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Broich und die RAF

Alles begann mit einer Faszination für Ansichtskarten der Jahrhundertwende aus dem Jülicher Land. Die waren damals das Kommunikationsmittel Nummer Eins, denn Telefone hatten zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur die wenigsten und die kleinen Kunstwerke erlebten so ihre Blütezeit. Geschichte habe ihn schon immer interessiert erklärt Robert Claßen, ehrenamtlicher Mitarbeiter des Museums Zitadelle. Doch in Broich, seinem Heimatdorf, habe es nie einen Geschichtsverein gegeben und auf das Hören und Sagen wollte er sich nicht verlassen.

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In Jülich abgeschossenes Flugzeug, 20.05.1943. Foto: Stadtarchiv Jülich
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„Einfach anfangen.“ Das rät der Lokalhistoriker jedem, der sich für örtliche Geschichte interessiert oder selbst von einer Sammlung träumt. Denn genau das haben er und Detlef Braun 2011 auch getan: Die Menschen aus Broich nach alten Fotografien gefragt und sie gebeten den Hintergrund zu beschreiben. Wer ist auf den Bildern zu sehen und zu welchem Anlass ist das Foto entstanden? Etwa 25.000 Dateien sind so seit 2011 bisher zusammengetragen und digitalisiert worden. Denn die Unterstützer sollen ihre Fotos zurückbekommen, und somit ist das Broicher Dorfarchiv neben diversen Fundstücken aus etwa der Stein- und Römerzeit ein hauptsächlich digitales.

2014 begannen die beiden Broicher Laienhistoriker, wegen des wachsenden Interesses an ihrer Arbeit, mit der Herausgabe eines jährlichen Heftes mit Geschichte(n) aus Broich. Willkürlich ausgewählt vom letzten Ackergaul des Dorfes bis hin zu Vereinen oder einer Kinderkommunion vor 100 Jahren. Diese zu Selbstkosten verkaufte „Weihnachtsausgabe“ erfreute sich großer Beliebtheit und führte zu großer Unterstützung und noch mehr Fotografien und wenn die Besitzer selbst nicht mehr wussten, wer auf den Fotos zu sehen war, dann wurden sie kopiert und herumgereicht. Sie sind nicht die ersten die sich um die Geschichtsarbeit des Dorfes verdient gemacht haben. So wäre wohl bedeutend mehr Grundlagenarbeit Notwendig gewesen, wenn nicht ein gewisser Arnold Keutmann und einige andere vor und nach ihm schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts in lokalen Zeitschriften einiges festgehalten hätten. Hoffentlich wird in Zukunft auch jemand von ihrer Arbeit profitieren. Detlef Braun starb 2019 und wegen der großen Menge damit verbundener Arbeit, die nun allein bei Robert Claßen lag, ließ sich der jährliche Rhythmus nicht länger aufrecht erhalten. Doch die nächste Weihnachtsausgabe, so lässt Claßen durchblicken, wird umso umfangreicher ausfallen.

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Aus dem anfänglichen Hobby „Ansichtskarten und den Fotorecherchen“ wurde schnell ein Großprojekt. Bei seinen Spaziergängen mit dem Metalldetektor fand der lizensierte Sondengänger nicht nur einige römische Münzen, sehr bald häuften sich Aluminiumfunde die letztendlich zu sehr umfassenden und langwierigen Recherchen führten. Es wurde schnell klar, dass es sich um die Überreste eines Flugzeugs der britischen Royal Air Force (RAF) aus dem Zweiten Weltkrieg handelte. Ein jahrelanges Puzzle aus den Reststücken und die Suche nach Produktionsnummern führten zur Identifikation des Flugzeugtyps. Die Befragungen von Ortsansässigen Zeitzeugen und das Trennen von Mythos und Realität machten es dann möglich, mithilfe des Absturzdatums eine Anfrage beim britischen Verteidigungsministerium zu stellen. Dadurch offenbarte sich sogar das persönliche Schicksal der Besatzung. „Wenn man in das Thema einsteigt, dann wird man spätestens dann, wenn man es nicht schon vorher war, zum Pazifisten.“ formuliert es Claßen treffend.

Ihm sei eben wichtig nicht abstrakt, sondern auch über die Menschen zu schreiben. Deswegen habe er am Ende seiner langen Recherche auch die Nachkommen der Betroffenen kontaktiert. Es lies sich schließlich feststellen, dass der Pilot den Fallschirmsprung nicht mehr schaffte bevor sein Lancaster Bomber mit einer Explosion aufschlug. Wie er den Absturz trotzdem überlebte, wusste dieser laut seiner Kinder wohl bis an sein Lebensende nicht. Der Kontakt kam aber auch bereits aus der anderen Richtung. Der Wunsch den Schicksalsort derer Familienmitglieder zu sehen, die für die Befreiung Europas ihr Leben ließen, habe bereits dazu geführt, dass er Besuch aus England bekam. Dessen Großonkel sei bei Güsten abgestürzt doch gebe es dort allein fünf bekannte Absturzstellen und trotz tatkräftiger Unterstützung von Landwirten und Ortsansässigen habe sich die des Großonkels nicht eindeutig herausfinden lassen.

„Ich merke halt auch, dass wenn man den Leuten dieses persönliche Schicksal, das dahinter steckt, erzählt – ganz egal von welcher Nation –  dann lässt es die Menschen nicht los. Das interessiert sie und sie bekommen eine Beziehung dazu.“ erklärt der Broicher, weswegen er auch begonnen habe die nächste „Weihnachtsausgabe“ des Dorfarchivs zu schreiben – die hoffentlich 2021 fertig wird. Das Thema Luftkrieg würde allerdings mindestens zwei der auf 50 Seiten limitierten Hefte füllen. Ebenso fehle ihm natürlich die Unterstützung durch Detlef Braun und durch Corona habe sich die Informationsbeschaffung deutlich erschwert.

Das Dorfarchiv sei ein Gemeinschaftsprojekt und solle es auch bleiben, sagt er, und so bittet er alle um alte Fotografien oder darum Zeitzeugenberichte aus dem Jülicher Land und insbesondere Broich zu teilen. Ebenso freue er sich über jede andere Unterstützung, beispielsweise bei der Fertigstellung einer Internetseite. Sein Projekt sei in erster Linie zeitaufwendig und so sind Interessierte und Motivierte herzlich eingeladen sich zu melden. Kontaktaufnahme ist möglich unter der Telefonnummer 02461/938455 oder der E-mail Adresse [email protected].


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