Start Magazin Menschen „Am liebsten mag ich kurze Witze“

„Am liebsten mag ich kurze Witze“

Jeckes Gespräch mit Heimatredner Tom Oellers

690
0
TEILEN
Tom Ollers | Foto: Gissa Stein
- Anzeige -

HERZOG: Was braucht man denn so, um ein guter Heimatredner zu sein? Wird man schon witzig geboren?
TOM: Also es ist wohl eine gute Mischung aus
Genen, Erziehung und Raum zur Entfaltung. Das alles wurde mir vorbildlich im wahrsten Sinne des Wortes mitgegeben. Ich bin ein echter Muttkrat – ein in Jülich geborenes Kind von zwei Jülichern. Mein Vater Hubert Oellers war ja aktiver Karnevalist bei der KG Rurblümchen im Elferrat und als 2. Sitzungspräsident. Und er war natürlich der „Heimatredner“, der alljährlich quasi als Büttenrede die lokalen Ereignisse des Jahres humorvoll Revue passieren ließ. Die KG hatte damals eine aktive Kindergruppe, in der ich ebenso in den Karneval hineinwuchs wie beispielsweise auch der heutige Präsident der Rurblümchen, Frank Kutsch. Natürlich waren wir auch alle mal im Jülicher Kinderdreigestirn. Aus Abneigung gegen die Pumphosen habe ich das Amt des Prinzen zwar stets verweigert, aber als Bauer Tom war ich unter Prinz Norbert Steufmehl und Prinzessin Anne Bittmann 1980 stolz dabei. Zu dieser Zeit war mein Vater aktiv in der Bütt, so dass ich mich dem gar nicht entziehen konnte.
HERZOG: Das Amt des Büttenredners ist also vererbt?
TOM:  Ja und nein. Ich hatte zwar damals immer mal wieder davon geträumt, mit ihm auf der Bühne ein Zwiegespräch führen zu können, aber dazu ist es nie gekommen. Ich finde auch, dass man dafür ein gewisses Alter und Reife besitzen muss, sonst ist die „Rolle“ unglaubwürdig. Als „Schorsch“, also Georg Thevessen nach dem Rückzug meines Vaters in den 90ern das Amt übernahm, es vor einigen Jahren niederlegte und dieses dann ein paar Jahre brach lag, wurde die Frage an mich herangetragen, ob ich diese Tradition nicht wiederaufleben lassen wolle. Ich habe keine Sekunde überlegt…
HERZOG: Wäre das besser gewesen?
TOM:  Bei den ersten Reden schon. Sie waren aus meiner Sicht eine Katastrophe. Ich hatte mich bis dato nur wenig mit Politik beschäftigt, war mit dem Lokalkolorit nicht so vertraut, wie es dafür notwendig ist. Seitdem ist das Lesen der Tageszeitung ebenso Pflicht wie der HERZOG und alle anderen Medien, aber auch die Internetseiten der
Jülicher Parteien und der Stadtverwaltung, dazu Gespräche und persönliche Kontakte zu Jülicher A-, B- bis Z-Prominenten, Verwaltung, Vereinen und Institutionen. Und seitdem geht es deutlich besser und einfacher.
HERZOG: Ist der Humor heute ein anderer als zu Vaters Zeiten?
TOM:  Humor wandelt sich natürlich. Die heutigen Zuhörer sind von Comedians und diversen Satire-Sendungen verwöhnt. Aber über lokale Geschehnisse wird genauso gelacht wie früher auch.
HERZOG: Die tollen Tage stehen nun ja vor der Tür, alles fertig für die Bütt?
TOM: Ja, langsam wird es rund. Eine gute Büttenrede ist immer der Spagat zwischen Weit- und Kurzblick, also der Alptraum ist, etwas Aktuelles zu vergessen, gleich gefolgt von ollen Kamellen, von denen keiner mehr spricht.
HERZOG: Sonstige Stolpersteine?
TOM:  Ja, das Publikum muss natürlich genau so im Thema sein wie ich, sonst bringt der tollste Gag nichts. Immer wieder muss ich viele Insiderwitze schon im Vorfeld wieder streichen, weil eine Erklärung für alle in der Rede zu lang werden würde.
HERZOG: Schon mal probehalber an jemandem getestet?
