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Mücke statt Elefant?

Die Fördersumme, die für den Brainergy Park Jülich im Raum steht, beläuft sich auf 90 Millionen Euro. Mit ihnen soll das Herzstück des Strukturwandels im Rheinischen Revier nicht nur Forschungen für die Zukunft vorantreiben, sondern vor allem auch perspektivisch Arbeitsplätze für die „Kumpel“ der auslaufenden Braunkohletagebaue bieten. Derzeit erfährt das Projekt unerwünschte Aufmerksamkeit. Dabei geht es um Geld, Fehlentscheidungen des Aufsichtsrates und den Erhalt der seit 2014 leerstehenden Gebäude der Deutschen Welle. Zeit, Geschäftsführer Frank Drewes und Aufsichtsratsvorsitzendem Axel Fuchs ein paar Fragen zu stellen.

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Aufsichtsratsvorsitzender der Brainergy Park GmbH, Axel Fuchs (l), und Geschäftsführer Frank Drewes (r). Foto: Dorothée Schenk
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Es gibt die Aussage: Herr Prof. Roeb hat der Brainergy Park GmbH ein Kaufangebot für das sogenannte „Glashaus“ gemacht. Trifft das zu?

Axel Fuchs: Ein Angebot liegt uns nicht vor.
Frank Drewes: Nach mehreren Telefongesprächen mit mir und Martin Jungmanns hat Herr Prof. Roeb im Januar per Mail eine Interessensbekundung geschickt. Im dreiseitigen Schreiben hieß es, dass er „großes Vergnügen daran hätte“, 500.000 Euro zu investieren. Er sprach von Sanierung des Gebäudes durch eine Fußbodenheizung und Malerarbeiten. Damit wollte er Neubaustandard erreichen und Büroräume zu 7 Euro Kaltmiete anbieten. Prof. Roeb spricht ganz klar nur von der Immobilie, die er kaufen möchte, nicht aber von den 29.000 Quadratmetern Boden, die Bestandteil der Immobilie sind und mit einem aktuellen Kurs von 69 Euro berechnet werden. Die Mail ist übrigens nicht an die Brainergy Park GmbH, sondern an die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) gegangen. Sie schließt mit den Worten, dass er hofft, dass dieses Schreiben Grundlage ist, um in weitere Gespräche einzutreten. Das ist für mich kein Kaufangebot. Ein Angebot setzt bestimmte Formalien voraus, und es hätte noch eine Vielzahl Fragen geklärt werden müssen.

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Sind das die einzigen Gründe, das Angebot nicht in Erwägung zu ziehen?

Frank Drewes: Die Entwicklungsgesellschaft Campus Merscher Höhe – CMH – als Vorgängergesellschaft der Brainergy Park GmbH hat das Areal Deutsche Welle von dem Schrotthändler Herbert Bollmann 2014 gekauft, weil der Aufsichtsrat, aber auch der Stadtrat entschieden haben, dass es die Entwicklung eines Gewerbegebietes Merscher Höhe hemmt, wenn genau in der Mitte der Fläche ein privater Eigentümer sitzt, der bei jedem Entwicklungsschritt und jeder Entscheidung mitzunehmen ist. Darum ist es folgerichtig, dass wir nicht acht Jahre später das Gelände an einen Interessenten veräußern und wir uns dem Szenario, das wir 2014 vermeiden wollten, 2022 stellen müssten. Insofern hat es nicht nur eine reine betriebswirtschaftliche Komponente. Die Brainergy GmbH ist nicht gewinnorientiert, sondern agiert im Sinne der kommunalen Daseinsfürsorge. Das heißt: Selbst wenn das Angebot die Kaufbekundung von Prof. Roeb für uns betriebswirtschaftlich interessant gewesen wäre, hätte man konkret abwägen müssen, ob es überhaupt strategisch im Sinne der Gesellschaft ist. Da gibt es ein klares Nein.

Es ist die Rede davon, dass der Brainergy Park GmbH dadurch ein Schaden von 1,5 Millionen Euro entstanden sei.

Axel Fuchs: Der Aufsichtsrat – der übrigens besetzt ist mit absoluten Profis aus den Kommunen und den jeweiligen Fraktionen, die teilweise schon bei der Vorgängergesellschaft CMH dabei waren – hat sich ganz bewusst anhand des Zahlenmaterials dafür entschieden, die Gebäude abzureißen, und zwar auch im Sinne des Klimaschutzes und der Wasserstoffstrategie, die im Brainergy Park gefahren wird. Wir sind sehr bewusst und mit sehr großer Expertise an das Thema herangegangen. Wir reden nicht von einem Millionenverlust, sondern einem Millionengewinn. Das gilt vor allem, wenn wir auf die nachfolgenden Generationen schauen – Stichwort Klimawandel und die Hochwasserkatastrophe im Juli. In Jülich wird künftig der grüne Wasserstoff für den gesamten Kreis Düren produziert und möglicherweise für einen Bedarf darüber hinaus – dann ist es ein Millionengewinn und kein Verlust.

Wie können sensible Daten aus dem Aufsichtsrat in die Öffentlichkeit gelangen? Stichwort Besoldung der Geschäftsführung.

Axel Fuchs: Es gibt viele Neider. Die Frage ist doch nicht, wie viel Menschen verdienen, die sich 16 oder 17 Stunden täglich einsetzen. Sie verdienen, was üblicherweise bezahlt wird. Bei der Aufarbeitung dieser Mücke, die hier faktisch zum Elefanten gemacht wurde, wurden die völlig falschen Fragen gestellt. Die erste Frage muss doch sein: Wem nutzt eine so negative Berichterstattung über den Brainergy Park? Und: Wer möchte hier verdienen, verdient aber nichts? Wenn man der Frage nachgehen würde, dann hätte man tatsächlich einen Elefanten an der Leine.

