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„Und der Kardinal hat geschmunzelt…“

So still war es wohl bei einem Redebeitrag in den vergangenen 150 Jahren so gut wie nie in der Buchhandlung Fischer. Kurz nach „halb 10“ am Donnerstagabend, 10. Januar 2019, nachdem bereits zwei Stunden mit Geselligkeit, Gesprächen und launigen Rückblicken in die traditionsreiche Familien- und Betriebsgeschichte hinter der gutgelaunten Gästeschar lagen, trafen die Worte von Wolfgang Hommel ihre Zuhörer völlig unvorbereitet.

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Mit einem revueartigen Bilderbogen zu Ahnen und Veränderungen der Geschäftszweige unterhielten Wolfgang Hommel, Eva Behrens-Hommel und das Team die Festgäste. Fotos. Dorothée Schenk
Mit einem revueartigen Bilderbogen zu Ahnen und Veränderungen der Geschäftszweige unterhielten Wolfgang Hommel, Eva Behrens-Hommel und das Team die Festgäste. Fotos. Dorothée Schenk
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„Wir sind uns mit Thalia einig geworden,“ gab Buchhändler Wolfgang Hommel für sich und den Mitgesellschafter und Vetter Stefan Fischer bekannt. Am Weiberfastnachtsdonnerstag, 28. Februar, schließt die Buchhandlung Fischer. Deutschlands größtes Buchhandelsunternehmen, Thalia, führt am Aschermittwoch an gleicher Stelle und mit den „vertrauten Gesichtern“ die Buchhandlung fort. Der Chef wird kein Unbekannter: Er heißt Jürgen Schmitte.

Freunde und Wegbegleiter, Vertreter der Vereine, Geschäftswelt und Politik waren erstmal sprachlos. Manches Auge glänzte verdächtig und auch die scheidenden Inhaber rangen nicht immer ganz erfolgreich mit ihrer Fassung. Bewegende Worte fand Bürgermeister Axel Fuchs, der Wolfgang Hommel auch als Gesprächspartner in der politischen Landschaft würdigte: „Wir sind nicht immer einer Meinung, aber in einer Sache sind wir uns immer einig: Wir lieben unsere Stadt und wir kämpfen und arbeiten für unsere Stadt.“ In dieser Haltung ist der Fortbestand der Buchhandlung unter neuer Führung zu verstehen. Dankbarkeit brachte Fuchs für alle Anwesenden zum Ausdruck „für das, was Eva und Wolfgang in den letzten drei Jahrzehnten hier geleistet haben.“ Es sei eine besondere Eigenschaft von Ehepaar Hommel, dass sie nicht einfach das Geschäft schlössen, sondern „es geht weiter, weil sie dafür gekämpft haben!“ Dafür gab es minutenlangen Applaus.

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Dass es keine leichte Entscheidung war, ist überflüssig zu erwähnen. „Der Rückblick war ja nunmal einfach“, hatte Wolfgang Hommel die, mit Leckereien frisch gestärkten Gäste nach der Pause empfangen, ehe er nach noch einmal fast neun Minuten rednerischen Anlauf die Ungeheuerlichkeit preis gab. „Es wird mehr als die Kraft von einer Person bedürfen, um die Perspektiven und Lösungen zu erdenken, und die werden nicht in einem kleinen stationären Familienbetrieb in Jülich gefunden“, formulierte Hommel die Sorge um den Einzelhandel im Allgemeinen und Buchhandel im Besonderen. Die an ebendiesem Tag öffentlich gewordene Fusionsabsicht der Thalia und der Mayerschen Buchhandlung mag einen Einblick geben, wie schwierig der „Markt“ ist.

Die Gründe sind dennoch vielfältiger: Neben der Übermacht des Branchengiganten mit dem großen „A“, dem veränderten Kaufverhalten der Menschen und dem damit einhergehenden Problemen des stationären Handels, fehlt es in der Familie in der fünften Generation an dem Willen zur Nachfolge. „Und ich hätte es ihnen auch nicht geraten“, sagte der Geschäftsmann mit über 30-jähriger Erfahrung im Familienbetrieb.

