Start Feuerwehr Nicht allein lassen

Nicht allein lassen

Ob schwerer Unfall, Mann mit Atemnot oder Hausbrand: Wenn der Notruf gewählt wird, ist es für die Einsatzkräfte auch immer eine Fahrt ins Ungewisse. Manchmal zählt jede Sekunde, ohne Filter und Fallnetz. Und manchmal können auch Superhelden nicht mehr helfen.

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V.l.n.r.: Klaus Krauthausen, Anke Dreßen, Martina Hahn, Anja Sommer, Jürgen Eskens-Dopichey. Foto: Volker Goebels
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Unter jeder Uniform, völlig egal ob Feuerwehrfrau, Sanitäter oder sonstige Einsatzkraft, steckt ein Mensch, der während den Notlagen Dinge erlebt, die sich in das Gedächtnis einbrennen. Es ist wichtig, darüber zu sprechen. Gerade, wenn diese Erlebnisse die psychische Gesundheit der Retter gefährden.

Bis zum Ende des Jahres gab es hierfür im Kreis Düren das Einsatzkräfte-Nachsorge-Team (EKNT). 25 Jahre bestand dieses. Klar abgegrenzt ist diese Institution von sogenannten Notfallseelsorgern, die mit der zivilen Bevölkerung sprechen. Die Trägerschaft hatte bis zu Beginn des neuen Jahres das Bistum Aachen sowie der Kirchenkreis Jülich. „Die Trägerschaft ist beendet worden mit dem Einvernehmen aller Beteiligten, gerade auch der Rettungsdienste der Region“, schreibt Anja Klingbeil, tätig bei der Pressestelle des Bistums Aachen, auf Anfrage. „Hintergrund sind die sich geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen mit den einhergehenden Qualitätsstandards, die sich entwickelt haben. Es ist mittlerweile klare Aufgabe der Arbeitgeber, für die psychosoziale Gesundheit der Bediensteten zu sorgen, in dem Fall von Feuerwehrleuten und Rettungsdiensten.“

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Nun hat die Stadt Jülich die Trägerschaft übernommen. Dieses Team heißt jetzt PSNV-E, was Psychosoziale Nachversorgung für Einsatzkräfte bedeutet. Und es hat bereits jetzt mehrere Menschen gegeben, die sich an das Team unter neuem Namen gewandt haben. Angehörig ist dieses Team der Freiwilligen Feuerwehr Jülich. Vorheriges Gespräch mit dem Kreis Düren, das neue PSNV-E an den Kreis anzugliedern, habe zu keinem Ergebnis geführt. „Dass ein solches Team einer Feuerwehr zugehörig ist, ist nicht gang und gäbe. Wir sind eigentlich stolz, dass wir die Leute, die es schon 25 Jahre gut gemacht haben, auf diesem Weg nicht verlieren“, sagte Swen Henseler, der Leiter der Freiwilligen Feuerwehr Jülich. Denn alle zehn Ehrenamtliche des PSNV-E waren zuvor dem EKNT zugehörig. Außerdem freue er sich darüber, dass Bürgermeister Axel Fuchs und die Stadt Jülich sofort die Notwendigkeit eines solchen Teams erkannt und die Trägerschaft zugesagt haben.

Zehn Personen besetzen das PSNV-E im Ehrenamt. Die Leitung übernimmt Klaus Krauthausen. Krauthausen zählt, auch mit Erfahrung als hauptberuflicher Rettungsdienstler und aus Katastrophenschutzeinheiten, 40 Jahre Einsatzdienst. Im Laufe der Jahre hat er sich hierbei als psychosoziale Fachkraft qualifiziert, in Teilen auch während seines Studiums der Betriebswirtschaft, in der er auch immer wieder Lehrscheine in der Psychologie machte. Martina Hahn, ebenfalls psychosoziale Fachkraft und die stellvertretende Leitung, hat eine anderthalbjährige Ausbildung in der Notfallseelsorge absolviert.

Aus ihrer Erfahrung in der Notfallsorge wisse Martina Hahn, wie es Betroffenen gehe. „Ich weiß aber auch aus Einsätzen, dass es auch den Einsatzkräften nicht immer gut geht.“ „Die verschiedenen Einsatzszenarien können auch die Feuerwehrleute unterschiedlich beeinflussen. Der eine nimmt die Einsatzsituation anders wahr als der andere. Von daher ist diese Aufbereitung nachher auch sehr wichtig. Manchmal braucht man auch jemanden, der etwas weitsichtiger ist und sagt: ‚Wir hatten in diesem Einsatz jetzt eine gewisse Anzahl an Verletzten oder einen tödlichen Ausgang.‘ Das ist immer eine Sache, die nicht schön ist und die jeder anders verarbeitet“, sagte Swen Henseler. Es sei wichtig, dass man weiß, dass man Hilfe bekommt. Bei manchen Fällen mit besonderer Schwere wird das PSNV-E sofort vom Einsatzleiter angefordert, damit man bereits vor Ort mit jemandem sprechen kann.

Die Belastung für die Retter könne, so Krauthausen, dabei so groß werden, dass man den Beruf verlasse oder sich im schlimmsten Fall suizidiere. „Dem wollten wir entgegenwirken.“

Nun hat die Freiwillige Feuerwehr Jülich, gemeinsam mit der Stadt Jülich, die die Trägerschaft zugesagt hat, das Ruder übernommen. Wie bisher hat das PSNV-E für alle Einsatzkräfte des Kreises Düren ein offenes Ohr. Bei besonders großen Schadenslagen auch über die Kreisgrenzen hinaus. „Wenn Hilfe erforderlich ist, dann sind wir 24/7 für Euch da“, sagt Krauthausen. Jeder Ehrenamtliche sei dabei genauso vor psychischer Belastung zu schützen, wie Vollzeitkräfte. „Das gehört zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers“, sagt Krauthausen. Auch wenn die Polizei ein eigenes Nachsorgeteam betreibt, macht das PSNV-E auch Polizisten, die eventuell außerdienstlich Hilfe in Anspruch nehmen wollen, die Türe auf. Ersthelfer können das Angebot ebenfalls nutzen.

Man erreicht das Team unter der Hotline 0160 307 3182. Außerdem kann man auch die Leitstelle unter der 112 anrufen, wenn man ein PSNV-E-Team braucht, sagen die Feuerwehrleute.


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