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Vom ersten Frauenkloster in Jülich

Der spektakuläre Fund bewegte die Fachwelt: fast vollständig erhalten fanden die Archäologen bei ihrer Ausgrabung die Kellergewölbe des Sepulchrinerinnen-Klosters. HERZOG-Leser hatten die Gelegenheit, den Fundort unter fachkundiger Führung in Augenschein zu nehmen. Einer von ihnen war der herzögliche Haus- und Hofhistoriker, Vorsitzender des Jülicher Geschichtsvereins, Mitarbeiter des Jülicher Museums, Guido von Büren. Einblicke in eine kleine Erfolgsgeschichte eines Frauenkonvents-

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Das barocke Gebäude des ehemaligen Sepulchrinerinnenklosters vor der Zerstörung 1944. Abbildung: Museum Zitadelle Jülich
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In der Frühen Neuzeit befanden sich in der Stadt Jülich zahlreiche Klöster und Stifte: Kartäuser, Kapuziner, Jesuiten, Elisabethinnen und Sepulchrinerinnen prägten neben dem Stiftskapitel das Leben in der Stadt. Über seelsorgerische Aufgaben hinaus nahmen die Konvente eine wichtige Rolle in der Armenfürsorge und in der Bildungsarbeit ein. Stiftskapitel, Jesuiten und Sepulchrinerinnen kümmerten sich um die höhere Bildung von Mädchen und Jungen.

Mit der Säkularisation im Jahr 1802 und den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs sind die Spuren des einst reichen klösterlichen Lebens in Jülich weitgehend zerstört. Umso bedeutsamer sind die Befunde, die im Rahmen einer archäologischen Voruntersuchung auf einem seit 1945 unbebaut gebliebenen Grundstück an der Großen Rurstraße freigelegt wurden. Knapp unter der Geländeoberkante kamen erhebliche Reste der eingewölbten Keller des ehemaligen Sepulchrinerinnenklosters zum Vorschein. Grund genug, um einen Blick in die etwas mehr als 150-jährige Geschichte des Klosters zu werfen.

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Die Anfänge der Niederlassung der Chorfrauen vom Heiligen Grab geht auf das Jahr 1644 zurück, als mehrere Ordensfrauen wohl im Streit den Konvent in Aachen verließen und sich mit Unterstützung des Landesherrn Wolfgang Wilhelm in Jülich ansiedelten. Zur Priorin des neuen Konvents wurde Alvera von Virmundt gewählt, die aus einem bedeutenden Jülicher Adelsgeschlecht stammte. Durch Kauf und Schenkung verfügte man bald über ein ansehnliches Grundstück zwischen heutiger Stiftsherrenstraße und Großen Rurstraße. 1657 begannen die Bauarbeiten an der Klosterkirche, 1661 dann an den Klostergebäuden. Sie konnten 1674 abgeschlossen werden. Im 18. Jahrhundert fand mit dem Bau eines weiteren Flügels eine erhebliche Erweiterung der Bebauung statt.

Bis 1972 hielt der Name Sepulchrinerstraße die Erinnerung an das einstige Kloster wach. Durch die Umbenennung in Große Rurstraße änderte sich aber auch das. Die letzten Reste der ehemaligen Klosterbebauung waren im Zweiten Weltkrieg obertägig nahezu vollständig zerstört worden. Auf Fotografien aus der Zeit davor erkennt man einen zweigeschossigen barocken Bau mit acht Fensterachsen und einer prunkvoll umrahmten Tordurchfahrt, die aus der ersten Bauphase bis 1674 stammten. Auch der wuchtige Flügel aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, dessen eingewölbter Keller jetzt freigelegt wurde, war bis 1944 erhalten. Nach der Säkularisation 1802 wurden in dem Gebäudekomplex Veteranen untergebracht, die das ehemalige Kloster beim Abzug der Franzosen 1814 in einem desolaten Zustand zurückließen. Die preußische Regierung wandelte die Klostergebäude in eine Artillerie- und Reiterkaserne um. Dafür wurde 1818 auch die ehemalige Klosterkirche niedergelegt.

