ist am Gymnasium Haus Overbach das Mittel der Wahl beim Wissenstranfer. „Jeder Kurs hat seine eigene Plattform“, erläutert Franziska Richter. Die Lehrer laden Aufgaben und Wiederholungen hoch, es können Fragerunden eröffnet werden, von den Lehrern Aufgaben gestellt und von den Schülern hochgeladen werden, die bewertet werden müssen. „Nicht alle Lehrer sind technikaffin – aber alle geben sich Mühe.“ Besonderes Lob bekommt GHO Stufenkoordinator Simon Meyers, der ein Live-Video eingestellt hätte, in dem er Fragen zur Abiturprüfung geklärt hätte. Gelassen sieht die Situation Maren Fisch: „Es wurde angefragt, ob Videocalls gemacht werden sollen. Aber größtenteils läuft es über Mail – das funktioniert sehr gut. Es ist auch nur noch die Wiederholungsphase, die ansteht.“

Lorenz Wenzl. Foto: privat

Maren Fisch geht nach eigener Aussage ziemlich diszipliniert ans Lernen, weiß aber „Die Situation selbst ist schon ungewöhnlich genug. Viele wissen auch gar nicht wie man damit umgehen soll. Die Diskussion in Schleswig-Holstein (ein Abitur ohne Abschlussprüfungen wurde hier diskutiert) hat einigen die Hoffnung gegeben, dass sie nichts machen müssten. Aber es gibt genügend, die realistisch genug waren.“ Lorenz Wenzl hat durch feste Lernzeiten einen Rhythmus für sich festgelegt auch wenn er einräumt „Das klappt natürlich nicht jeden Tag“. Franziska Richter steht vor einer besonderen Herausforderung. Sie hat fünf Geschwister und ihre Mutter ist alleinerziehend. „Das ist schwierig zu stämmen, da sollte man als Familie auch zusammenhalten und unterstützen.“ So hat sie die Aufgabe übernommen die jüngeren Geschwister bei den Hausaufgaben zu unterstützen, eine andere Schwester hat das Kochen übernommen. Zusätzlich arbeitet sie in der Landwirtschaft, denn ihr Ziel ist es, Landwirtin zu werden. Die Ausbildungsstelle ab 1. August hat sie schon in der Tasche. Der Nebenjob als Bürokraft in einer Fahrschule ist nach Schließung der Fahrschulen auch weggefallen. Das bedeutet auch finanzielle Einbußen. „Da steht für mich das Lernen gerade nicht immer an erster Stelle. Ich versuche mich schon jeden Tag hinzusetzen, aber das macht es schon schwieriger.“

Die Motivation zum Lernen aufrecht zu erhalten ist in der Isolation gar nicht so einfach hochzuhalten und ist auch nicht für jeden gleich einfach. Franziska Richter sieht die Situation nüchtern: „Man hat gerade auch anderes im Kopf. Man steht in den Startlöchern weiß aber nicht genau, wie es weitergeht.“ Maren Fisch glaubt, „die Konzentration in der vergangenen Wochen war eher weniger hoch – ab jetzt geht es für die meisten richtig los mit dem Lernen“.  Auch wenn Lorenz Wenzl die aktuelle Lage natürlich als schwierig einstuft, blickt er vorsichtig optimistisch in die Zukunft: „Im Moment ist man so eingeschränkt, dass man die Zeit danach mehr wertschätzen wird – und sich schon jetzt darauf freut.“ Und das obwohl die geplante Reise nach gelungenem Abitur mit den Freunden Ende Juni derzeit noch sehr fraglich ist. Noch hält der Reiseveranstalter die Buchung aufrecht mit dem Angebot der kostenlosen Stornierung.

Wie die Prüfungssituation genau aussehen wird, wie viele Schüler in einem Raum sitzen werden, wie weit sie dabei auseinander sitzen müssen und welche anderen Vorsichtsmaßnahmen umgesetzt werden müssen – das werden die Schulen erst am Montag erfahren, bestätigten dem HERZOG das Gymnasium Zitadelle, das Gymnasium Haus Overbach sowie das Mädchengymnasium. 273 Abiturienten zählen die drei Schulen.

„Wir sitzen unter einer Vakuumglocke und wollen endlich loslegen“,

sagte Thorsten Vogelsang, seines Zeichens der Schulleiter des Gymnasiums Haus Overbach. Normalerweise habe man für die Planung der Prüfungen mehrere Wochen Zeit. Nun müsse diese binnen weniger Tage gemacht werden. Informiert werden die Schüler und Eltern je nach Schule über E-Mails an Eltern und Schüler und über die schuleigenen Webseiten.

Durch die Schutzmaßnahmen, die das grassierende Coronavirus eindämmen sollen, sind einige Wochen Unterricht ausgefallen. Die Schulen sehen den Ausfall der letzten Schulwochen nicht als zusätzliche Hürde, die Abiturprüfungen zu bestehen. Die meisten Kurse seien zum Zeitpunkt der Schließung bereits mit dem Schulstoff durch und dementsprechend in der Wiederholungsphase gewesen. „Da der persönliche Unterricht nicht möglich ist, macht man online weiter“, merkte Daniel Dahr, Beratungslehrer der Oberstufe am Gymnasium Zitadelle an. War man mit dem Schulstoff nicht durch, „folgte nach der Schließung eine engmaschige Betreuung im Hintergrund“, sagte Christiane Clemens, die Schulleiterin des Mädchengymnasiums. Auch der Schulleiter des Gymnasiums Haus Overbach zieht hier am selben Strang. Er sagte: „Ich habe beispielsweise einen Mathe Leistungskurs. Wir waren bereits in der Wiederholungsphase und nach der Schließung konnte ich meine Leute gut mit Aufgaben versorgen.“

Ziel ist es laut Landesregierung, alle Prüfungen bis zu den Sommerferien abzuhalten. Korrekturintensive Fächer sollen zuerst geschrieben werden. So soll der Zeitraum, den man insgesamt zur Korrektur für alle Fächer braucht, verkürzt werden. Die Verschiebung betrifft auch andere Prüfungen niedriger Sekundarstufen sowie Prüfungen an Berufskollegs.


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