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Paprika hat großes Marktpotential

Sind alle Paprika gepflückt, bleibt für Blätter und Stängel nur der Komposthaufen. Das muss nicht sein, finden Forscher aus Jülich, Aachen und Bonn. Sie untersuchen, ob sich aus den ungenutzten Pflanzenresten wertvolle Stoffe für die Medizin, Kosmetik- und die Lebensmittelindustrie gewinnen lassen. Profitieren könnte am Ende der Gemüsebauer: Er verkauft nicht nur die Frucht, sondern auch die Zusatzstoffe.

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Paprika. Foto: Hans / pixabay
Die Paprika-Kultur im Gewächshaus wuchs in Deutschland von 41 Hektar im geschützten Anbau im Jahr 2008 auf 108 Hektar im Jahr 2018. Foto: Hans / pixabay
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Sie sind knackig, frisch und gesund: Paprikaschoten. Die Frucht aus der Familie der Nachtschattengewächse landet längst ganzjährig in allen Farben im Salat, in der Pfanne oder auf dem Grill. Kein Wunder also, dass die Landwirte in Deutschland mehr Paprika anbauen. Klassisch säen sie die Paprika im Gewächshaus aus, hegen und pflegen sie, ernten die Schoten und verkaufen sie. Blätter, Stängel und Wurzeln enden als Kompost. „Verschenkte Ressourcen“, findet Dr. Anika Wiese-Klinkenberg vom Institut für Pflanzenwissenschaften (IBG-2).

In dem Verbundprojekt TaReCa entwickelt die Pflanzenphysiologin mit Kollegen der RWTH Aachen und der Universität Bonn Technologien, um auch die Blätter und Stängel der Pflanze zu verwerten: „Wir nutzen die Pflanze nach der Fruchternte als Produktionsfabrik für wertvolle Substanzen, sogenannte Sekundärmetabolite.“ Dazu zählen unter anderem Farb-, Duft- und Aromastoffe, aber auch Gift- und Bitterstoffe sowie Antioxidantien. Solche Pflanzeninhaltsstoffe sind vor allem für die Medizin, die Kosmetik- und Lebensmittelindustrie interessant.

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Die Pflanzen locken damit beispielsweise Insekten an oder wehren Schädlinge wie Viren, Pilze oder Bakterien ab. Sie produzieren die bioaktiven Stoffe unter anderem, wenn sie Stress haben wie zum Beispiel zu viel Sonne. „Pflanzen können zum Beispiel keinen Sonnenschirm aufspannen, um sich vor zu viel UV-Licht zu schützen und bilden deshalb Sekundärmetabolite, die das UV-Licht absorbieren“, erklärt Wiese-Klinkenberg. Solche Stressreaktionen wollen die Jülicher kontrolliert erzeugen, damit die Pflanze mehr Sekundärmetabolite produziert und die Restmasse aus dem Anbau aufgewertet wird. Erste Versuche mit Tomatenpflanzen hatten die Wissenschaftler bereits in einem vorangegangenen Projekt des Bioeconomy Science Center (BioSC), dem Forschungscluster für nachhaltige Bioökonomie in Nordrhein-Westfalen, durchgeführt.

Nun geht es um die Paprika. Bei ihr konzentrieren sich die Jülicher zunächst auf zwei der über 100.000 bekannten sekundären Pflanzenstoffe: Die Flavonoide Cynarosid und Graveobiosid A. „Aber wir wollen die Paprikablätter auch auf weitere interessante Inhaltsstoffe untersuchen.“

Vielversprechende Ergebnisse

In den vergangenen Jahren ist die Zahl an Patentanmeldungen mit der Substanz Cynarosid gestiegen. „Wir gehen deshalb davon aus, dass Cynarosid für die Kosmetik- und Pharmaindustrie ein Inhaltsstoff mit vielversprechenden Marktpotenzialen ist“, erklärt Wiese-Klinkenberg. Beim Graveobiosid A ist bekannt, dass es gegen die Eiablage von Insekten wirkt: Es könnte langfristig als natürliches Biozid eingesetzt werden.

Um die Produktion der beiden Stoffe anzukurbeln, haben die Wissenschaftler die Pflanzen in Klimakammern ordentlich gestresst: mit Kochsalz in der Nährlösung, mit Kälte und UV-Licht, oder sie haben ihnen Nährstoffe entzogen. „Der Salzstress war am effektivsten. Durch die Kombination von Salzzugabe und anderen Stressfaktoren wie Kälte ist es uns gelungen, den Cynarosidanteil in den Blättern zu verzehnfachen. Das war ein überraschender Erfolg!“, freut sich die Forscherin. Auch für das Graveobiosid A konnten die Forscher bei bestimmten Salzstresskombinationen eine dreifach erhöhte Konzentration messen: „Pro Gramm Trockengewicht erhalten wir etwa 20 mg Graveobiosid A, das ist eine gute Ausbeute.“

Nun arbeiten die Wissenschaftler daran, das Zusammenspiel aus optimaler Salzdosis, Behandlungsdauer und verschiedenen Stressfaktoren noch besser aufeinander abzustimmen, denn ein „Zu viel“ bedeutet, dass die Pflanze abstirbt und Blätter abwirft, ein „Zu Wenig“ eine zu geringe Ausbeute. „Der Gemüsebauer benötigt außerdem eine Messmethode, um zu kontrollieren, wie der Stress wirkt!“, so die Forscherin, „wir setzen dazu nichtinvasive Methoden mit Fotos und Farbanalysen ein, denn die Blätterfarbe beispielsweise verändert sich mit dem Stress.“

Marktpotential erkennen

Von diesen Forschungsansätzen profitieren könnte vor allem der Gemüselandwirt: Er verkauft nicht nur die Früchte, sondern auch die Zusatzstoffe aus dem Rest der Pflanze. „Um das Marktpotenzial einzelner Inhaltsstoffe und möglicher Einsatzbereiche einzuschätzen, sind in dem Verbundprojekt TaReCa nicht nur Pflanzenforscher, Gartenbauer und Verfahrenstechniker aus dem BioSC an Bord, sondern auch Ökonomen“, erklärt Wiese-Klinkenberg. Diese können zum Beispiel berechnen, ob der Landwirt die Blätter und Stängel selbst trocknen oder ein Großunternehmer sie abholen sollte: Der Trocknungsprozess würde die Transportkosten deutlich reduzieren, aber der Gemüse-Landwirt müsste in einen Trockenofen investieren.

Die Paprikaschoten im Salat, die Flavonoide extrahiert – übrig bleibt die voll ausgeschöpfte Paprikapflanze, die nicht mehr im Kompost, sondern in einer Bioraffinerie landet, wo sie in Plattform-Chemikalien für viele andere Industrieprodukte umgewandelt wird und damit endgültig ausgedient hat. Die Wertschöpfungskette wird so erweitert, ein wirtschaftlicher Mehrwert generiert und eine wertvolle Substanz Ressourcen schonend produziert– ein Beispiel für gelungene Bioökonomie. Und nicht auf die Paprika beschränkt. „Langfristig wollen wir die neuen Verfahren und Technologien auf andere Gartenbaupflanzen anwenden“, so Wiese-Klinkenberg. Ihr nächster Favorit: die Salatgurke.


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