Ein Titel, der (noch) nicht auf der Spiegel-Bestsellerliste zu finden ist, und dennoch ist er in der Stadtbücherei Jülich permanent ausgeliehen und so etwas wie ein „Geheimtipp“ geworden. Ich gebe ehrlich zu, bei dem Stapel der Neuzugänge im Romanbereich für die Stadtbücherei Jülich habe ich diesem Titel bei der Einarbeitung zunächst keine besondere Bedeutung beigemessen. Doch dann erhielt ich als Bibliothekarin selbst die Empfehlung von einer unsere „Stammleserinnen“ – das Buch müssen Sie lesen! Und da im Moment neben meiner Arbeit als Leiterin der Stadtbücherei Jülich in der Freizeit viel Raum zum Lesen bleibt, habe ich mich auf diesen Titel eingelassen.
Doris erlebt ihre Kindheit und beginnende Jugend in den Zwanzigerjahren in Stockholm. Zu ihrem zehnten Geburtstag schenkt ihr Vater ihr ein Adressbuch – natürlich in der Farbe Rot, wie der Titel es vermuten lässt. Dazu erhält sie von ihm die Aufgabe, in dieses Buch die Daten der Menschen einzutragen, die ihr etwas bedeuten oder die ihr Leben beeinflussen. – Über viele Jahrzehnte hinweg begleitet sie das Buch und seine Mission in ihrem Leben und sie hütet das Buch wie ihren Augapfel. Mittlerweile ist Doris 96 Jahre alt und inzwischen sind fast alle Einträge in ihrem Adressbuch mit dem Vermerk „tot“ versehen. Und so erzählt das Buch hauptsächlich von Erinnerungen und Verbindungen zwischen Menschen. Jeder Person ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Und auch wenn diese nicht mehr leben, sind die Emotionen, die mit ihnen verknüpft sind, doch bleibend.
Dieser Umstand hat mich persönlich emotional sehr berührt, gerade in dieser Zeit, in der wir gezwungen sind, unsere sozialen Kontakte auf ein Minimum zurück zu fahren und dabei auch manche liebgewonnenen Personen nur in Gedanken mit uns verbunden sein können.
Doris erinnert sich zurück und beschließt anhand der Einträge über die Begegnung mit Menschen ihre persönliche Geschichte für ihre Großnichte Jenny niederzuschreiben. In Form einer Ich-Erzählung wird Doris bewegtes Leben und ihre Reise aus den einfachen Verhältnissen in Stockholm über das mondäne Paris weiter in die USA und England geschildert, bis sie letztendlich nach Schweden und zu einem Mann, den sie nie vergessen konnte, zurückkehrt. Dadurch das die Episoden, die in der Gegenwart spielen, in der dritten Person geschrieben sind, ergibt sich ein interessanter Kontrast zwischen den Erinnerungen der jungen Doris und dem Leben in der Gegenwart.
Und immer wieder ertappe ich mich auch selbst bei der Frage ob ich die Menschen, Begegnungen und vor allem die Liebe, die ich bisher in meinem Leben erfahren durfte, genug wertgeschätzt habe.
Voraussichtlich im Frühjahr 2020 wird das neue Buch der Autorin „Ein halbes Herz“ im Goldmann Verlag erscheinen, in Schweden, dem Heimatland der Autorin schon jetzt ein Bestseller. Dafür brauche ich bestimmt keinen Impuls mehr von außen, das „Rote Adressbuch“ war selbst Empfehlung genug, gespannt auf den neuen Titel zu sein.