Start Stadtteile Jülich Zwangsarbeit, viele Diskurse und ein Ort mit Potentialen

Zwangsarbeit, viele Diskurse und ein Ort mit Potentialen

Mit Abstand betrachtet lässt sich vieles deutlicher sehen: 20 Jahre besteht der Jülicher Brückenkopf-Park als Nachfolgegesellschaft gemeinnützigen Charakters der Landesgartenschau. Der Brückenkopf ist seit seiner Erbauung vor über 200 Jahren durch die französischen Besatzer um Kaiser Napoleon der Diskussion ausgesetzt. Ein Blick in die Geschichte der Festung, der Landesgartenschau und des gewachsenen Familienparks.

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Der Jülicher Fotograf Arno Petersen (+ 2011) nahm das Laga-Gelände 1998 aus luftiger Höhe auf. Foto: Archiv PuKBSuS
Der Jülicher Fotograf Arno Petersen (+ 2011) nahm das Laga-Gelände 1998 aus luftiger Höhe auf. Foto: Archiv PuKBSuS
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1799 zog die französische Besatzermacht 1000 Bauern mit Schippen, Karren und Pferden zur Zwangsarbeit heran, um den Brückenkopf zu errichten. So ist es laut Broschüre „Der Jülicher Brückenkopf“ von 1962 im Tagebuch von Bürgermeister Peter Christian Merten nachzulesen. Napoleon selbst kam und begutachtete die Baustelle an der Rur. Seine Meinung: Baustopp. Durchsetzen konnte er sich damit nicht, wie heute zu sehen ist. 1814 wurden die Bauarbeiten beendet.

Es sollte noch 100 Jahre dauern, bis das Gelände 1927 in das Eigentum der Stadt Jülich überging, um die Anlage als Naherholungsgebiet für die Bevölkerung des Jülicher Landes zur Verfügung zu stellen. 1937 entstand dort der erste Zoo, eine erste Erweiterung des Geländes auf 130.000 Quadratmeter erfolgte 1979, während die Festungsanlage wie ein verwunschenes Märchenschloss immer weiter von der Natur, Efeu und anderem Bewuchs in Besitz genommen wurde.

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Es muss wohl bei einer Gartenparty Ende der 1980er Jahre gewesen sein, so hat es Heinz Rhein als Landesgartenschau-Botschafter bei seinen Reisen quer durch Deutschland 1998 vorgetragen, als Jülicher Stadträte die Vision „Landesgartenschau“ entwickelten. Einstimmig war im Stadtrat am 27. Oktober 1988 das Votum, es zu versuchen.

CDU Stadtdirektor Albert Eduard Schröder habe gesagt: „Die Landesgartenschau ist eine sehr sinnvolle Investition in die Zukunft Jülichs. Historisch einmalige Bauwerke können mit der Landesgartenschau verbunden werden.“ und SPD Bürgermeister Heinz Schmidt befand:

„Das wäre eine Sternstunde für unsere Stadt Jülich.“

So hörte sich anfangs die fraktionsübergreifende Zustimmung an. Das Bewerbungsschreiben wurde am 15. November 1988 an Klaus Matthiesen, damals NRW-Minister für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft geschickt. Beim Ortstermin Jülich am 20. Dezember 1988 soll der Minister gesagt haben: „Ich halte Ihre Bewerbung für sehr erfolgversprechend. Ihre Chancen stehen verdammt gut.“

Drei Jahre sollte es bis zur Zusage dauern, die am 31. Januar 1991 Ministerialrat Anton Kränzle und Ernst Beck, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft für Gartenbau und Landespflege, überbrachten. Was folgte, wissen alte Jülicher: Jahrelange Diskussionen und Debatten im Rathaus, in den Kneipen und auf den Straßen, in die sich natürlich viele Stimmen einmischten. Eine von ihnen gehörte dem Landtagsabgeordneten Adi Retz, der sagte: „Die Landesgartenschau ist für Jülich die einmalige Chance, Geschichte und Natur zu verbinden und mit einer weitreichenden Unterstützung des Landes NRW das Modell einer modernen Stadtsanierung mit der ökologischen Neugestaltung des gesamten Umfeldes zu realisieren.“

Archiv PuKBSuS
Archiv PuKBSuS

Wo, so schilderte es Bürgermeister Axel Fuchs bei der 20-Jahr-Feier des Brückenkopf-Parkes, normalerweise im Vorfeld bei der Bevölkerung Begeisterung herrsche, wären in Jülich ungewöhnlicherweise Skepsis und Kritik vorherrschend gewesen. Er zitierte aus dem Wortlautprotokoll der „historischen“ Stadtratssitzung vom 26. Januar 1995 den Antrag: „Die Landesgartenschau 1998 findet nicht statt.“ Begründung: „So wird der Haushalt der Stadt Jülich für die nächsten 30 Jahre mit jährlich etwa zwei Millionen D-Mark belastet“, während andere ungelöste Probleme wie Stadthalle, Freibad, Hallenbad unbedingt angegriffen werden müssten.

