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Die Folk-Wurzeln der Riedels

Manuela & Wolfgang Riedel: Das Duo ist aus der Jülicher Musikszene nicht wegzudenken. Als versierte Musiker, die ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten an der Jülicher Musikschule an den Nachwuchs jeglichen Alters weitergeben, haben sie die hiesige Szene stark beeinflusst. Vor 50 Jahren begann ihr gemeinsamer musikalischer Weg bei der Dürener Formation Gurnemanz.

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Gurnemanz 1973. Foto: Gurnemanz
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„Ich erinnere mich noch genau, wie ich als kleines Hippie-Mädchen barfuß auf den Eingangsstufen des Dürener Bahnhofs saß, Anfang Mai 1972…“, erzählt Manuela Riedel in den Liner-Notes auf der Innenseite des Klapp-Covers der „neuen“ Gurnemanz-LP „Live & Rare“. Besser lässt sich die Reminiszenz zu einem Goldenen Jubiläum kaum ziehen, die gleichzeitig die Länge der Zeitdauer und die Atmosphäre des Zeitpunkts in einem Satz zusammenfasst.

Zwar war die große unbeschwerte Flower-Power-Ära mit dem Summer of Love bereits seit fünf Jahren Geschichte, die Auswirkungen aber insbesondere weit ab der fernen Neuen Welt in den deutschen Städten und Örtchen noch deutlich sicht- und spürbar. Dies wirkte sich auch vehement auf die Stimmung um Gurnemanz aus, auch wenn diese musikalisch gesehen noch stärker von dem Wirken auf der britischen Insel bestimmt wurde, und zwar von Folk- und Folk-Rock-Bands wie Pentangle, Incredible String Band oder Fairport Convention.

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„Das Hippymädchen kam erst später hinzu“, konstatiert Wolfgang Riedel. „Mein Freund Siggi (Bushuven) und ich haben sehr früh angefangen, zu zweit Musik zu machen.“ Dies sei etwa 1969 / 1970 herum gewesen. Die Anfänge standen allerdings sehr im Zeichen der damals sehr angesagten „Blödelbarden“ à la Insterburg und Co. „Helge Schneider würde sicherlich aus manchen unserer frühen Songs Hits machen.“ Daneben seien sie aber auch Blues- und Popmusik-Fans gewesen, hörten beispielsweise Canned Heat oder die Kinks.

Mit dem Schulwechsel von Realschule zum Gymnasium lernte Wolfgang Riedel Lukas W. Scheel kennen, und so wuchs die Idee, eine Band zu gründen. Scheel beeinflusste von da an den Stil der Musik stark in Richtung ernsthaftem englischen Folk, denn bereits zu dieser Zeit habe er Folk-Pickings Marke Dubliners draufgehabt. Durch Lukas W. Scheel kam auch direkt John Cremer mit ins Gurnemanzboot. „Der war von Anfang an mit dabei als Kreativmensch. Er machte Fotos und nahm unsere Sessions auf“, erzählt Wolfgang Riedel. Als die Urzelle – drei Musiker und ein Techniker – feststand, wurde klar: „Wir brauchen jemanden, der richtig singen kann.“ Der Kontakt zu Manuela, damals noch Schmitz, kam über einen Klassenkameraden der Band, der sie im Schienenbus nach Düren kennengelernt hatte.

Dann ging alles sehr schnell. Erste Probe in der Garage einer Freundin von Manuela in Kerpen. Von dort aus folgte direkt nach der Probe auch gleich der erste Auftritt auf einem Trödelmarkt in der Nähe. Die gurnemanzschen Songs kamen sehr gut an. Tourneen führte die Band durch Deutschland, aber auch ins Ausland, mehrmals nach Polen, in die Beneluxländer und regelmäßig nach England. Auf zwei Alben, „Spielmannskinder“ (1975) und „No Rays of Noise“ (1977) hielt John Cremer das musikalische Wirken der Band fest.