TOM:  Natürlich. Um persönliche Sicherheit zu haben, wird die Rede natürlich vorher dem Vorstand vorgetragen. Mein Vater musste sich einmal persönlich beim Bürgermeister Knipprath entschuldigen, weil er ihn als Ajatolla Knippradi, Alleinherrscher über Jülich, bezeichnet hatte. Ich habe daraus gelernt, dass man nie persönlich werden darf. Natürlich ist meine Frau Sabrina die allererste, die Teile der Rede hört. Sie ist zwar immer wieder erstaunt darüber, wie oft und sehr ich über meine eigenen Witze lachen kann. Erst wenn sie mit lacht, weiß ich, dass es wert ist, in die Rede aufgenommen zu werden. Ein sicheres Barometer ist aber auch „Schorsch“ im Unruhezustand als Briefbote. Er liefert nicht nur Rechnungen in meinem Geschäft ab, sondern auch ein qualifiziertes Urteil zu der ein oder anderen Textpassage.
HERZOG: Womit kann man denn in Jülich gar nichts falsch machen, also gibt es Dauerbrenner, die immer gehen?
TOM:  Leider oder zum Glück ja. Also Stadtverwaltung, Stadthalle und Brandschutz gehen immer. Die Vorjahresrede war ruckzuck fertig, weil die Steilvorlagen in einem Wahljahr gut und reichlich sind. Aber auch das vergangene Jahr hatte einiges zu bieten, was sich förmlich thematisch aufdrängt.
HERZOG: Ach ja?
TOM:  Also ich kann ja jetzt hier nicht die Pointen vorwegnehmen, aber die Themen Biergärten, Herzog-Jubiläum oder der Ausblick auf die Tour de France durch Jülich werden natürlich dabei sein.
HERZOG: Aha, haben wir ja endlich die Verbindung vom Hobby zum Beruf. Das Fahrradgeschäft, in dem wir hier sitzen, läuft rund? Wieso füllen hier so viele Pokale die Regale?
TOM:  Also ich freue mich tatsächlich auf die Tour de France. Als Fahrradhändler glaube ich zwar nicht daran, dass dieses nur wenige Minuten die Stadt durchrollende Ereignis einen Boom für Fahrradfahren oder Verkaufsexplosionen auslösen wird, aber angedachte Aktionen wie Stadtradeln und Promintentenrennen für einen guten Zweck befürworte ich sehr. Die Pokale stammen übrigens aus meiner Kindheit und Jugend. Ich konnte mich lange nicht zwischen Fußball und Radsport als Hobby entscheiden. Irgendwann musste ich aber und habe den Radsport gewählt und einige Erfolge eingefahren. Dann habe mit dem Fahrradgeschäft das Hobby zum Beruf gemacht. Das schuf letztlich freie Kapazitäten für ein neues Hobby: den Heimtredner…
HERZOG: Und ist das Witzig-Gen in der Familie Oellers denn abermals weitervererbt, anerzogen und ihm Raum gegeben worden?
TOM:  Also mein Sohn Maurice ist jetzt 23. Auch für ihn gilt wie bei mir, dass das erst ab einem gewissen Alter Thema und Wunsch sein kann. Wir werden also noch ein paar meiner Heimatreden abwarten müssen und wer weiß, welches Talent da bereits heute in der Nachwuchsabteilung oder auch in der „Keimzelle“ Herrenballett heranreift…
HERZOG: Abschließend – natürlich – bitte der Lieblingswitz?
TOM:  Ich mag am liebsten kurze Witze. Noch schnell ein Kölsch trinken, bevor es zu Alt wird? Prost!…

- Anzeige -

§ 1 Der Kommentar entspricht im Printprodukt dem Leserbrief. Erwartet wird, dass die Schreiber von Kommentaren diese mit ihren Klarnamen unterzeichnen.
§ 2 Ein Recht auf Veröffentlichung besteht nicht.
§ 3 Eine Veröffentlichung wird verweigert, wenn der Schreiber nicht zu identifizieren ist und sich aus der Veröffentlichung des Kommentares aus den §§< 824 BGB (Kreditgefährdung) und 186 StGB (üble Nachrede) ergibt.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here