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Irische Muttkrat

Eine ruhige Kugel zu schieben, das ist nicht seine Sache. Er sprüht nicht nur vor Ideen, er setzt sie um. Er erlaubt sich alles, außer das, was langweilig ist. Ross Michael Patrick Paul Lynch – oder schlicht Ross, Gastgeber im 2. Wohnzimmer des Nordviertels, genannt Irish Pub.

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Ross Lynch. Foto: la mechky +
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„Crazy“ ist die Vokabel, mit der der gebürtige Ire sich selbst und das, was er tut, oft beschreibt. Klingt auch netter als „irre“, obwohl es sich akustisch gut zu dem „Iren“ gesellen würde. Ross segelt auf einer großen Welle der Zustimmung. Ob „Summer X-Mas Party“, für die im August eigens 26 Kubikmeter Schnee angefahren wird, oder „Kein Bock auf Oma“ an Heiligabend – seine originellen Veranstaltungen, kulinarischen Experimente von Burger bis Tapas und neuerdings Muscheln oder einfach das Angebot zur Geselligkeit kommen an und werden inzwischen generationenübergreifend genutzt. Im „Pub“ sitzt Opa Willi ganz selbstverständlich neben seiner Enkelgeneration und fühlt sich pudelwohl. Dazwischen fliegt Ross von Tisch zu Tisch, wechselt hier und da Sätze in einer Sprache, die sich „irisch-jülicher Mundart“ nennen dürfte. Wie dereinst bei Rudi Carell ist auch bei Ross sein immer noch aktiver Akzent ein charmantes Markenzeichen. Ross‘ besondere Note sind die regelmäßig eingestreuten englischen Vokabeln in den deutschen Sätzen.

Seit über 20 Jahren ist Ross Lynch in seiner Wahlheimat angekommen. „Jülich is my home“, sagt er. Und da ist Herz dabei, denn selbst wenn er nach seiner Geburtsstadt gefragt wird, lautet die Antwort breit grinsend: „Malingaras – das Jülich Irlands.“ Dabei hat ihn eher der Zufall an das Ufer der Rur gespült.

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Gut in Mathe und Physik ging es zunächst zum Studium im Fach „Electronics“ nach Dundalk, eine Stadt, die sich vor allem durch ihre Nähe zur Grenze auszeichnete. Mit der Buslinie 14 fuhr man ins „Empire“, um dort für kleineres Geld Alkohol einzukaufen. Nach drei Semestern war hier Schluss, und der Wechsel zur „Sozialpädagogik“ folgte. Dass er da nicht schon früher drauf gekommen ist… Er ist in einer Familie mit sieben Jungs und einem Mädchen aufgewachsen, und weil das Haus nicht belebt genug war, nahm die Mutter immer für eine Zeit von drei bis fünf Wochen Pflegekinder auf. „Ich habe mir überlegt: Sollte man Probleme nicht lösen, bevor sie entstehen“, schildert der Ire seine Beweggründe. Also: wechseln. Neben dem Studium absolvierte Ross einen einjährigen „Babysitter-Kurs“, zu dem er als Mann nur mit Schwierigkeiten zugelassen wurde, und ein dreimonatiges Praktikum als „Midwife… Wie sagt man auf Deutsch?“ – Hebamme?! …crazy!

Bestens vorbereitet war der Ire also für sein verpflichtendes Auslandspraktikum, wobei die Studenten in Familien als eine Art „Aupair“ leben. Nach einer ersten Etappe in Norwegen, wo er mit den Kindern seiner Leidenschaft fürs Skifahren frönen könnte, kam er nach Wiesbaden. Auch wenn die erste Familie ein Missgriff war, löste die Begegnung mit Deutschland spontane Begeisterung aus. Bei seinem Besuch in Irland erzählte er: „Die Deutschen sind so reich! Die Taxis sind alles Mercedes! Und das Sozialsystem ist geil: Man kann Bus und Bahn kostenlos fahren!“ Inzwischen verjährt sein dürfte die auf Unwissenheit basierende Schwarzfahrerei des Iren, der in seiner Heimat Busfahrkarten beim Fahrer löst und ohne Ticket gar nicht erst auf den Bahnsteig kommt.

Die Begeisterung für Land und Leute war so groß, dass Ross beschloss nach dem Praktikum in Deutschland zu bleiben und erstmal Geld zu verdienen – denn die Studiengebühren in Irland wollten bezahlt werden. Die Gelegenheit bei der Pub-Kette „Paddy-Murphy‘s“ als Springer anzufangen, kam gerade recht und so landete er nach Dinslaken, Duisburg, Solingen, Detmold, und Paderborn in Jülich. Gerne erzählt er laut lachend von seiner ersten Begegnung mit der Stadt. Von seiner Irritation, dass die „Krauts“, wie die Deutschen ja gerne im englischen Sprachgebrauch bezeichnet werden, einen eigenen Ort nach sich und ihrem wenig schmeichelhaften Namen benennen… „Krauthausen“. Dann die Batterie von Militärwagen am Heeresinstandsetzungswerk, die für ihn nach Invasionsvorbereitungen aussahen, bis hin zu einem Pub, der statt in der City für ihn irgendwo im Nirgendwo lag. Was ihn von Anfang an begeisterte, waren die Menschen in Jülich: „Die waren alle so nett!“ Noch heute gehören zu seinem Freundeskreis Menschen, die er in den ersten zwei Wochen in der Herzogstadt kennengelernt hat. Mit den Jahren sind viele dazu gekommen und nicht nur, weil er als Wirt viele Gäste hat: Als Ross I. war er Prinz Karneval der CCKG, fühlt sich der KG-Ulk-Familie verbunden und ist bei der Historischen Gesellschaft Lazarus Strohmanus sowohl Ehrenkappenträger als auch einfaches Mitglied. Das heißt: Erst bewirtet er die Umzügler am Pub, wo die Puppe aufgeworfen wird, dann wirft er sich in die Kluft und marschiert mit.

Dass er Wahl-Jülicher ist, dafür ist auch eine Frau verantwortlich, die in sein Leben trat und seine Pläne, nach drei Monaten in die irische Heimat zurückzukehren, über den Haufen warf: Sabine aus – aufgepasst! – Krauthausen entflammte sein Herz. So ist er sowohl dem Pub treu geblieben, den Ross nach der Pleite von „Paddy-Murphy‘s“ mit 24 Jahren und einem 10-Jahres-Vertrag übernommen hat, als auch seiner „Sabin“. Mit ihr möchte er sich gerne einen Wunsch erfüllen: Sechs Wochen durch Vietnam reisen. Das plant das Paar schon seit Jahren, aber es kam immer dringliches dazwischen.

Nach Irland fährt er nur noch, um seine Familie zu besuchen. „Jülich ist für mich ein Stück Irland“, bekennt er lächelnd. Weitermachen will Ross, so lange er „etwas Neues denken und ausprobieren“ kann und nicht das Gefühl hat: „Jetzt muss ich schon wieder arbeiten gehen.“ Und das kann offensichtlich noch dauern, denn koboldhaft begeistert von seiner eigenen Schlitzohrigkeit berichtet Ross von seinen Vorbereitungen für das nächste Pub-Quiz. „Ich werde sie wieder mächtig vera…“, sagt er und reibt sich vergnügt die Hände.


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