Start Magazin Geschichte/n Grundlage für eine neue Denkmalbereichssatzung

Grundlage für eine neue Denkmalbereichssatzung

Städtebau und Denkmalpflege im Wiederaufbau der Stadt Jülich nach 1945. Eine wichtige Publikation zu René von Schöfer (1883–1954) ist erschienen.

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Bei der Buchvorstellung in Aachen (v.l.): Christof Rose, Stiftung Deutscher Architekten, Prof. Dr. Christian Raabe, Lehrgebiet Denkmalpflege und historische Bauforschung, Dr. Moritz Wild, Prof. Sabine Brück, Dekanin der Fakultät für Architektur der RWTH Aachen, Landeskonservatorin Dr. Andrea Pufke und Dr. Rüdiger Urban, Vorsitzender des "Fördervereins Festung Zitadelle Jülich e.V." Foto: Guido von Büren
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Es war allen Beteiligten anzumerken, wie stolz sie sind, als die Publikation „Architekturlehre und Städtebau im Regierungsbezirk Aachen. René von Schöfer (1883–1954)“ aus der Feder von Moritz Wild an der Fakultät für Architektur der RWTH Aachen vorgestellt wurde. Wild war mit der Arbeit hier promoviert worden. Der Landschaftsverband Rheinland hatte diese dann 2018 mit dem renommierten Paul-Clemen-Preis ausgezeichnet.

Dass diese Veröffentlichung überhaupt entstehen konnte, war dem Zusammenwirken verschiedener Partner zu verdanken. Der Förderverein „Festung Zitadelle Jülich e.V.“ hatte seine Recherchen zu einem Werkverzeichnis René von Schöfers zur Verfügung gestellt. Prof. Dr. Christian Raabe, Lehrgebiet Denkmalpflege und historische Bauforschung an der RWTH Aachen, hatte die Betreuung übernommen. Die Architektenkammer NRW / Stiftung Deutsche Architekten hatte durch die Vergabe eines Stipendiums die Grundlage für die Forschungsarbeit gelegt. Schließlich nahm das LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland das fertige Werk in seine Reihe „Arbeitshefte der rheinischen Denkmalpflege“ auf.

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Was macht nun die 336-seitige Publikation für Jülich so bedeutsam? René von Schöfer war als Professor für „Formenlehre der Baukunst“ an der RWTH Aachen von 1926 bis zu seiner Emeritierung 1951 tätig. Daneben war er als freier Architekt in der Städteplanung aktiv. So kam es, dass er kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit einer umfassenden Sanierung der Jülicher Innenstadt beauftragt wurde, nachdem er bereits 1934 einen groß angelegten Generalbebauungsplan für die Stadt erarbeitet hatte. Die heute noch im Stadtarchiv Jülich erhaltene Fotodokumentation von René von Schöfer der Hausfassaden in der „Pasqualinischen Altstadt“ ist ein ganz besonderer Schatz, bekommen wir hier doch einen Eindruck vom Erscheinungsbild der Innenstadt vor der nahezu vollständigen Zerstörung am Ausgang des Zweiten Weltkriegs. Diese machte denn auch alle Überlegungen, die von Schöfer 1938 formuliert hatte, zunichte. Da seine Unterlagen aber die Kriegszerstörungen überlebt hatten, war es seitens der Stadt Jülich nur folgerichtig, ihn mit der Planung des Wiederaufbaus zu betrauen.

Es ist das große Verdienst von Moritz Wild, den nun einsetzenden Planungsprozess nicht isoliert betrachtet zu haben, sondern diesen in umfassender Weise kontextualisiert zu haben. Das bezieht sich einerseits auf den Planungsprozess als solches und andererseits auf parallele Wiederaufbauplanungen von René von Schöfer beispielsweise für Aldenhoven, Linnich und Schleiden (Eifel). Als wichtiges Element im Verlauf der Planungen, die zuerst noch auf der Grundlage der Reichsgesetze erfolgten, dann aber rasch nach dem Aufbaugesetz für Nordrhein-Westfalen gestaltet wurden, identifiziert er Wettbewerbe zu speziellen Bauaufgaben. Für Jülich zeichnet Moritz Wild die Wettbewerbe um die Markt- und Kirchplatzgestaltung, das (Alte) Rathaus am Markt, die Durchgangsstraße (gemeint sind die heutige Große Rurstraße und die Neusser Straße) und um das Kreishaus (heute: Neues Rathaus) nach.

Das Buch ist hervorragend illustriert, sodass man der Rekonstruktion der Planungsprozesse und der Argumentation Wilds sehr gut folgen kann. Er macht anschaulich, dass René von Schöfer eng der Bewegung der Heimatschutzarchitektur verbunden war, die ein traditionelles, ortsgebundenes Bauen propagierte. In Jülich entwickelte sich durch den Rückgriff auf die Idealstadtplanung Alessandro Pasqualinis aus der Mitte des 16. Jahrhunderts bei gleichzeitiger Verwendung eines sehr traditionalistischen Architekturverständnisses ein im Prinzip kongenialer Gesamtentwurf. Dieser wurde jedoch durch die notwendigen Aushandlungsprozesse zwischen Städtebauer, Grundstückseigentümern und der Kommunalpolitik in erheblichem Maße modifiziert. In Jülich wird immer wieder darüber diskutiert, wie weit die Architektur des Wiederaufbaus im Sinne der Denkmalpflege schützenswert ist. Einzelne Bauten wie das Alte und das Neue Rathaus sowie die Fassade der Westseite des Marktplatzes stehen als Einzeldenkmäler unter dem Schutz des nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetzes. Das Ensemble der „Pasqualinischen Altstadt“ wurde Anfang der 1990er Jahre als Denkmalbereich charakterisiert. Aufgrund gesetzlicher Änderung muss diese Denkmalbereichssatzung neu gefasst und idealerweise um eine verbindliche Gestaltungssatzung ergänzt werden. Das Buch von Moritz Wild bildet für diese Aufgabe eine hervorragende Grundlage und ist deshalb, wie es die Landeskonservatorin Dr. Andrea Pufke bei der Vorstellung sagte, „ein Glücksfall für die Denkmalpflege“.

BUCHINFORMATION
Moritz Wild, Architekturlehre und Städtebau im Regierungsbezirk Aachen. René von Schöfer (1883 –1954). Arbeitsheft der rheinischen Denkmalpflege im Rheinland, Bd. 85. Hrsg. von Landeskonservatorin Dr. Andrea Pufke. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2019. ISBN 978-3-7319-0860-9; 49,95 Euro; 336 Seiten mit 168 farbigen Abbildungen.

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Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

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