Foto: Gurnemanz

Doch nach sieben Jahren entwickelten sich die Bandmitglieder menschlich wie musikalisch auseinander, und die Gruppe zerbrach. So entstand als eines der nächsten Projekte der Riedels die Band „Gaia“ weit weg von Folk und Folk-Rock in Richtung Weltmusik. Wolfgang Riedel wurde stark von den Künstlern des ECM-Labels wie Egberto Gismonti, Ralph Towner, Jan Garbarek oder dem Art Ensemble of Chicago mit ihrem Album „Urban Bushmen“ beeinflusst. In deren Geist fing er an, Songs zu schreiben. Manuela reduzierte bei „Gaia“ ihre Beiträge an Gesang und Gitarre zugunsten von Blockflöte, Xylophon, Metallophon und viel Perkussion. Wolfgang Scheel vertonte indes ausschließlich deutsche Texte, brachte dazu mit einem zweiten Gitarristen das Album „Moderne Zeiten“ heraus. Siggi Bushuven spielte in Projekten seiner Gitarristen zuweilen noch mit, zog sich dann aber völlig aus der Musik zurück.

Allerdings währte die absolute Trennung nur kurz. „Nach ein, zwei Jahren hingen wir schon wieder zusammen, aber dann nicht mehr als Band, sondern einfach als gute Freunde.“ Bis heute halten sie Kontakt miteinander. Und immer wieder gibt es Projekte mit Wolfgang Scheel und Siggi Bushuven wie Riedhuven-Scheel oder Naked Truth.

Kontakte zu der Dürener Musikszene ließen sich aber irgendwie nicht wirklich herstellen, dafür aber nach Jülich. „Ich fing an, in Köln Gitarre zu studieren, und hatte schon über meinen Lehrer ein paar Schüler bekommen“, bemerkt Wolfgang Riedel. „Er vermittelte mich auch an die Musikschule in Düren.“ Doch dann erhielt Riedel einen Anruf vom stellvertretenden Leiter der Musikschule Jülich, Franz Töller. Er suchte nach Gitarrenlehrer und hatte bei Riedels Dozenten angerufen. Nach einer Probestunde begann Wolfgang Riedel 1978, an der Jülicher Musikschule zu unterrichten, zunächst noch ohne Examen.

Als er diese abgelegt hatte, musste Riedel zunächst seinen Zivildienst leisten, ehe er als Musiklehrer weitermachen konnte. Also vertrat Manuela ihn, die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Gitarre und musikalische Früherziehung studierte. So ergab eines das andere. „Da drüber habe ich gelernt, dass tatsächlich das Unterrichten ein ganz wesentlicher Bestandteil in meinem Leben geworden ist, der mir sogar richtig gutgetan hat.“ Als Musiker sei er zweigeteilt. Er arbeite gerne kreativ, entwickele Dinge und studiere Musik endlos weiter. Auftreten könne sein, müsse es aber nicht. Er spiele gerne. „Ich habe aber auch mein Leben lang gern unterrichtet. Es war nie eine Qual.“ Zum 1. Oktober geht wie bereits Wolfgang auch Manuela in Rente und hört an der Musikschule Jülich auf.

Doch zuvor steht das 50-Jährige von Gurnemanz an. Gefeiert wird dies mit drei Veröffentlichungen von John Cremer: den beiden Scheiben „Walking under Blue Moon“ und „Live & Rare“ von Gurnemanz und der Platte „Troubadours“ von Martin Winsor & Jeannie Steel. Ursprünglich sollte diese Ende der 1970er herauskommen. Damals trennte sich aber EMI Electrola von der Tochterfirma Songbird, und somit verschwanden die Aufnahmen im Archiv von Johannes „John“ Cremer, der im Dienste der EMI stand. Da er gleichzeitig fünfter Mann bei Gurnemanz war und bei ihnen an den Reglern saß und so nicht nur die Konzerte abmischte, sondern auch etliche davon aufnahm, befanden sich auch bei ihm noch etliche Gurnemanz-Schätzchen im Archiv, darunter auch die Bänder zu der LP, die nie veröffentlicht worden war: besagtes „Walking under blue Moon“.

