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30 Jahre Gleichstellungsstelle und Frauen helfen Frauen e.V.

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Foto: Gleichstellungsstelle und Frauen helfen Frauen e.V.
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Vor 30 Jahren entwickelten sich aus einer starken Frauen-Szene in Jülich gleich zwei „Institutionen“: die Gleichstellungsstelle und der Verein „Frauen helfen Frauen e.V.“. Mandy Geithner-Simbine, derzeitige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Jülich, Kirsten Müller-Lehnen als erste Amtsinhaberin, Brigitte Habig als Gründerin von „Frauen helfen Frauen e.V.“ und Dagmar Ahrens, Maria Brenner und Sabrina Dicken von der Beratungsstelle des Vereins haben sich für den HERZOG erinnert.
Herzog: Ein Jubiläum erzwingt stets einen Blick zurück. Was waren damals die Gründe zur
Gründung?
Kirsten Müller-Lehnen: Also ich war von 1982 bis 1984 bereits bei der Stadt Jülich als Sozialplanerin mit empirischen Forschungen beschäftigt, die eine deutliche Schieflage zu Ungunsten der Frauen verdeutlichten. Viele engagierte Frauen bei den Grünen und in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen sowie ideale politische Mehrheitsverhältnisse in Jülich sorgten dafür, dass Jülich zu den ersten 70 Städten deutschlandweit gehörte, die 1986 eine kommunale Gleichstellungsstelle einrichteten. Damals gab es noch keinen Aufgabenkatalog, sondern nur ein Ziel: in der Verwaltung dafür zu sorgen, dass Frauen und Männer gleich behandelt werden. Die ersten Aufgaben wurden über die Ratsfrauen definiert, es gab landesweite Treffen der Gleichstellungsbeauftragten, bei denen sich herausstellte, dass die Stellen ganz unterschiedlich an- und eingebunden waren und je nach Mitwirkungsmöglichkeiten andere Wege gegangen wurden.
Herzog: Wie sah denn der Jülicher Weg aus?
Kirsten Müller-Lehnen: Der wurde eigentlich von Anfang an mit dem Verein „Frauen helfen Frauen e.V.“ beschritten. Als Gleichstellungsbeauftragte habe ich ein Frauen-Plenum im Rathaus einberufen. Der Sitzungssaal war voll mit Frauen. Engagierte Frauen in der Volkshochschule waren als Multiplikatorinnen aktiv und auch Brigitte Habig fand ihren Weg zu uns. Mit ihren in Norddeutschland gesammelten Erfahrungen in einer aktiven Frauenberatungsstelle hatte sie sogleich ein konkretes Betätigungsfeld. Ich habe ihr gesagt: „Mach mal!“ und so entstand der Verein „Frauen helfen Frauen e.V“.
Brigitte Habig: Genau so war es. Das war die Initialzündung. Es stellte sich in Sprechstunden und vielen Anfragen an die Gleichstellungsbeauftragte heraus, dass sich in Jülich spezielle Anfragen zur Thematik Gewalt an Frauen häuften und es Handlungsbedarf gab, eine solche Beratungsstelle einzurichten. Die Gleichstellungsstelle und die Beratungsstelle haben nach einer fast zeitgleichen Geburt den Weg in die Professionalität gestartet und Hand in Hand gearbeitet – für und mit den Frauen.
Herzog: Wie hat sich denn das Frauenbild in den 30 Jahren verändert?
Kirsten Müller-Lehnen: Auf jeden Fall positiv. Vor 30 Jahren wurde die Vernachlässigung von Mann und Kind zugunsten eines eigenen Berufes als sträflicher Leichtsinn beschrieben, es gab das Schuldprinzip bei Scheidungen, über gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen sprach man nicht und auch familiäre Auseinandersetzungen waren strikt Privatsache. Heute gilt, dass auch das Private immer auch politisch ist.
Dagmar Ahrens: Das zeigt sich auch in der Arbeit der Beratungsstelle. Früher mussten wir bei den Frauen und Mädchen, die zu uns kamen, das Thema Gewalt von uns aus ins Gespräch bringen, also in Vorleistung gehen. Heute wird das Pro-blem von den Betroffenen schon beim Erstkontakt am Telefon beim Namen genannt. Frauen holen sich heute viel selbstverständlicher Unterstützung und wissen, wo sie sie bekommen.
Maria Brenner: Das Thema Gewalt hat auch neue Facetten bekommen. Die Menschen werden älter, verlieben sich jünger. Gewalt gegen den alternden Partner, Gewalt in der ersten Liebe, Gewalt im Internet, Sexismus, Mobbing… Das Frauenbild mag sich verändert haben, das Thema Gewalt gegen Frauen und Mädchen zeigt sich einfach nur in anderen Facetten.
Herzog: Wie sieht gute Frauenförderung denn heute aus?
Mandy Geithner-Simbine: Die Anforderungen in der Gleichstellungsarbeit reichen heute über die schwerpunktmäßige Frauenförderung hinaus und verfolgen einen chancengleichheitsorientierten Ansatz. Frauen und Männern dürfen aus ihren Entscheidungen für bestimmte Lebensentwürfe keine Nachteile für den weiteren Lebensverlauf entstehen. Unabhängig von ihrem Geschlecht, Alter oder ethnischen Zugehörigkeit sollen Frauen und Männer gleiche Chancen erhalten.
Herzog: Was waren denn die größten Erfolge der letzten 30 Jahre? Wir haben eine Bundeskanzlerin und sind Weltmeisterinnen im Fußball. Und in Jülich?
Mandy Geithner-Simbine: Die kommunale Gleichstellungsarbeit  hat im Verlauf der letzten 30 Jahre zu einem stärkeren Selbstverständnis der Gleichstellung von Mann und Frau beigetragen. So sind die heutige Beratungsstelle des Vereins „Frauen helfen Frauen e.V.“ und die Gleichstellungsstelle feste und professionelle Institutionen mit klarem Aufgabenprofil. Seit Bestehen der Beratungsstelle sind der enge Austausch mit dem Verein und die vielfältige Vernetzung der Gleichstellungsstelle eine Strategie, den Anforderungen der Gleichstellungsarbeit und dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen, um nachhaltig Veränderungen für mehr Chancengleichheit zu erreichen. Aus dieser Vernetzung gehen auch immer wieder gemeinsam fachliche und kulturelle Veranstaltungen hervor.
Herzog: Wird es in 30 Jahren immer noch Gleichstellungsbeauftragte und den Verein „Frauen helfen Frauen e.V.“ geben?
Brigitte Habig: Davon bin ich überzeugt. Wir haben die Pionierarbeit dafür geleistet, dass Gleichstellungsarbeit heute nicht mehr wegzudenken ist. Die heutigen und zukünftigen Gleichstellungsbeauftragten haben die Pflicht und Verantwortung, das mittlerweile etablierte Niveau zu halten und weiter zu verbessern.
Herzog: Was passiert denn so im Jubiläumsjahr?
Mandy Geithner-Simbine: Es gibt eine ganz besondere gemeinsame Jubiläumsarbeit: Zu einem Konzert mit der internationalen Sängerin „Soleil“ wird am Donnerstag, 9. März, ab 19.30 Uhr im Kulturbahnhof gefeiert. Und ja, es sind auch Männer willkommen!

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