Start featured Villa Buth: Prachtvilla und „Judenhaus“

Villa Buth: Prachtvilla und „Judenhaus“

Dornröschenschlaf ist sicher eine zu märchenhafte Umschreibung für den Zustand, in dem sich die Villa Buth in Kirchberg schon seit vielen Jahren befindet. Der denkmalgeschützte Bau in der Ortsmitte des Jülicher Stadtteils verfällt zusehends. Die Sanierung würde Millionen verschlingen. Darüberhinaus ist unklar, wie der Bau künftig genutzt werden könnte.

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Villa Buth in der Gründerjahren um 1900. Foto: Untere Denkmalbehörde
Villa Buth in der Gründerjahren um 1900. Foto: Untere Denkmalbehörde
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Viel Aufmerksamkeit hat die Villa Buth in den vergangenen Monaten erlangt, weil ein Geschichts-Projektkurs des Heilig-Geist-Gymnasiums Würselen sich mit der Bau- und Nutzungsgeschichte beschäftigt hat. Dafür gab es jüngst den Preis für Zivilcourage der Jülicher Gesellschaft gegen das Vergessen und für die Toleranz. Vor Ort stößt die Arbeit der 19 Oberstufenschüler und ihres Lehrers Timo Ohrndorf ebenso auf lebendiges Interesse. Aus dem Projekt soll nun in Kooperation mit dem Jülicher Geschichtsverein sogar ein Buch werden.

In den Zeiten der Industrialisierung wurde der Prachtbau 1893 durch den Papierfabrikanten Eichhorn für seine Tochter Clara und ihren Mann Emil Buth errichtet – Namensgeber der Villa bis heute. Nur eine kurze Periode des Blüte erlebten die Mauern mit seinen großzügigen Empfangsräumen und dem umgebenden Areal, das einen Musiktempel, eine künstlichen Grotte und sogar einen eigenem Friedhof beherbergt. Nach dem Tod der Bewohner ist es nicht mehr als Familienwohnsitz genutzt worden. Schon in den 1920er Jahren waren die ersten Arbeiter der Papierfabrik dort untergebracht. In der Nazizeit brach die wohl düsterste Zeit des Hauses an. Durch Erpressung, so schilderte es Erbe und Nachfahre Hellmuth Eichhorn dem Projektkurs im persönlichen Gespräch, hätte man die inzwischen ungenutzte Villa für die Unterbringung von Juden abtreten müssen. „Villa Buth – Zwischenstation zum Holocaust“ lautet daher der vollständige Titel der Projektarbeit.

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In eindrucksvoller Recherchearbeit trugen die Schülerinnen und Schüler die Namen und Lebensumstände der Menschen zusammen, die im „Judenhaus“ bis zu ihrer Deportation in Konzentrationslagern lebten und gaben ihnen so Gesicht und Würde zurück. Sie erzählen von ihrem Leben, wie sie ihren Alltag gestalteten, etwa einkauften und wo sie sich aufhalten durften. Hilfreich waren dabei nicht nur Aufzeichnungen in den Archiven und Dokumenten, sondern vor allem das Gespräch mit Zeitzeugen – diesseits wie jenseits der Mauern der Villa Buth. Friederike Goertz zog mit ihrer Mutter in die Villa, überlebte aber, weil sie zu Verwandten geschickt wurde. Heinrich Jumpertz wohnte in der Nähe der Villa und schilderte seine Erlebnisse, wie es sie als Achtjähriger beobachtete.

„Es war fast wie ein Wunder, dass sich ein Koslarer Lehrer dafür interessiert“ hatte Pastor Dr. Peter Jöcken es bei der Präsentation der Projektarbeit in der St. Martinus Kirche in Kirchberg formuliert. „Mein Herzenswunsch ist in Erfüllung gegangen!“ Der langjährige Ortspfarrer schilderte, wie er vor 42 nach Kirchberg kam und seither immer wieder versucht hatte, Menschen für die Geschichte der Villa Buth zu interessieren – ohne großen Erfolg. Kaum vorstellbar angesichts der dichtgefüllten Kirchenbänke. „Vielleicht musste auch ein Impuls von außen kommen“, mutmaßt der 80-jährige.

Was aus dem Bau, der in der Nachkriegszeit von Gastarbeitern bewohnt wurde, letztlich wird, ist unklar. Jetzt, da die Aufmerksamkeit geweckt ist, soll die Erinnerung wach gehalten werden, ist übereinstimmend die Meinung. Ein Vorschlag fand besonderen Anklang: Die jetzige Bushaltestelle „Papierfabrik“ unweit der Villa könnte in „Haltestelle Villa Buth“ umbenannt werden. Entsprechende Schilder könnten über die Hintergrundgeschichte informieren.

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Dorothée Schenk
Freie Journalistin, Redakteurin (gelernt bei der Westdeutschen Zeitung in Neuss, Krefeld, Mönchengladbach) und Kunsthistorikerin (M.A. in Würzburg) Gebürtige Sauerländerin und Wahl-Jülicherin.

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