Das Areal der ehemaligen Sendeanlagen Deutsche Welle. Foto: Dorothée Schenk

Wird es rechtliche Konsequenzen geben wegen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitsklausel im Aufsichtsrat?

Axel Fuchs: Der Aufsichtsrat hat auf die Veröffentlichung in der Presse und die Gründe des Ausscheidens des Aufsichtsratsmitglieds Lothar Manke reagiert. Eine juristische Vorprüfung hat stattgefunden, und man ist für weitere rechtliche Schritt gewappnet.

Sie sprachen von einer „Mücke“. Diese surrt ziemlich laut und wird sicher auch in Bund und Land gehört.

Frank Drewes: Ich glaube, in der Region löst es große Verwunderung aus, warum ein Projekt, das im Strukturwandel schon so weit fortgeschritten ist, teilweise in Medien so angegangen wird, obwohl objektiv Erfolge sichtbar sind. Natürlich kommen wir derzeit in Gesprächen mit Unternehmen immer wieder in die Situation, erklären zu müssen, welchen Hintergrund diese Presseberichterstattung hat. Das gelingt uns bisher sehr gut. Es war existentiell wichtig, dass der Aufsichtsrat sich einstimmig für uns, mich und Bernhard Hoffschmidt als Geschäftsführer ausgesprochen hat. Letztlich stehen wir auch als Personen mit unserem Namen für die Vision, die wir hier am Brainergy Park realisieren wollen. Das müssen wir glaubhaft nach außen vertreten können. Insofern war das Signal des Aufsichtsrates wichtig. Es wird bei den Fördermittelgebern in Land und Bund registriert und auch kritisch hinterfragt. Es hat aber keine expliziten Nachfragen aus Düsseldorf oder Berlin gegeben, weil die Entscheider auf beiden Ebenen uns inzwischen sehr gut kennen und wissen, was wir tun.

Letzter Punkt: Es gibt ein Interesse der Initiativgruppe Rundfunksendestelle, das „Glashaus“ der Deutschen Welle als Museum zu erhalten. Warum ist dieses Anliegen der Gruppe der „Funker“ nicht gehört worden?

Axel Fuchs: Die Frage rund um eine museale Aufarbeitung existiert schon länger. Die damalige Entwicklungsgesellschaft Campus Merscher Höhe hatte der Gruppe zugesichert, dass der letzte Sendemast für sie immer zugänglich sein wird. Diese Zusage hat der Gruppe nicht gereicht. Sie haben gedroht, den letzten Sendemast unter Denkmalschutz stellen zu lassen, und diese Drohung wurde sehr ernst genommen. Immer dann, wenn der Denkmalschutz eine Rolle spielt, ist man in seinem Handlungsspielraum eingeschränkt. Der Denkmalschutz beinhaltet ja gleichzeitig auch die permanente Ertüchtigung des Objekts. Daraufhin wurde in der CMH einstimmig entschieden, dass der letzte Sendemast sofort niedergelegt wird. Wäre die Drohung nicht formuliert worden, stände der Sendemast noch. Ich kann mich deswegen so gut daran erinnern, weil die Entscheidung, den Sendemast zu sprengen, eine Stunde vor meiner Einführung ins Amt des Bürgermeisters getroffen wurde, am 21. Oktober 2015.

Die ehemalige Deutsche Welle Sendeanlagen 2021. Foto: Olaf Kiel

Gab es Zusagen, das Gebäude zu erhalten?

Axel Fuchs: Es stimmt, dass sowohl ich als auch der Landrat und die Brainergy Park GmbH gesagt haben: Wenn wir eine Möglichkeit sehen, das Glashaus zu erhalten, werden wir das tun. Wenn das Gebäude saniert und umgenutzt wird, muss ein Bauantrag gestellt werden, und dann gilt für das Glashaus, was für alle Gebäude im Brainergy Park verpflichtend ist, nämlich der Energiestandard kfw 70. Dafür müssen bestimmte energetische und technische Voraussetzungen erfüllt sein. Wir haben jetzt einen Architekten hinzugezogen, der bei der Ortsbesichtigung alleine die Dämmung der Sendehallen auf 10 Millionen Euro geschätzt hat. Dazu kommt, dass uns im März die Nachricht erreicht hat, dass dieses Gelände für die Wasserstoffproduktion benötigt wird. Die Wasserstoffelektrolyse-Anlage ist hochsensibel und macht eine bestimmte Abstandsfläche notwendig. Auch deshalb ist sie ganz am Rande des Gewerbegebietes angesiedelt. Bauordnungsrechtlich kann darum nicht ein paar Meter weiter ein Museum entstehen, zu dem darüber hinaus die Besucher auch gar keinen Zugang hätten.

Hat es ein Alternativangebot an die Initiativgruppe Rundfunksendestelle gegeben?

Axel Fuchs: Es ist von mir mündlich ein Angebot formuliert worden. Frank Drewes hat sich Gedanken über einen alternativen Standort für ein „Funker-Museum“ gemacht.
Frank Drewes: Mein Vorschlag war, den musealen Bereich dahin zu bringen, wo er hingehört: In die Brainergy-Village, wo wirklich Publikumsverkehr ist. Wir wollen im Hauptantrag auch ein Besucherzentrum verankern, in dem wir die Identität der Merscher Höhe aufarbeiten. Es ist für den Brainergy Park auch sinnstiftend, einerseits die Zukunft zu zeigen, aber auch die Geschichte zu präsentieren und so für die Nachwelt zu erhalten – und das im Herzen der Brainergy-Village in neuen Räumen auf höchstem technischen Standard.


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