Foto: Gurnemanz

Zudem besitzt John Cremer mittlerweile selber ein Studio in Buir namens Railroad Tracks. Im Winter 2020 sprach er die Riedels auf das anstehende Bandjubiläum von Gurnemanz 2022 an und schlug vor, neben „Troubadour“ auch Material von Gurnemanz zu veröffentlichen. Denn die Songs der bis dato unveröffentlichte LP „Walking under blue Moon“ waren zwar als Live-Versionen der später erschienenen CD-Version von „No Rays of Noise“ beigefügt, allerdings in einer recht unbearbeiteten Fassung.

Obwohl Wolfgang Riedel zunächst dem Ansinnen skeptisch gegenüberstand (Cremer hatte unter anderem ein Demo-Band der ersten Stunde auf CD herausbrachte, so dass Wolfgang Riedel stinksauer für längere Zeit den Kontakt abbrach), erkannte er hier die Chance, „die besten Sachen, die wir je mit Gurnemanz haben machen können, noch einmal auf einen Tonträger zu bringen. Das hat mich wirklich von Anfang an gefreut und hat bei uns beiden eine Lawine noch einmal ausgelöst, sich mit diesen alten Sachen noch einmal als Musiker zu beschäftigen.“

Dabei ging es nicht allein um den Sound und die Frage, wie dieser auf Platte zu bannen sei. Vielmehr fiel ihm beim Transkribieren der alten Stücke plötzlich auf, dass die Sachen bereits recht ausgefuchst sind, ohne dass dies den Mitspielern vor 45 Jahren als Anfang Zwanzigjährige bewusst gewesen sei. „Wow, dazu kann ich heute stehen. Das sind gute Songs, und wir spielen sie auch gut.“ Und auch der Sound sei trotz der damaligen unzureichenden Mittel akzeptabel. So zeigt sich der Gitarrist mit den neuen Veröffentlichungen wieder versöhnt und sehr happy.

Die ganze Band habe nach dieser langen Zeit auch richtig gut zusammengearbeitet, betonen die Riedels. Jeder habe sich sorgfältig alles angehört und seine Meinung dazu geäußert. „Und wir sind immer zu einem gemeinsamen Punkt gekommen, wo wir alle zufrieden waren.“ In der Anfangszeit konnten sie zwar auch ihre Ansichten mit einbringen, hatten aber letztlich kaum Einfluss auf das Endergebnis. Vielleicht noch auf die Reihenfolge der Stücke. „Aber ansonsten waren wir nicht beim Abmischen dabei. Und der ganze Produktionsprozess lief ohne uns.“ Ähnlich erging es ihnen mit dem jeweiligen Cover. „Das ist der Grund, warum ich immer ein gestörtes Verhältnis zu unserer Bandgeschichte hatte, was die Musik betrifft“, betont Wolfgang. Hinter dem aktuellen Produkt stehen indes Manuela und Wolfgang Riedel. Auch mit dem Cover könnten sie leben.

Von dem Titelstück gab es indes keine Aufnahme. Es konnte sich auch niemand mehr an den Song erinnern. Das Titelstück gab es offenbar, war aber wohl nicht aufgenommen worden. „Aber ich habe das Textblatt gefunden“, erzählt Manuela. Dort standen ein paar Akkorde am Rand. Sie meint daraus die Handschrift von Lukas W. Scheel entziffern zu können. Zudem konnte sie sich noch erinnern, dass in der Band zu dieser Zeit eine Neil-Young-Phase herrschte, und versuchte sich, wieder dort hineinzuversetzen. So sagte sie zu John Cremer: „Ich probiere da mal was. Vielleicht fällt mir etwas dazu ein.“ Dann entwickelte sich das Stück, und Wolfgang Riedel spielte einen Part dazu ein. Das Ergebnis kam so gut an, dass die anderen beiden auf der so entstandenen Aufnahme Kontrabass und Mandoline dazu spielten.

„Walking under blue Moon“ gibt es auf Vinyl und als Extended Edition auf CD ab dem 12. August, „Live & Rare“ in beiden Varianten ab dem 26. August über auf allen gängigen Internet-Plattformen sowie Shops. Weitere Informationen inklusive vieler Fotos sind auf Facebook unter Gurnemanz Archiv sowie auf brokensilence.de (unter Künstler: Gurnemanz) erhältlich.


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