Mit knapper Mehrheit entschied der Rat sich für die Landesgartenschau, mit deren Aufbauarbeiten ab 1996 begonnen wurde – übrigens inklusive Parkfläche für 2000 Autos und 50 Busse am Lindenrondell. Eröffnung feierte die Landesgartenschau am 25. April 1998 mit Ministerpräsident Johannes Rau und Ehefrau Christina und den Ministerinnen Ilse Brusis und Bärbel Höhn. Bis 4. Oktober, dem letzten Laga-Tag, wurden rund 1000 Veranstaltungen geboten. Die Hauptbühne mit der exotischen Dachkonstruktion war damals schon Thema der Denkmalbehörde und wurde zu diesem Zeitpunkt als „Provisorium“ gehandelt. Die hauptamtlichen Geschäftsführer hießen zu dieser Zeit Hans Desgronte und Heinrich Sperling.

Was in den nächsten Jahren des Aufbaus der Brückenkopf-Park gGmbH folgte, war auch durch das Ehrenamt und sinkende Zuschüsse geprägt: 1999 wurden Dr. Peter Nieveler zum Geschäftsführer mit Aufwandsentschädigung, an seiner Seite Chef vom Dienst Heinrich Horrig und seine Frau Manuela als „Mädchen für alles“ unter ähnlichen Bedingungen. Viele örtliche Musikformationen und Kunsttreibende stellten sich und ihre Werke zum öffentlichen Vergnügen zur Verfügung. In diesen Jahren wurde dem Grundsatz gefolgt:

„Jedes Jahr eine neue Attraktion“

um den Park attraktiv zu halten. Reichlich Prominenz gab sich das Mikrophon auf der Hauptbühne in die Hand. Ein bisschen Namedropping: 2001 waren es unter anderem Götz Alsmann, Atze Schröder, Jürgen Becker, Kaya Yanar, die Bläck Fööss, und Chris Barber, 2002 Nena, Brings, Udo Jürgens, Dieter Nuhr, Mary Roos und die Kelly Family, 2003 Konstantin Wecker und Hannes Wader, 2004 Yvonne Catterfeld, Mario Barth und Johann König… Mit dem Bau der Arena Kreis Düren erlitt der Brückenkopf-Park einen veranstalterischen Tiefschlag, von dem er sich bis heute nicht erholt hat.

Mehrfach veränderten sich die Struktur: 2003 wurde der Verein Jülich Information aufgelöst und als touristische Anlaufstelle im Brückenkopf-Park eingegliedert. Ab 2004 wurde Dr. Dorothee Esser-Link Geschäftsführerin – bis 2017 – und brachte zeitweilig das Kulturmanagement mit in den Park, das inzwischen wieder bei der Stadt angesiedelt ist. Als Interims-Lösung gedacht war die Geschäftsführung durch Bürgermeister Axel Fuchs, die sich als Dauerlösung abzeichnet.

Was ist seit 20 Jahren für die Menschen vor Ort und weit über die Stadt- und Regionsgrenzen hinaus am Brückenkopf entstanden?

Das 33 Hektar umfassende Gelände wurde als in die Natur und Festungsbau eingebetteter Erholungs-, Freizeit- und Spielplatz entwickelt. Es umfasst ein zehn Kilometer langes Spazier-Wegenetz. Das i-Tüpfelchen: Der Zoo mit Erdmännchen, Känguru, Wölfen und demnächst auch Ottern. Einzigartig ist dieses Ensemble und ausgezeichnet: Das Aachener Büro „3+Freiraumplaner“ wurde für sein Konzept mit dem 1. Platz des Bundes Deutscher Landschafts-Architekten prämiert. Die Eckpunkte sind bis heute die Attraktionen: Das Apfelquadrat, Themengärten und Lindenrondell, dazu die Freizeitmöglichkeiten auf dem Spielplatz „Kind und Kegel“, Grillhütte, Minigolfplatz, Skateranlage sowie Beachvolleyball- und Fußballfeld.

Indoor-Spielplatz im JuFa. Foto: Rudi Böhmer
Indoor-Spielplatz im JuFa. Foto: Rudi Böhmer

Der Brückenkopf-Park ist weiterhin Veranstaltungsort, bietet Bühnen für Konzerte, dem städtischen Theaterprogramm für Freiluft-Aufführungen, das Open-Air-Kino überspielt die Sommer-Programmpause im Kulturbahnhof, und dann die Publikumslieblinge: Frühlingserwachen, Epochenfest zu Pfingsten, Märchenträume und Zoofest im August.

Mit dem neuen „Drei-Bühnen“-Veranstaltungskonzept mit der zu bauenden geschlossenen Halle in Muschelform im Stadtgarten als Herzstück soll perspektivisch an die Jahre vor 2004 angeknüpft werden. Den Anfang machen wird Rüdiger Hoffmann am 7. Juni.

Etabliert ist der Park als so genannter „außerschulischer Lernort“, macht Angebote für Schulklassen zu den Themen Umwelt, Ernährung, Geschichte und Sport. Gut frequentiert ist der Wohnmobilstellplatz. Seit 2009 steht das Jugendgästehaus mit dem Schwerpunkt „Energie“, das nicht nur – laut Axel Fuchs – eine 85-prozentige Auslastung verzeichnet, sondern auch an trüben Tagen Besucher an den Brückenkopf-Park bindet mit Energie-Erlebnispavillon, Indoor Spielewelt mit Skywalk und Kleinsporthalle für Freizeitangebote.

Lesen Sie hierzu da Hofgeflüster: Kommunikation und Transparenz


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