Eigeninitiativ waren sowohl „Thalia“ als auch die „Mayersche“ mit Angeboten auf die Jülicher zugekommen. Die Entscheidung für das Hagener Unternehmen „Thalia“ fiel, weil Konzept, Konditionen und das Angebot an die Mitarbeiter mehr Anklang fanden. So steht fest: Das „Team Fischer“ wird weiterhin als „Team Thalia“ für die Jülicher da sein können. Die meisten der bekannten Gesichter bleiben. Das bekräftigte Agnes Wieland, zuständige Vertriebsdirektorin von Thalia, die sich an diesem Abend den Gästen bei allem Selbstbewusstsein mit viel Einfühlungsvermögen für die Situation vorstellte. „Dieses Jülich“, so erzählte sie von ihren Überlegungen, „könnte schön zu uns passen“, habe sie gedacht. Am längsten Tag des Jahres wäre es zum ersten Gespräch in Jülich gekommen in dem Büro „in dem diese Ahnen hängen. Dieser Kardinal, der hat mich immer so angeguckt – ab und zu hab ich gedacht, ich muss mich mit dem Rücken zu ihm drehen.

Er hat uns immer so kritisch beäugt.

Josef Fischer dagegen wäre freundlicher gewesen. Manche Stunde hätte man dort verbracht und dort sei es ihrer Erinnerung nach auch zur Unterschrift gekommen. „Und der Kardinal hat geschmunzelt. Ich bin ganz sicher.“

Ihr sei voll und ganz bewusst, dass Thalia in Jülich erstmal ein „Nichts“ wäre. Darum sei sie froh über die zugesagte Beratung durch Wolfgang Hommel, der den Übergang begleiten soll. „So werden wir versuchen, diese Tradition, die Sie über so viele Jahrzehnte aufgebaut haben, auch weiter zu erhalten. Was uns und Thalia wichtig ist, dass wir in Jülich zu einem lebendigen Kultureinzelhandel beitragen, dass ein fester Platz fürs Lesen und fürs Buch hier in Jülich weiter sein wird. Das verspreche ich Ihnen.“

Agnes Wieland, Thalia-Betriebschefin, präsentiert den neuen, in Jülich altbekannten, Filialleiter Jörg Schmitte. Foto: Dorothée Schenk
Agnes Wieland, Thalia-Betriebschefin, präsentiert den neuen, in Jülich altbekannten, Filialleiter Jürgen Schmitte. Foto: Dorothée Schenk

Für Kontinuität soll eben auch Jürgen Schmitte als neuer Filialchef sorgen, der wissen ließ, es wären 379 Jahre Berufserfahrung, die er und sein Team weiter einbringen würden. „Wir freuen uns auf die Zeit, wir sind zuversichtlich.“ Der Dank galt dem Ehepaar Hommel für die letzten Jahre und dafür, „dass es mehr Jahre gibt für uns“. Ein Dank ging an Thalia, „dass Sie uns haben wollen“, die Vertreter, vor allem aber an die Kunden: „Ohne Kunden wäre Fischer nicht das, was es ist. Für uns ist es mehr als nur ein Laden – es ist ein Begegnungsort.“ Und vollmundig schloss Schmitte: „Wir wollen, dass Thalia in Jülich mindestens so gut wird, wie es Fischer in Jülich war …vielleicht mit der Technik und der Macht von Thalia dahinter noch ein bisschen besser …“

Bis zum gestrigen Tag war mit „Thalia“ Stillschweigen vereinbart worden. Daran hatten sich beide Partner gehalten. Das sei eine sehr schwere Zeit gewesen, betonte Hommel, da er selbst engsten Freunden gegenüber auf Zukunftsfragen ausweichend oder gar nicht antworten konnte. „Es ist uns eine Befreiung, jetzt offen darüber reden zu können.“ Er bat um Verständnis für sein Verhalten und betonte, dass ein Geschäft dieser Größenordnung – zu Höchstzeiten verfügte „Fischer“ über 1100 Quadratmeter Verkaufsfläche – brauche eine langfristige Perspektive, Mitarbeiter bräuchten eine Verlässlichkeit ebenso institutionelle Kunden wie Bibliotheken oder Schulen.

In einem Punkt bleibt die Familientradition erhalten, „und das dürfte Dr. Nieveler freuen“, sagte Wolfgang Hommel schmunzelnd: Der scheidende Buchhändler wird in Eigenregie den Verlag Jos.Fischer weiterführen und die Herausgabe der „Heimatgeschichte“ weiter betreiben.

„Das ist erst die zweite Übergabe in 220 Jahren und darum bin ich Ihnen dankbar, dass Sie dabei sind,“ hatte Wolfgang Hommel es formuliert. Minutenlang zollten die Anwesenden stehend und applaudierend ihren Respekt, Anerkennung und die gewachsene Zuneigung.

Antworten auf alle eventuell offenen Fragen auf der Homepage der Buchhandlung Fischer.


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