Start featured Rund – in der Kunst

Rund – in der Kunst

Da denkt der Schreiber dieser Zeilen wahrscheinlich geschlechtsbedingt und durchaus gerne zunächst an Rundungen und nicht nur des Stabreims wegen an Rubens (Peter Paul, 1577-1640). Bilder, in denen die Frauen noch Göttinnen immerhin verkörperten in bestens gemalter Lebens- und Fleischeslust. Weder angekränkelt von Fett- noch von Magersucht. Wo es so barock „rund“ geht, auch in der kompositorischen Dramaturgie, herrscht Lebensfreude, trotz widriger Umstände. Ja, bisweilen ist man als Betrachter etwas überfrachtet von all dieser satt gemalten Leiblichkeit, doch wenn es einem zuviel wird, schließt man den Kunstbildband oder beendet den Museumsbesuch.

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Runder wurde es danach in der Kunst auch erstmal nicht mehr, zumindest, was die menschliche Körperlichkeit angeht. Und so erlaube ich mir rund zweieinhalb Jahrhunderte flachfallen zu lassen und in die Zeit nach 1900 zu springen. Da wurde es gesellschaftlich noch unrunder als es zuvor schon war, zumindest bemerkten dies einige und waren nicht mehr bereit das runde „O“ mit ihren Lippen in einem unreflektierten „hOch“ (der Kaiser!) zu formen. Sie hochten anderes. Nämlich das Aneckende, was sich auch in der Formensprache niederschlug. Die beschaulich Weiterkünstelnden befriedigten ihr bürgerliches Publikum mit brav bis technisch hervorragend gemalten Genrebildern, das Künstlerselbstbild und –verständnis der anderen veränderte sich erheblich. War man Verkanntsein seit den Anfängen der Impressionisten als Maler gewohnt, wurde dieses nun schon fast zur Bedingung. Wer malte wie vergleichsweise der oder der („die“ kam seltenst in Betracht) und damit auch noch Erfolg hatte machte irgendetwas falsch.

Da ging es dann rund in der Kunst – allerdings so, wie es der Wellensittich sagte, als er in den Ventilator flog. Eine Künstlergruppe war der anderen nicht grün oder zu blau. Manifeste wurden verfasst, Theorien ent- oder verwickelt, einfach „nur“ malen, was man sah – der inneren Notwendigkeit folgend – schon schlecht. „Das Prinzip der inneren Notwendigkeit“ wurde zwar von Wassilij Kandinskij 1912 in „über das Geistige in der Kunst“ ausführlich festgelegt – aber doch nur so, wie es dem seinen entsprechen konnte. Dem hielten die Dadaisten 1916 ein lautmalerisches „Hermgaröck“ entgegen und die Surrealisten 1924 ihr eigenes Manifest. Zwischendurch gab es noch Maler und Zeichner wie George Grosz (1893-1959, seltsamerweise oft dem Expressionismus zugerechnet) und Otto Dix (1891- 1969, ebenso vereinfachend in die damals noch „neue Sachlichkeit“ eingeordnet), die sich nicht in Theorie verbildeten, sondern eine deutliche Körperlichkeit zeigten. Sozial- und staatskritisch stereotypisiert, aber immerhin. Das Runde waren der Kapitalist und seine Frau, das Eckige seine Gespielinnen und die ihm zu solcher Fülle Verhelfenden. Klare Ansichten, deutliche Aussagen. Angefochten, weil sich nicht in geistigem, verklärendem Nebel auflösend. Aber anfechtbar ist letzterer auch. Eben deshalb, nur per se un(an)greifbarer.

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Brachte der erste Weltkrieg noch künstlerische Aufschreie hervor, erstickte der zweite auch diese. Das immerhin Interessante wurde „entartet“, ödes Handwerk ideologisch so aufgeblasen, dass auch die geringste Anhaftung von Kunst davon abplatzte. Danach – brauchte man alles Nötige, Kunst gehörte eher nicht dazu. Da Künstler aber doch weiterhin ihr Wesen trieben, formierten sich schnell neue antipodische Lager (denen einige doch gerade erst entkommen waren), von denen das der Abstrakten zunächst dominierte. „Nach Auschwitz kann! man! keine Gedichte mehr schreiben!“ Ooh-ooh – auch das: Ideologie pur. Den Menschen war das wurscht. Als sie wieder konnten, kauften sie, was ihnen gefiel. Und die alte Marktmaschine kam erneut in Gang. Gelobt, angepreist, verkauft. Angebot schafft Nachfrage, Überangebot Beliebigkeit.

Verwirrt, lieber Leser? Ich auch. Ein völlig strukturloses Durcheinander, dem auch die Kulturhistoriker und -kritiker nur Schubladen zuweisen, die zeitlich übereinandergelegt Fortschritt suggerieren. Da geht nichts rund, sondern alles trotz Neben- auch gegeneinander. Heute mehr denn je – Konsens ? Nonsens. Vielfalt ist angesagt – und Austauschbarkeit. Jeder darf, viele wollen, einige können, alle machen. Die Kunst wäre : zu können, was man will; und das aus „innerer Notwendigkeit“ (s.o.) auch zu tun. Und sich so dem KONSUM der Bilder zu entziehen und auch dem beigebracht zwanghaften Pseudo-Bedürfnis solche mal eben schnell und weil´s so einfach ist zu machen.

Selfie-Verbot in Cannes ? Ich cannes nicht glauben. Das halten die nicht aus.
Nun wurde nicht mehr Lebensfreude angezeigt, sondern O-position bezogen. Die O-beren waren fett, die anderen zumindest angehungert. Der erste Weltkrieg kam. George Grosz (), Otto Dix() da wurden dick und dünn, rund und eckig zur Stereotype…an denen WW 2 auch nichts geändert hat. Doch nun sind wir ja darüber hinweg. Rund ? In der Kunst ? Fällt mir in meiner Beschränktheit erstmal nur Viktor Vasarely ein. Der mich in Zahnarztwartezimmern nicht von meinen Schmerzen befreien konnte.


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