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„Sowas würde ich ja nie malen“

Launisch improvisierte Blickpunktführung mit Herb Schiffer in der Landschaftsgalerie im Kulturhaus im Hexenturm.

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Eine Ausstellung, die vom Dialog lebt. Foto: Stephan Johnen
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Tierisch was los ist auf den Bildern des in Jülich geborenen Kunstprofessors Johann Wilhelm Schirmer (1807-1863), seiner Schüler und Nachfolger, die noch bis zum 17. Dezember in der Landschaftsgalerie im Museum Kulturhaus ausgestellt werden. Schoßhunde, Wildtiere und Tiere als Symbol der Zivilisationskritik und Träger einer Sehnsucht nach dem vermeintlich unverdorbenen Naturzustand – wer sich die Zeit nimmt, die ausgewählten 100 Exponate aus dem Bestand von 650 Gemälden genau unter die Lupe zu nehmen, kann einiges entdecken und tiefe Einblicke in den Zeitraum 1830 bis 1900 erlangen. Dass die Auseinandersetzung mit „alten Schinken“ bei der jüngsten Blickpunktführung lehrreich und zugleich unterhaltsam war, lag an den beiden Hauptakteuren Museumsleiter Marcell Perse und seinem Gast Herb Schiffer, die sich im launische improvisierten Dialog den Tieren in der Landschaftsmalerei annahmen.

Foto: Stephan Johnen
„Sowas würde ich ja nie malen. Das sind auch nicht so meine Lieblingsbilder“, eröffnete der Jülicher Künstler Herb Schiffer augenzwinkernd die Blickpunktführung. Schon nach wenigen Minuten war klar: Auf die zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer wartete ein kurzweiliger Abend, zwei wortgewandte Gesprächspartner und die ein oder andere launische Improvisation des Gastes. Mit fortdauernder Führung und nach mancher Erklärung des Museumsleiters zeigte sich auch: Auch wenn die Stilrichtung eine ganz andere ist, gibt es durchaus Verbindendes zwischen den in die Ausstellung eingestreuten (aber handverlesenen) Bildern Herb Schiffers und den tierischen Landschaftsmalereien des 19. Jahrhunderts: Es geht nicht zuletzt um das Transportieren von Stimmungen, Andeutungen, die Nutzung von Tieren als Symbole für Erhofftes, Verlorenes oder Unausgesprochenes beziehungsweise Unaussprechbares.

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Manchmal kommt es auf die Perspektive an. Foto: Stephan Johnen
Was auf den ersten Blick recht unspektakulär erscheint, hat aus der richtigen Perspektive betrachtet eine weitere, zum Teil sogar recht brisante Dimension. „Von der Malerei des Unsichtbaren“, sprach Museumsdirektor Marcell Perse. Gemalt wird, was eigentlich gar nicht geht: Ruhe beispielsweise, Geräuschlosigkeit. Dennoch gleichen manche der ausgestellten Bilder beinahe einem Wimmelbild, auf dem es Tausende Sachen zu entdecken gibt. Und wer dann noch weiß, dass manche Tiere für Konzepte, Sehnsüchte und Verlangen stehen, wird beispielsweise einen Reiher mit anderen Augen betrachten. Als Symboltier für Ruhe war er das Abbild für die Sehnsucht einer Zeit, die gar keine Ruhe mehr hatte.

Industrialisierung, synchronisierte Zeiten, zunehmende Taktung – „Das 19. Jahrhundert der Vorreiter im Schnellerwerden“, blickte Marcell Perse zurück, der auch angesichts heutiger Tendenzen zur Verklärung der „guten alten Zeiten“ klarstellte: „Die gute alte Zeit hat es nie gegeben. Es wird nie so gut, wie es früher niemals war. Jede Zeit hat ihre Chancen, ihre guten und ihre schlechten Seiten.“ Oder mit anderen Worten: Die Welt ist komplex, war es immer, und wird es auch bleiben. Die dialogische Auseinandersetzung der Blickpunktführungen ist da eine gute Gelegenheit, die Welt und das, was sie im Innersten zusammenhält, auch neu zu entdecken.

Bilder: Musemsleiter Marcell Perse (links) und Künstler Herb Schiffer näherten sich dialogisch den Exponaten der Ausstellung „Tierisch was los“ an.


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