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Vom Wert des Tafelsilbers

Nicht erst in Neuzeit hat manche Kommune und manches Land seine liebe Not mit den Finanzen. Dass Geldnot erfinderisch macht, ist auch keine neue Erkenntnis, aber in früheren Zeiten konnten Regenten es sich einfacher machen: Sie erfanden einfach neue eigene Zahlungsmittel. So geschehen im 16. und 17. Jahrhundert in Jülich, als die Stadt die so genannten „Klippen“ als Ersatzwährung herausgaben.

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Foto: Museum Jülich
Foto: Museum Jülich
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Das hatte zwei Gründe: Einmal musste im 16. Jahrhundert zu Zeiten Wilhelms, des Reichen, nach Kriegszeiten der Sold an die Truppen ausgezahlt werden. Die Klippen aus dem 17. Jahrhundert waren Zahlungsmittel in Zeiten der Belagerung. Als „Außenseiter der Geldgeschichte“ bezeichnete der Historiker Hartwig Neumann die Jülicher Notklippen, denen er 1974 eine eigenen Publikation widmete. Er sieht aber noch einen anderen Wert: „Sie besitzen daneben als Erzeugnisse der Kleinplastik einen außerordentlichen Quellenwert.“

Zur Herrschaftszeit von Wilhelm V. war die Herstellung der Notklippen“ so einfach wie genial gedacht: Die Kirchen wurden zur Herausgabe ihrer Schätze gezwungen – lediglich ein Kelch pro Kirchturm wurde ihnen gelassen – und eingeschmolzen. Aus dem Guss wurden viereckige Taler geschlagen und mit der Prägung des Jülicher Löwen versehen. So beschreibt es in einem zeitgenössischen Bericht Hermann von Weinsberg. „Klippe“ leitet sich nämlich nicht vom bekannten Felsenriff ab, sondern kommt aus dem schwedischen: „Klippa“ bedeutet so viel wie „schneiden“. Seltenheitswert haben diese frühen Zahlungsmittel.

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Schon etwas „geläufiger“ sind die Geld-Ersatzstücke des Folgejahrhunderts. Hier wurde Tafelsilber zerschnitten, flach geschlagen und mit Münzstempeln versehen. Diese Klippen gibt es daher in großer Formenvielfalt. Sie sind gern genommene Sammlerstücke. 1964 erstand die Stadt Jülich auf einer Auktion eine Sammlung von Notklippen aus den Jahren 1543, 1610 und 1621. 1972 wurden die 16 Stücke in der Ausstellung 400 Jahre Stadt- und Festungsgeschichte Jülich in der Zitadelle gezeigt.

Aus diesen besonderen „Stücken“ hat die SPD in Jülich eine Auszeichnung gemacht. Mit der Verleihung der Jülicher Klippe ehrt die Partei Personen, Gruppen und Institutionen, die sich durch nachhaltiges ehrenamtliches soziales Engagement in Jülich verdient gemacht haben – so heißt es in ihren Statuten. Nach fast zehnjähriger Pause wird die ursprünglich von 1997 bis 2006 verliehene Auszeichnung seit 2015 wieder in jährlichem Turnus vergeben. SPD-Mitglied Marco Emunds begründet es so: „So oft die Herrscher auch wechselten, die Jülicher halten zusammen. Das ist vielleicht das größte Erbe der Stadt.“ Die Klippe sei ein gutes Symbol dafür, dass man hier in schwerer Zeit zusammenstehe. Neben der Urkunde erhalten die Ausgezeichneten eine Klippe, in die das Stadtwappen eingeprägt ist. Ein Kontingent wurde damals eigens für die Partei angefertigt, lässt Emunds wissen, und nach den Vorräten befragt sagt er schmunzelnd: „Wir können noch ein paar Jahre Klippen verleihen – daran scheitert es nicht.“

2018 hat der Arbeitskreis Asyl die Auszeichnung erhalten.


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