Das barocke Gebäude des ehemaligen Sepulchrinerinnenklosters vor der Zerstörung 1944. Foto: Stadtarchiv Jülich

Der Orden der Sepulchrinerinnen wurde im 13. Jahrhundert gegründet. Es handelte sich hierbei um ein Chorfrauenstift, das der Augustinusregel folgte. Adressat waren vor allem Mitglieder reicher beziehungsweise adliger Familien. Die Mitgift, die diese mitbrachten, bildete die solide finanzielle Grundlage der jeweiligen Niederlassung. Das dem hl. Joseph geweihte Kloster wurde zeitgenössisch denn auch als „Adeliche Frauen Stifft“ oder „Jufferen Closter“ bezeichnet. Im Zeitraum seiner Existenz zwischen 1644 und 1802 gab es im Kloster insgesamt 63 Chor- und 10 Laienschwestern. Die Zahl der Konventsmitglieder schwankte somit immer um die zehn.

Das Kloster verfügte über einen nicht unerheblichen Landbesitz, der verpachtet war, während der eigene Garten zur Selbstversorgung bewirtschaftet wurde. Interessant ist, dass sich ein Teil des Gartens auf der anderen Seite der heutigen Großen Rurstraße befand. Die Chorfrauen ließen sich einen Tunnel unter der Straße bauen, damit sie ungesehen ihren Garten betreten konnten. Es galt für sie als unschicklich, alleine über die Straße zu gehen. Einnahmen erzielte das Kloster durch das Schulgeld, das sie erhoben. Auch betrieben sie ein Pensionat für Schülerinnen, die von außerhalb kamen. Die erhaltenen Speisepläne zeigen eine durchaus üppige Kost an. Die Mitglieder des Konvents werden sich aber an die strengen Fastenzeiten vor Ostern und im Advent gehalten haben. Eine weitere wichtige Einnahmequelle war das Bierbrauen, das im Kloster seit 1697 erfolgte. Am Ende des 1. Viertels des 18. Jahrhunderts nahm das Kloster von 45 Bierbrauern in Jülich den dritten Platz ein. Das war der Stadt insoweit ein Dorn im Auge, da das Kloster steuerfrei brauen durfte. Seit 1733 zahlten die Sepulchrinerinnen jedoch die städtische Akzise, was man sich finanziell wohl problemlos leisten konnte.

Hingewiesen sei noch darauf, dass durch Vermittlung des aus Jülich stammenden Jesuitengenerals Goswin Nickel 1665 aus Rom die Reliquie der Jungfrau und Märtyrerin Albina in das Sepulchrinerinnenkloster kam. Kurz vor der Säkularisation übergaben die Klosterfrauen die Reliquie an die Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt, wo sie bei der Zerstörung Jülichs am Ende des Zweiten Weltkriegs verloren ging. Der Jülicher Privatlehrer Johann Krantz unterstellt in seinen tagebuchartigen Aufzeichnungen aus der Franzosenzeit, dass die „Nonnen aus dem hiesigen Kloster zum h. Grab“ bei der Säkularisation 1802 einen erheblichen Teil des Kirchen-Ornats unterschlagen hätten, indem sie sich weltlich umgekleidet zu Verwandten und Freunden gestohlen hätten. Wie dem auch sei, die aktuellen archäologischen Untersuchungen haben den Blick auf eines der ehemaligen Jülicher Klöster gelenkt, deren Geschichte mehr als nur ein flüchtiges Interesse wert ist.

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Guido von Büren
Eine echte Muttkrat und mit unbändiger Leidenschaft für Geschichte und Geschichten, Kurator mit Heiligem Geist, manchmal auch Wilhelm V., Referent, Rezensent, Herausgeber und Schriftleiter von Publikationen, Mitarbeiter des Museums Zitadelle und weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannter Historiker, deswegen auch Vorsitzender der renommierten Wartburg-Gesellschaft

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